Den Weg für ein technisches Studium ebnen

22.09.2020
3/2020

Wer Lebensmittelingenieurin oder Maschinentechniker werden will, gelangt typischerweise mit einer technischen Berufsmatur an die Fachhochschule. Doch dank Unterstützungs-Angeboten können auch andere Bildungswege gelingen.

Nach der Gymi-Matur wusste Laurent Lüthi nicht so recht, in welche Richtung es gehen sollte. Informatik interessierte ihn, aber ein entsprechendes Studium traute er sich ohne fachliche Vorkenntnisse nicht wirklich zu. Deshalb entschied er sich vor drei Jahren ziemlich spontan für ein zweimonatiges Vorpraktikum an der ZHAW. Das Angebot heisst heute Youth2Engineers und richtet sich an Absolventen einer gymnasialen Matur oder einer nicht-technischen Berufsmatur. «Ich wollte herausfinden, ob Informatik etwas für mich ist», sagt der 24-Jährige, der unterdessen bereits zwei Jahre Studium hinter sich hat. Das Vorpraktikum sei eine Art Crashkurs gewesen, in dem sehr kompakt alle Grundlagen vermittelt wurden, fasst Lüthi zusammen. «Ich habe extrem viel gelernt.»

 

Im Unterricht schraubte Lüthi Computer auseinander, um mit der Hardware vertraut zu werden, lernte löten und programmierte schliesslich eine ganze Wetterstation mit Sensoren, die Informationen an eine Datenbank schicken. Der Vorkurs öffnete ihm die Türen zu einem zehnmonatigen Praktikum bei einer Firma, die Vorlagen für einfache Webseiten zum Selberkonstruieren entwickelt. «Nach diesen Vorerfahrungen kann ich dem Unterricht im Studium gut folgen», sagt der angehende Informatiker.

Hilfe bei der Praktikumssuche

Youth2Engineers ist Teil des Angebots, das die School of Engineering (SoE) als Vorbereitung auf ein technisches Studium zusammengestellt hat. Seit einem Jahr laufen alle Kurse unter dem Namen Pre-College. Bei den meisten davon handelt es sich um reine Wissensvermittlung im Präsenzunterricht. Während Gymi-Absolventinnen und Absolventen oder Personen mit einer nicht-technischen Berufsmatur im Hinblick auf ein Informatikstudium vom Programmierkurs profitieren, setzen sich angehende Maschinentechnik-Studierende zuerst mit technischem Zeichnen und CAD auseinander. Derweil stopfen Berufsmatur-Absolventen häufig Lücken in Mathematik und Physik oder peppen ihr Englisch auf.

«Wir stellen hohe Anforderungen im Bereich der naturwissenschaftlichen Grundlagen.»

Markus Kunz

«An der SoE stellen wir hohe Anforderungen im Bereich der naturwissenschaftlichen Grundlagen», sagt Markus Kunz, Professor an der Abteilung Lehre und verantwortlich für den gesamten Pre-College-Bereich. «Daher sind diese Kurse sehr gut besucht.» Von den rund 700 Personen, die an der SoE jährlich ein Studium beginnen, machen meist etwa ein Viertel davon Gebrauch. Für eine Aussage über die Wirksamkeit sei es aber noch zu früh, stellt Kunz klar. Bei früheren Kursen, die manchen Angeboten vorausgegangen sind, seien die Rückmeldungen der Dozierenden insgesamt sehr positiv gewesen.

Beim Programm Youth2Engineers ist neben der Vermittlung praktischer und theoretischer Grundlagen die Unterstützung bei der Praktikumssuche ein wichtiger Pluspunkt. Denn ohne Vorkenntnisse sei es in manchen Branchen schwierig, einen geeigneten Praktikumsplatz in einer Firma zu finden, weiss Kunz. Deshalb hat das Departement ein breites Netzwerk mit Partnerfirmen aufgebaut.

Mathe und Physik aufpeppen

Diverse Vorbereitungskurse bietet auch das Departement Life Sciences and Facility Management (LSFM) in Wädenswil an. Sie richten sich an Studieninteressierte ohne gymnasiale Matur oder naturwissenschaftliche Berufsmaturität und vermitteln Grundlagenwissen in Mathematik, Physik, Chemie und Biologie. Die Kurse finden entweder im Online-Modus statt, bei dem Dozierende teilweise live über einen Videokanal unterrichten und Fragen beantworten, oder als interaktive E-Learning-Einheiten, die Teilnehmende zeitunabhängig belegen können. Angebote wie etwa das Mathe-Fitnessstudio können auch noch während des Studiums zur Repetition genutzt werden.

 

Analog zum Youth2Engineers der SoE findet am Departement LSFM zudem das Laboreinführungspraktikum statt. Es vermittelt während zweier Monate grundlegende Labormethoden aus der Chemie, Biotechnologie und Lebensmitteltechnologie sowie Kenntnisse in Arbeitssicherheit. Anschliessend unterstützt die ZHAW die Teilnehmenden bei der Suche nach einem Praktikum in der Industrie.

Nach dem Gymi direkt an die Fachhochschule

Ein weiterer Zugang, der Personen mit einer gymnasialen Matur den Weg an die Fachhochschule ebnet, ist das Praxisintegrierte Bachelorstudium (PiBS). Es dauert vier statt drei Jahre, weil die normalerweise verlangte einjährige Arbeitserfahrung im Studium integriert ist. Somit können Gymi-Abgänger direkt mit dem Studium beginnen. «Theorie und Praxis gehen bei diesem Modell Hand in Hand», sagt Ximena Florez, die 2015 den PiBS-Studiengang Verkehrssysteme in Angriff genommen hat. «Das hat mir sehr entsprochen.»

«Theorie und Praxis gehen beim Praxisintegrierten Bachelorstudium Hand in Hand.»

Ximena Florez

Für die Aufteilung von Studium und Praxis gibt es verschiedene Möglichkeiten. Während einige Studierende die ganzen vier Jahre hindurch im Teilzeitpensum arbeiten, wechseln andere phasenweise zwischen Hochschule und Praktikumsplatz ab. Ximena Florez zum Beispiel studierte zuerst zwei Jahre Vollzeit. Danach trat sie ihren Praktikumsplatz bei den SBB an, den sie über das Partnernetzwerk der ZHAW gefunden hatte. Dort arbeitete sie im dritten Jahr Vollzeit und im vierten Jahr Teilzeit, während sie weiterstudierte. Besonders das letzte Jahr mit dem 140-Prozent-Pensum sei streng gewesen, blickt die 27-Jährige zurück, aber auch abwechslungsreich. Weil die SBB extra für PiBS-Studierende einen speziellen Einsatzplan erarbeitet haben, erhielt sie Einblick in verschiedene Betriebsbereiche. «Dabei ergaben sich die Themen für meine Projektarbeit sowie die Bachelorarbeit wie von selbst aus der Arbeitspraxis heraus», sagt die Verkehrsingenieurin, die auch heute noch bei den SBB arbeitet.

Noch wenig bekannt

Die ZHAW bietet das PiBS seit 2015 für zehn Studiengänge an der SoE und am Departement LSFM an. Interessierte müssen einen Ausbildungsvertrag mit einem Partnerunternehmen abschliessen und einen anspruchsvollen Rekrutierungsprozess durchlaufen. Meistens erhalten sie einen Praktikumslohn. Der Bund hat das Modell 2014 im Rahmen der Fachkräfteinitiative als Pilotversuch lanciert. Nachdem eine Evaluation ergeben hat, dass es sich bewährt, hat der Bundesrat im März beschlossen, das Programm einstweilen bis zum Startjahr 2025 zu verlängern.

Sowohl an der SoE als auch in Wädenswil sieht man das vierjährige Modell als Erfolg. «Das PiBS wird jedes Jahr beliebter», sagt Christian Hinderling, Leiter des Instituts für Chemie und Biotechnologie. Nach einer gymnasialen Matur sei es eine attraktive Chance. «Das Modell verdient es, an den Gymnasien noch bekannter zu werden.»

Kinderuniversität und Science Week: Wo Kinder Antworten auf ihre Fragen erhalten

Um bei Kindern das Interesse an technischen und naturwissenschaftlichen Berufen früh zu wecken, engagiert sich die ZHAW vielseitig. Die School of Engineering und das Departement Life Sciences und Facility Management beteiligen sich jeweils mit mehreren Vorlesungen an der Kinderuniversität Winterthur. Bei der Wahl der Dozierenden achten sie dabei auf eine angemessene Vertretung der Frauen. Mädchen sollen weibliche Vorbilder zu Gesicht bekommen. Am Nationalen Zukunftstag und in der Nacht der Technik richtet sich die Hochschule ebenfalls gezielt an den Nachwuchs. 6- bis 19-Jährige, die sich dem MINT-Club angeschlossen haben, informiert sie zudem regelmässig über aktuelle Veranstaltungen, Workshops sowie Führungen.

Die «Science Week» in Wädenswil gibt Jugendlichen jeweils während der Sommerferien die Möglichkeit, zu experimentieren, zu forschen und zu staunen. Sie lernen beispielsweise, wie man die DNA einer Pflanze isoliert oder wie man eine elektronische Glückwunschkarte lötet. Am «Girls Only Day» sind die Mädchen unter sich. Für Schulklassen organisiert die ZHAW individuelle Rundgänge und Laborbesuche. Antworten auf typische Kinderfragen gibt es in einem Buch der School of Engineering. Unter dem Titel «Kinder fragen Experten» erklären Dozierende etwa, wie aus Sonnenstrahlen Strom gewonnen wird, was man unter dem Treibhauseffekt versteht und wie die Tower Bridge funktioniert.

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