«Die Ungewissheit machte mir zu schaffen»

01.07.2020
2/2020

Jacqueline Walker hatte gerade ihr Praktikum im Spital Männedorf angefangen, als die Corona-Krise begann. Wochenlang war die ZHAW-Pflegestudentin an der Betreuung von Covid-19-Patienten beteiligt.

«Am Anfang hatte ich mega Angst», räumt Pflegestudentin Jacqueline Walker ein. Das Spital Männedorf, in dem sie seit Februar ihr zweites Praktikum im Rahmen des Bachelorstudiums Pflege absolviert, begann im März, an Covid-19 erkrankte Menschen aufzunehmen. Auch die medizinische Abteilung, auf der die 21-Jährige im Einsatz stand, wurde nach und nach zur Isolierstation umfunktioniert. Zu schaffen machte der Studentin vorab die Ungewissheit. Sie sah die Medienberichte zu überfüllten Spitälern in Norditalien. Würde das auch in der Schweiz geschehen? Und was, wenn sie sich selber anstecken würde?

«Ich betrat Covid-19-Zimmer auch dann in voller Schutzmontur, wenn ich nur ein Medikament hinstellte», blickt sie auf jene ersten Tage zurück. Doch ihre Abteilung war ja nicht die Intensivstation mit den wirklich schwer Erkrankten, und die Kolleginnen konnten sie beruhigen. «Sie sagten mir: Jacky, du musst dich nicht jedes Mal so einpacken.» Eine Gesichtsmaske blieb aber zwingend, und wenn sie den Erkrankten nahe kam, schützte sie sich zusätzlich mit einer Brille. Die Mitarbeitenden seien spitalintern stets sehr gut über Sicherheits- und Hygienemassnahmen informiert worden, lobt sie. Das habe geholfen. 

Einreibungen und Gespräche

Die Covid-19-Patientinnen und -Patienten auf ihrer Abteilung waren 50-jährig und älter. Sie zeigten mildere bis schwerere Symptome, von Fieber über Husten bis zu Kurzatmigkeit. Viele brauchten Sauerstoff. Alle waren sehr geschwächt, und manche erlitten nach der ersten Besserung einen Rückfall. «Eine meiner Hauptbeschäftigungen waren atemstimulierende Einreibungen», erzählt die ZHAW-Studentin. Das habe den Corona-Kranken gutgetan. Auch bei leichten körperlichen Übungen nach Anweisung der Physiotherapeuten war die Praktikantin anwesend. Bewegung sei wichtig bei Lungenerkrankungen.

«Es war mir ein Anliegen, mir Zeit für die Patientinnen und Patienten zu nehmen und für sie dazusein.»

«Wir merkten immer besser, was sie brauchten», sagt die engagierte junge Frau, die im vierten Semester studiert. Besonders schätzten die Patienten Gespräche und andere Zuwendungen. Wegen des Besuchsverbots und der Isolation blieben die Patienten allein. «Wir waren die einzigen direkten Kontakte für sie», so Jacqueline Walker, «es war mir ein Anliegen, mir Zeit für sie zu nehmen und für sie dazusein.» Weil es in der Schweiz gelang, die Infektionskurve abzuflachen, blieb die Zahl der Covid-19-Patienten auf ihrer Abteilung zum Glück überschaubar.

Viel Anerkennung

Im Frühsommer kehrt die Pflegestudentin in den Unterricht zurück – um eine Epidemie-Erfahrung reicher. «Ich habe viel gelernt», stellt sie fest. Mit ihrer Berufsbildnerin im Spital konnte sie sich täglich austauschen. Speziell das Wissen über Hygienemassnahmen werde sie später anwenden können, glaubt die Studentin. Eine neue Erfahrung war auch die Aufmerksamkeit, die die Pflege von aussen erhielt. Jacqueline Walker bekam so viel anerkennenden Zuspruch wie noch nie: «Das hat mich sehr gefreut.» Wie nachhaltig die Wertschätzung der Pflege sei, werde sich aber erst noch zeigen.

ZHAW-Studierende packten mit an

41 Studentinnen und Studenten des Departements Gesundheit der ZHAW betätigten sich ab März in Zürcher Gesundheitseinrichtungen. Sie standen nicht im regulären Praktikum wie Jacqueline Walker (siehe Porträt), sondern meldeten sich spontan, um die Corona-Krise bewältigen zu helfen. Dies im Rahmen einer kantonal koordinierten Aktion, an der auch andere Bildungszentren und der Verband Zürcher Krankenhäuser beteiligt waren. Aus den fünf Bachelorstudiengängen des Departements Gesundheit (Pflege, Physiotherapie, Ergotherapie, Hebammen sowie Gesundheitsförderung und Prävention) erklärten sich sogar 400 Studierende bereit zu helfen, sagt Ilona Vogel, die Praxisverantwortliche im Bachelor Pflege. Spitäler und Spitex bestimmten jedoch den Bedarf. Die Studierenden wurden nicht direkt bei den Erkrankten eingesetzt, sondern für Aufgaben im Hintergrund. Vogel zog Anfang Mai eine positive Zwischenbilanz. Wichtiges Ziel sei gewesen, neben dem Praxiseinsatz das Studium – wegen des Shutdowns im Fernunterricht – weiterzuführen.

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