«In den Strassen waren Soldaten postiert»

01.12.2020
4/2020

Wädenswil–Beirut: Der 24-jährige Julian Kronbach hat im Libanon vieles über mediterrane Landwirtschaft erfahren – und auf den Strassen die Revolution erlebt.

Als ich im Januar nach Beirut kam, war die Revolution, die «Thawra», auf einem weiteren Höhepunkt. Fast täglich fanden Demonstrationen statt, die Protestierenden warfen Steine und Feuerwerk, die Polizei antwortete mit Tränengas und Wasserwerfern. In den Strassen waren vielerorts Soldaten und Panzer postiert. Vor meiner Reise hatte ich Befürchtungen bezüglich der Sicherheit gehabt. Doch wirklich bedrohliche Situationen habe ich selbst nie erlebt. Eine gewisse Grundanspannung begleitete mich aber immer.

Ich studiere Umweltingenieurwesen und hatte mich entschieden, mein Auslandsemester im Libanon zu absolvieren. Die ZHAW pflegt hier eine Partnerschaft mit der American University of Beirut, einer grossen Universität mit über 8000 Studierenden. Ich schrieb mich in der Fakultät Agricultural and Food Sciences ein. Die Landwirtschaft wird in der Ausbildung vor allem unter wirtschaftlichen und agronomischen Aspekten betrachtet; mit einer starken Ausrichtung auf den Mittelmeerraum. Die biologische, nachhaltige Landwirtschaft ist natürlich auch ein Thema, steht aber nicht so im Zentrum wie an der ZHAW. Dass jemand extra in den Libanon reist, um Landwirtschaft zu studieren, hat meine Mitstudierenden aber doch verblüfft.

Wenn jemand resilient ist, dann sind es die Bewohnerinnen und Bewohner von Beirut. Sie müssen meist schon seit ihrer Kindheit mit Problemen fertig werden, die wir hier in der Schweiz fernab von Kriegen, Katastrophen und Unsicherheiten nicht einmal nachvollziehen können. Man lernt schon früh, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

Vermeiden sollte man als Ausländer jedoch, sich allzu sehr auf politische und religiöse Themen einzulassen. Ich möchte auch nicht werten, das steht mir als Aussenstehender nicht zu. Es ging mir darum, gemeinsam mit Einheimischen etwas zu erleben. Nur mit meinem Mitbewohner, einem libanesischen Architekten und Umweltaktivisten, habe ich viel über Politik gesprochen. Er hat mir vieles näher gebracht.

Geplant hatte ich, bis Mai in Beirut zu bleiben. Doch Mitte März kam der Lockdown, und ich erwischte einen der letzten Flüge in die Schweiz, bevor der Flughafen von Beirut gesperrt wurde. Ich wäre sehr gerne länger geblieben, um mehr von der arabischen Kultur kennenzulernen.

Julian Kronbach vor den antiken Bauwerken der Stadt Byblos.

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