Lernen als Lebenselixier

22.09.2020
3/2020

Sie arbeitete als Ärztin in Kliniken, heute forscht und lehrt sie an der ZHAW zu roboterassistierter Therapie: Immer wieder Neues zu lernen, ist für Verena Klamroth-Marganska ein Lebenselixier.

Lebenslanges Lernen? Für Verena Klamroth keine leere Worthülse. Von ihren beruflichen Wandlungen erzählt sie lebhaft und anschaulich, man hört ihr gerne zu. «Mein Antrieb ist Neugier», sagt die 49-jährige Wissenschaftlerin und Dozentin. Schon als Kind habe sie bestimmten Dingen auf den Grund gehen wollen. Aufgewachsen auf einem Bauernhof in Bayern, folgte sie dem Vater auf Schritt und Tritt und liess sich alles erklären, vom Ackerbau bis zum Hühnerhof. «Wenn mich etwas interessiert, bin ich davon besessen», stellt sie fest.

«Mit der Digitalisierung ist es leichter geworden, sich Wissen anzueignen: Noch nie standen uns so fantastische Tools zur Verfügung.»

Den persönlichen Interessen zu folgen, mitunter spontan, zieht sich wie ein roter Faden durch Verena Klamroths Laufbahn. Fürs Medizinstudium entschied sie sich, nachdem sie einen freiwilligen Sozialeinsatz bei Kindern mit schwerer Behinderung absolviert hatte. Das habe sie sehr geprägt, sagt sie. Nach dem Staatsexamen in Berlin zog die junge Frau für anderthalb Jahre in die USA, wo sie in Honolulu im Bundesstaat Hawaii einen zweiten medizinischen Abschluss erwarb. Zugleich war sie dort in einem Militärspital tätig. «Das war echt streng», erzählt sie, «morgens um halb fünf stand ich auf und ging zur Arbeit.»

Von der Genetik zur Robotik

In den USA entdeckte sie die aufkommende Genetik als Fachgebiet: «Das faszinierte mich wahnsinnig.» Zurück in Deutschland, erzählte ihr eine Freundin noch auf dem Flughafen von einer Stelle als medizinische Genetikerin, die im deutschen Ärzteblatt ausgeschrieben sei. Verena Klamroth bewarb sich ohne zu zögern und bekam den Job in Münster, wo sie auch ihre Dissertation verfasste. Als Ärztin erstellte sie in der Klinik Risikoanalysen und beriet Eltern von Kindern mit genetischen Erkrankungen, zum Beispiel zystischer Fibrose. Das sei fachlich spannend, menschlich anspruchsvoll gewesen.

Vom Spitalbett zur Wissenschaft

Nach einem Abstecher in die klinische Neurologie setzte sich ihr Forschergeist durch. Klamroth verabschiedete sich vom Spitalbett und wurde Wissenschaftlerin in der Schweiz. Sie wandte sich dem Thema zu, das sie bis heute beschäftigt: Robotik im Gesundheitswesen. Bei den intelligenten Maschinen landete sie zufällig, weil ein anderes Forschungsprojekt nicht zustande kam. Dennoch hätte der Schritt kaum passender sein können, sagt sie rückblickend: «Nun konnte ich meine Affinität zu Technik ausleben.» Seither untersucht sie, wie Roboter zum Wohl von Patientinnen und Patienten eingesetzt werden können.

Medizinerin unter Ingenieuren

Elf Jahre lang forschte Verena Klamroth im Labor für Sensomotorische Systeme der ETH, als erste Medizinerin unter lauter Ingenieuren. Dabei erfuhr sie das Lernpotenzial im interdiszplinären Team. Allein schon durch die enge Zusammenarbeit eignete sie sich technologisches Fachwissen an: «Irgendwann wusste ich, was ein Regler ist.» Und die Kollegen lernten durch sie, Technologie stets vom erkrankten Menschen her zu denken. Ein erfolgreiches Produkt dieser Zusammenarbeit ist die Weiterentwicklung des Trainingsroboters ARMin, den Reha-Kliniken heute einsetzen. Menschen mit einer Hirnschädigung, etwa nach einem Schlaganfall, lernen dadurch, ihren Arm im Alltag wieder zu gebrauchen.

Roboterassistierte Therapie

2018 kam Klamroth an die ZHAW, wo sie die stellvertretende Leitung der Forschungsstelle Ergotherapie übernahm. Hier tüftelt sie jetzt an weiteren Innovationen und gibt angehenden Ergotherapeutinnen und -therapeuten ihr Fachwissen über roboterassistierte Therapie weiter. Von der Ergotherapie lerne aber auch sie, betont sie. Wie diese die gesellschaftliche Teilhabe ins Zentrum stelle, gefalle ihr. Ein Gebiet, in das sich die Forscherin stärker vertiefen will, ist das «User-Centred Design». Das bedeute, die Nutzer von Technologien ins Forschungsteam einzubinden. «Darauf freue ich mich», sagt sie.

Wachsen und Gedeihen

Verena Klamroth macht anderen Mut: Vor lebenslangem Lernen brauche niemand Angst zu haben. Mit der Digitalisierung sei es leichter geworden, sich Wissen anzueignen: «Noch nie standen uns so fantastische Tools zur Verfügung.» Sich profund mit einer Thematik zu befassen, mache sie persönlich immer wieder bescheiden, fügt die Forscherin an. Man erkenne, wie wenig man wisse. Vermutlich sei neben Neugier auch Gewissenhaftigkeit ein Lernantrieb gewesen, sinniert sie. Aus Sorge, jemand könnte mit ihr nicht zufrieden sein, habe sie sich stets besonders Mühe gegeben.

Diesen Frühling, als die Epidemie die Schweiz lahmlegte, fand Verena Klamroth privat noch ein neues Wissensfeld zum Reinknien – wortwörtlich. In Thalwil, wo sie mit ihrer Familie lebt, bepflanzte sie den Pfarreigarten, selbstverständlich nicht ohne gründlich zu Gemüse, Blumen und Bewässerung zu recherchieren. Über das Wachsen und Gedeihen schrieb sie kleine Texte im Pfarrblatt, mit dem die Kirchgemeinde während des Shutdowns mit den Menschen in Verbindung blieb. «Ich lebte für dieses Beet», sagt sie und lacht.

Verena Klamroths Tipps zum lebenslangen Lernen

  • Wer freiwillig Neues lernt, ist stärker motiviert
  • Sich fragen: was interessiert mich wirklich, wo hüpft mein Herz?
  • Jede Gelegenheit nutzen, um Neues zu lernen und auszuprobieren, auch im Alltag
  • Interdisziplinär arbeiten
  • Online-Tools nutzen, etwa Erklärvideos auf Youtube. Und vor allem: lesen, lesen, lesen

Roboter als Therapeutinnen: Antrittsvorlesungen am Institut für Ergotherapie

Kürzlich wurden Verena Klamroth-Marganska und Christina Schulze zu Professorinnen für Ergotherapie ernannt. Das Departement Gesundheit der ZHAW lädt am 3. November zu der Liveübertragung der Antrittsvorlesungen von Prof. Dr. Verena Klamroth-Marganska und Prof. Dr. Christina Schulze ein. «Roboter als Therapeutinnen und Cybathleten als Patienten: Neue Technologien verändern die Therapie», lautet das Thema von Verena Klamroth-Marganska. Christina Schulze referiert zum Thema «Partizipation ohne Barrieren und Hindernisse: Damit Spielplätze ein Ort für alle Kinder werden».

Aufgrund der Corona-Schutzmassnahmen finden die Antrittsvorlesungen vorwiegend digital per Livestream statt. Anmeldungen sind bis zum 27. Oktober möglich.

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