Mikroskopisch kleine Defekte entdecken

03.12.2019
4/2019

Ein kleinster Defekt in einem medizinaltechnischen Ballonkatheter kann fatale Folgen haben. Auch dank findiger Ingenieure der ZHAW lernen Computer, einwandfreie Katheter von solchen mit Defekten zu unterscheiden.

«Die Maschine soll lernen, Risse und Löcher in einem Ballonkatheter zu entdecken, die so klein sind, dass sie selbst das geschulte menschliche Auge nur unter einem Mikroskop zu erkennen vermag.» So umschreibt Mohammadreza Amirian, wissenschaftlicher Assistent am Institut für angewandte Informationstechnologie (InIT) das Ziel des Projektes QualitAI. QualitAI ist eine Abkürzung und steht für «Quality control of industrial products via deep learning on images». Eine knifflige Aufgabe, wenn man bedenkt, dass sich die Grösse eines Katheters im Millimeterbereich bewegen kann und eben auch mikroskopisch kleine Defekte verheerende Folgen für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten haben können.

Dutzende Fotos von allen Seiten

Zusammen mit der BW-TEC entwickelt ein Team des Instituts ein Verfahren zur automatischen Qualitätskontrolle von Ballonkathetern. Die Katheter werden dabei durch die Produktionsmaschine automatisch Dutzende Male von allen Seiten fotografiert. Anhand dieser Bilder soll ein Algorithmus dann erkennen können, ob ein Defekt vorliegt oder nicht. Ob die Qualität eines Katheters den hohen Ansprüchen genügt, die an ein solch hochsensibles Produkt gestellt werden, oder eben nicht.

Zuverlässiger und ermüdungsfrei

Die Vorteile einer automatisierten Qualitätskontrolle liegen auf der Hand, sagt Frank-Peter Schilling, wissenschaftlicher Mitarbeiter am InIT. Ein Computer kann ungleich mehr Katheter in der gleichen Zeitspanne kontrollieren als ein Mensch. Er arbeite zudem zuverlässiger und ermüdungsfrei. Aber auch die Herausforderungen des maschinellen Lernens sind nicht zu unterschätzen. So sei es beispielsweise zu Beginn schwierig gewesen, qualitativ hochstehende Bilder der Katheter zu machen.

Die Katheter sind transparent, und eine Reflexion kann dazu führen, dass ein Defekt nicht mehr automatisch erkannt wird. Die Experten, welche die Defekte auf den Bildern markierten, machten dies intuitiv nur auf einem Bild pro Serie. Damit der Algorithmus aber lernen und sich verbessern kann, ist es zwingend, dass der gleiche Defekt auf allen Bildern markiert wird. Erschwerend kam hinzu, dass auch die Beispiele der menschlichen Qualitätskontrolleure nicht fehlerfrei waren und das Verfahren robust gegen solche Störungen im Training werden musste. Schliesslich sei es schwierig gewesen, den richtigen Bildausschnitt zu wählen. Sei der Bildausschnitt zu gross, erkenne die Maschine den Defekt nicht, sei er zu klein, fehlten ihr vielleicht wichtige Informationen, um die Situation richtig einzuschätzen.

Rund 20’000 Bilder gefüttert

Damit der Algorithmus lernt, einwandfreie Ballonkatheter von solchen mit Defekten zu unterscheiden, sind grosse Datenmengen erforderlich. Rund 20‘000 Bilder haben die Forschenden dem Computer bislang gefüttert. Und noch liegt die Trefferquote nicht ganz so hoch, wie sie sein sollte. Ziel sei es, dass 99,9 Prozent der als gut beurteilten Katheter auch tatsächlich gut seien und gleichzeitig nicht mehr als 25 Prozent unnötiger Ausschuss produziert werde, sagt Amirian. Werde dieses Ziel erreicht, könnte die Maschine künftig eine wichtige Rolle bei der Qualitätskontrolle von Ballonkathetern einnehmen und die Menschen bei der Handarbeit entlasten, ohne dabei die Sicherheit zu gefährden.

«Vom Menschen zu überprüfen»

In der Endphase des Projektes geht es nun darum, den Algorithmus nochmals zu verbessern. Bislang unterscheidet er nach den Kategorien «gut» und «schlecht». Mit einer dritten Kategorie «vom Menschen zu überprüfen» könne die Treffsicherheit der automatischen Qualitätskontrolle nochmals entscheidend verbessert werden, ist Schilling überzeugt.

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