Mit Pflanzen Räume schaffen

19.06.2019
2/2019

Ein Team von ZHAW-Forschenden hat an einem Sozialen Quartierentwicklungskonzept der Stadt Kloten mitgearbeitet. Mittels Aussenraumgestaltung soll die Wohnqualität in Quartieren verbessert werden.

Wie versetzte Riegel stehen die Wohnblöcke in den kurz getrimmten Rasenflächen. Nur einzelne Bäume und Baumgruppen lockern das Bild auf. Die parkartigen Grünflächen wirken anonym zwischen den Zufahrtsstrassen und Parkplätzen. Das Klotener Quartier Hohrainli ist ein typischer Vertreter der «aufgelockerten, durchgrünten» Stadt aus den 1950er und 1960er Jahren. Diesen Grünräumen fehlt es an Intimität und Potenzial für Gemeinschaft. Das möchten ZHAW-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler aus dem Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen des Departements Life Sciences und Facility Management ändern. Ihre These ist, dass Aussenraumstrukturen zentral sind für das soziale Gefüge eines Quartiers, für das Wohlbefinden seiner Bewohnerinnen und Bewohner – und dadurch für deren physische und psychische Gesundheit. «Wir möchten Investoren aufzeigen, dass vielgestaltige, pflanzenreiche Aussenräume auch zu ihrem Vorteil sein können: mehr Mieterzufriedenheit, weniger Mieterfluktuation und gleichzeitig ein Beitrag zur Biodiversität», erklärt die Projektleiterin Petra Hagen Hodgson.

Was macht Wohnlichkeit aus?

Keine Beziehung zwischen innen und aussen. Die anonymen Wiesen sind so einsehbar und ausgestellt, dass man sich dort nicht aufhalten mag.

Typische Wohnaussenräume mit Wohnblöcken und weitläufigen Rasenflächen, aber kaum Strukturierung ausser schöner alter Baumbestand. Dort, wo es weniger einsehbar ist, wird der Grünraum eher genutzt.

Mieterinnen und Mieter grillen gern im Aussenraum, hier allerdings weniger: es gibt keine Bank, keinen Tisch und der Ort ist kein angenehmer Gartenraum.

Dort, wo es weniger einsehbar ist, wird der Grünraum eher genutzt.

Sehr wohnlich ist es hier nicht. Es setzt sich selten jemand auf die Bank.

Wenig strukturierter Aussenraum, in dem Intimität nicht aufkommen mag.

Veraltete Bausubstanz, ein hoher Anteil an Kleinwohnungen und anonyme Grünräume führen dazu, dass sich das Quartier Hohrainli mit einer zunehmenden Mieterfluktuationen und einem schlechten Image konfrontiert sieht. Aus diesem Grund hat die Stadt Kloten zusammen mit den Immobilienbesitzern beschlossen, das Quartier gestalterisch wie auch sozial weiterzuentwickeln und ein Soziales Quartierentwicklungskonzept (SQEK) in Auftrag gegeben. Das Kapitel «Soziales» des SQEK wurde von Petra Hagen Hodgson und ihrem Team von der Forschungsgruppe Grün und Gesundheit ausgearbeitet. Darin haben die Forschenden zehn Punkte formuliert, von denen einer beispielsweise die Schaffung von mehr Wohnlichkeit im Aussenraum fordert. Hodgson möchte dies erreichen, indem sie wieder Begriffe in die Diskussion einbringt wie etwa «Sinnlichkeit». «Uns geht es darum herauszufinden, wie Sinnlichkeit in Wohnsiedlungen gestaltet werden kann und was Wohnlichkeit überhaupt ausmacht», erklärt sie.

«Uns geht es nicht ums Abhaken, ob es einen Spielplatz oder eine Grillstelle gibt, sondern darum, herauszufinden, wo die Menschen sich wohlfühlen.»

Hodgson und ihr Team interessieren sich bei ihrer Forschung vor allem für die Anliegen der Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers. Darum setzen sie auf sozialwissenschaftliche Forschungsmethoden und dabei vor allem auf qualitative Zugänge über Interviews und teilnehmende Beobachtungen. «Uns geht es nicht ums Abhaken, ob es einen Spielplatz oder eine Grillstelle gibt, sondern darum, herauszufinden, wo die Menschen sich wohlfühlen», erklärt Hagen Hodgson. Mit qualitativer Forschung sei es möglich, auf die individuellen Lebenswelten der Menschen im Hohrainli einzugehen, welche ganz unterschiedlich seien. Die einen wollen ein Buch lesen in einer angenehmen Ecke, andere möchten gärtnern und wieder andere möchten sich auf einen Schwatz zusammensetzen. «Dafür reicht es nicht, eine Rasenfläche zur Verfügung zu stellen. Dafür braucht es unterschiedliche Strukturen im Grünraum und dass die Eigentümer Aneignung zulassen.» Es gehe darum, mit Pflanzen Räume zu gestalten und damit etwas Soziales zu ermöglichen, ist Hagen Hodgson überzeugt.

Auch ein Gewinn für Immobilienanbieter

Aneignung entstehe zum Beispiel, wenn ein Familienvater im Aussenraum seinen Grill aufstelle und andere zum Mitmachen anrege. Möglicherweise würden sie sich sogar gemeinsam eine Pergola bauen. Wieder andere würden vielleicht ein Gemüsebeet anlegen. «Das ist Zulassen von Wohnlichkeit im Aussenraum und ein Gewinn für eine Immobilienunternehmung», so Hagen Hodgson. Gerade dieser Punkt sei bei der Zusammenarbeit mit der ZHAW von grosser Bedeutung, erklärt Raumplaner Andreas Stoll, der das Projekt Hohrainli bei der Stadt Kloten betreut. «Die von den ZHAW-Forschenden aufgestellten Eckpunkte im Entwicklungskonzept sollen die Räume im Quartier für die Bewohnerinnen und Bewohner nutzbarer machen.»

Interventionen im Grünraum

Es ist bereits das dritte Projekt, welches die ZHAW im Hohrainli durchführt. «Aktuell planen wir, mit kleinen Interventionen im Grünraum zusammen mit Bewohnerinnen und Bewohnern den Aussenraum etwas wohnlicher zu gestalten», erzählt Hodgson. Das Projekt mit dem Titel «Interaktionen im Grünraum» wird im Rahmen des Schwerpunkts «Gesellschaftliche Integration» der ZHAW mitfinanziert. Dort geht es um ganz praktische Aktivitäten wie etwa, gemeinsam mit den Anwohnern Bepflanzungen vorzunehmen, aber auch um erste Überlegungen, wie der geplante Transformationsprozess des Quartiers hin zu einem verdichteten Quartier möglichst sozialverträglich stattfinden kann. Die Entwicklung der Überbauung wird noch bis zu 20 Jahre in Anspruch nehmen. Für Hagen Hodgson stehen deshalb Fragen rund um den längerfristigen sozialen Transformationsprozess in einem Quartier im Zentrum. Um diesen Fragen weiter nachgehen zu können, stehen die ZHAW-Forschenden mit der Stadt Kloten weiterhin im Gespräch. Laut Stoll gibt es auch bereits Perspektiven, wie es weitergehen kann.


Klotener Hohrainli als kantonales Pilotprojekt

Die Immobilienfirma Pensimo besitzt einen Sechstel der rund 700 Wohnungen im Klotener Quartier Hohrainli. Im Jahre 2012 überlegte sich der Immobilienbesitzer, wie die Siedlung vor der baulichen wie auch sozialen Abwärtsspirale gerettet werden könnte. Daraus entstand zuerst das ZHAW-Projekt «Partizipative Vorgehensweisen für die Aufwertung und Umgestaltung von Innen- und Aussenräumen der Siedlung Hohrainli in Kloten». In diesem Projekt gingen die ZHAW-Forschenden unter anderem der Frage nach, was Grünräume für ältere Menschen beitragen können. Zwischen 2015 und 2017 erstellten zwei Planungsbüros zusammen mit Landschaftsarchitekten eine Studie zur Weiterentwicklung des Quartiers. Die Stadt Kloten und Pensimo entwickeln diese Studie unter Mitarbeit der ZHAW aktuell weiter mit einem Sozialen Quartierentwicklungskonzept (SQEK). Dieses ist zwar noch nicht verbindlich für öffentliche Planungsträger (behördenverbindlich), aber die Stadt Kloten und der Kanton Zürich möchten dem Thema auch aus raumplanerischer Sicht mehr Gewicht geben. Gerade der Kanton Zürich sei sehr interessiert an den Entwicklungen im Hohrainli und betrachte das Ganze als Pilotprojekt, erklärt der Klotener Raumplaner Andreas Stoll. Im Kanton stünden in nächster Zeit viele Entwicklungen von Quartieren aus den fünfziger bis siebziger Jahren an. Um diese Sanierungen und Verdichtungen nicht nur planerisch, sondern auch sozialverträglich zu ermöglichen, sei der Kanton auf Expertisen wie jene der ZHAW angewiesen.

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