Die Kunst des Fundraising
Non-Profit-Organisationen sind auf Spenden angewiesen. Doch der Markt ist umkämpft, und das Spendenverhalten der Menschen verändert sich. Um zu bestehen, ist die Mittelbeschaffung für diese Organisationen zur strategischen Aufgabe geworden.
Eine Elternberatungsstelle finanziert sich zu einem Drittel durch Spenden, vor allem von privaten Geldgeberinnen und Geldgebern. Sie nimmt jährlich rund 350‘000 Franken an Spenden ein, muss aber dafür 100‘000 Franken aufwenden: Spendenaufrufe macht sie in Mailings, auf Aushängen in öffentlichen Verkehrsmitteln und in Medieninseraten. Doch reicht das? Wie kann zwischen investierten Mitteln und den Spendeneinnahmen eine gute Balance hergestellt werden? Wie können Fundraising-Fähigkeiten verbessert werden, welche Kompetenzen brauchen die Fundraising-Verantwortlichen?
«Solche Grundfragen stellen sich für die meisten Non-Profit-Organisationen (NPO), wenn sie ihre Fundraising-Aktivitäten professionalisieren möchten», sagt Leticia Labaronne. Sie ist Leiterin des Zentrums für Kulturmanagement an der School of Management and Law und leitet auch den MAS Fundraising Management.
Denn Fundraising ist heute weit mehr, als per Post Spendenaufrufe zu verschicken. Es umfasst Managementtätigkeiten, da ganz verschiedene Aktivitäten zur Mittelbeschaffung nicht nur realisiert, sondern auch analysiert und kontrolliert werden müssen. Denn am wirkungsvollsten sind die Aufrufe, wenn sie sich nach unterschiedlichen Bedürfnissen der Spendergruppen ausrichten.
84 Prozent der privaten Haushalte spenden
Hintergrund ist ein immer stärker umkämpfter Spendenmarkt. Die Schweizer Bevölkerung gilt zwar als eine der spendenfreudigsten Nationen in Europa. Im Jahr 2022 wurden gemäss der Stiftung Zertifizierungsstelle für gemeinnützige Non-Profit-Organisationen (Zewo) in der Schweiz rund 2,5 Milliarden Franken gespendet: Der Krieg in der Ukraine liess das Spendenvolumen um fast eine halbe Milliarde emporschnellen gegenüber dem Vorjahr. Gemäss Spendenreport des Verbands Swissfundraising spenden 84 Prozent der privaten Haushalte und jeder zweite Haushalt mehr als 360 Franken im Jahr – dies «ohne adäquate Gegenleistung», so die Definition einer Spende.
«Die klassischen Direct Mailings sind weiterhin die Königsdisziplin des Fundraising.»
Doch um diese Spendengrosszügigkeit bemühen sich immer mehr Organisationen – national und international tätige, sowie solche, die in der Schweiz nicht operativ tätig sind. In der Schweiz sind es längst nicht mehr nur die klassischen Non-Profit-Organisationen und Hilfswerke wie Greenpeace, Amnesty International, Helvetas oder das Rote Kreuz, sondern zum Beispiel auch Institutionen aus Kirche, Politik, Kultur oder Bildung. Dem gegenüber steht ein zwar hohes, aber eher konstantes Spendenvolumen. Der Spendenmarkt ist gesättigt: Immer mehr Akteure müssen sich den gleichen Kuchen teilen.
Jüngere Generationen ansprechen
Auch das Spendenverhalten verändert sich. Die älteren Generationen sind besonders grosszügig – doch eine Institution darf nicht allein auf sie setzen: «Gerade das digitale Spenden nimmt immer mehr an Bedeutung zu, sodass digitale Fundraising-Instrumente sowie Zahlungskanäle wie zum Beispiel Twint zur Ansprache jüngerer Spendengruppen unbedingt mitgedacht werden müssen», sagt Fabienne Schmidli. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Zentrum für Kulturmanagement und Vorstandsmitglied des Verbands Swissfundraising. Auch wenn ein Aufbruch zu beobachten ist, seien die klassischen Direct Mailings weiterhin «die Königsdisziplin» des Fundraising, ergänzt Labaronne.
«Digitale Fundraising-Instrumente und Zahlungskanäle müssen zur Ansprache jüngerer Spendengruppen unbedingt mitgedacht werden.»
Mit Kreativität für Aufmerksamkeit sorgen
Kurz: «Im Wettbewerb um Spenden hat heute nur Erfolg, wer die Kunst des Fundraising beherrscht», sagt Labaronne. Doch gerade kleinere NPO wie zum Beispiel die im Einstieg beschriebene Elternberatungsstelle stossen in diesem Konkurrenzkampf an ihre Grenzen: Ihre Mittel und Kapazitäten sind zu gering, um mit professionellem Fundraising mitzuhalten. Die grossen Organisationen sind im Vorteil.
Es gilt, kreativ und manchmal auf Umwegen für Aufmerksamkeit zu sorgen. Den diesjährigen Swissfundraising Award für die kreativste Kampagne zum Beispiel hat die Non-Profit-Organisation Public Eye erhalten. Public Eye hat in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine das Spiel «Quartett der Oligarchen» entworfen und dieses allen Parlamentarierinnen und Parlamentariern verschickt. So hat sie für Aufmerksamkeit gesorgt und mit dem Spiel gleichzeitig neue Spendenkontakte generiert.
«Fundraising wird immer mehr zur Führungsaufgabe»
Frau Labaronne, Sie sprechen von der Kunst des Fundraising – was ist am Fundraising so schwierig?
Leticia Labaronne: Hintergrund ist der stark gestiegene Wettbewerb unter den Non-Profit-Organisationen um Spendeneinnahmen. Neue Kommunikationstechnologien wie Social Media, Virtual oder Augmented Reality, veränderte Bedürfnisse und Verhalten der Spendenden oder der digitale Wandel sind weitere Trends, mit denen sich Fundraising-Fachpersonen unter anderem befassen müssen. Aus den genannten Entwicklungen folgt: Das Fundraising ist heute eine komplexe Aufgabe, welche strategisch-konzeptionelle, operative, kommunikative, finanztechnische und immer mehr auch datenbasierte Aspekte umfasst. Das Fundraising hat sich zur Führungsaufgabe entwickelt.
Sie leiten das Masterprogramm Fundraising Management an der School of Management and Law. Warum braucht es einen Master?
Der Master ist auch eine Antwort auf die eben genannten Herausforderungen. Dies alles fordert die Fachleute und verlangt auch mehr Professionalisierung. Wir bieten die Ausbildung im Fundraising-Management seit 2019 übrigens als erste und bislang einzige Hochschule in der Schweiz auf Master-Niveau mit Diplom an. Der Master baut auf dem seit 2004 bestehenden Diplomlehrgang DAS Fundraising Management auf, der von der European Fundraising Association akkreditiert ist.
Mit den Bootcamps haben Sie ein neues Format für Weiterbildungen im Fundraising ins Leben gerufen.
Die Bootcamps sind Expertenkurse für Fachleute, welche on the Job Einblicke in ein bestimmtes Trendthema möchten. Unser didaktisches Konzept ist, die Fachleute über ihre ganze berufliche Entwicklung zu begleiten, nach der Idee des lebenslangen Lernens. Sie machen vielleicht zuerst einen CAS, dann ein mehrtägiges Bootcamp etwa zu Corporate Philanthropy oder Behavioral Economics. Die Bootcamps sind sehr intensiv und dynamisch und werden laufend den Entwicklungen angepasst. Viele der Referentinnen und Referenten kommen aus dem Ausland und unterrichten ausschliesslich für diese Bootcamps in der Schweiz. Auch das sind für die Teilnehmenden einmalige Gelegenheiten.
Weiterbildungen in Fundraising Management
Eine Auswahl an Weiterbildungen für Berufseinsteigende wie auch für erfahrene Fachpersonen der School of Management and Law.
MAS Fundraising Management
DAS Fundraising Management
CAS Fundraising Operations: Eine Einführung in die operativen und methodischen Grundlagen des Fundraising
CAS Fundraising Strategies: Im Zentrum stehen Grossspenden-Fundraising (Major Donor) sowie strategische Managementaspekte.
CAS Fundraising Leadership: Nebst aktuellem Fundraising-Know-how geht es um Philanthropy und Leadership Management. Teil des CAS sind sogenannte Bootcamps, die auch einzeln belegt werden können:
– WBK Fundraising Bootcamp: Behavioral Economics
Neuste Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie, der evolutionären Psychologie und der Neurowissenschaften sowie ihre Anwendung für Fundraising-Kampagnen
– WBK Fundraising Bootcamp: Corporate Philanthropy
Grundlagen der Corporate Philanthropy und Themen wie Social Investment und Venture Philanthropy
– WBK Fundraising Bootcamp: Great Fundraising
Die neuesten Erkenntnisse aus der Berufspraxis, mit akademischer Forschung kombiniert
– WBK Fundraising Bootcamp: Strategy Mapping
Anhand des Strategy-Mapping-Instruments lernen Fundraising-Profis langfristig nachhaltige Denkweisen und Instrumente kennen.
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