Motivieren wie ein Fitness-Coach

01.07.2020
2/2020

Auf die Frage, wie Corona seinen Arbeitsalltag verändert hat, lacht Dozent Jack Rohrer. «Ich muss nicht mehr fünf Stunden am Tag pendeln. Aber lustigerweise habe ich jetzt weniger Zeit als zuvor.»

«Die Umstellung war  von null auf hundert», erinnert sich Jack Rohrer, Leiter der Fachgruppe Zellphysiologie und Zell-Engineering. Der 55-Jährige kennt im Normalfall zwei Unterrichtsarten: Vorlesungen und Praktika. In Letzteren lernen seine Biotechnologie-Studenten steriles Arbeiten im Labor. «Das ist etwas vom Wichtigsten, das wir den Studenten vermitteln. Sie lernen das Kultivieren von Zellen in einer Sterilbank oder kleine Details, wie man den Druckpunkt einer Pipette erspürt. Alles Erfahrungen, die man digital leider nicht vermitteln kann.» Umso wichtiger ist es Rohrer darum, dass zumindest seine Online-Vorlesungen den regulären Unterrichtstunden so nahe wie möglich kommen. Er versucht, seine Lektionen dementsprechend interaktiv zu gestalten, und beisst sich anfänglich die Zähne aus.

Co-Moderator im Gruppenchat

Normalerweise bewegt sich Rohrer während seiner Vorlesungen durch den Raum, spricht seine Studenten direkt an. In Zoom-Meetings funktioniert Letzteres weniger gut. «Ich habe gemerkt, dass die Studenten Zeit brauchen, sich auf das neue Medium einzulassen», so Rohrer. Anfänglich reagieren sie nur zögerlich auf seine Fragen. Er schmunzelt, wenn er sich an die ersten Lektionen erinnert. «Ich musste sie anpeitschen, wie das normalerweise ein Fitnesstrainer machen würde: ‹Kommt schon, Leute, ihr wisst das.›»

Doch Rohrer involviert die Studenten auf seine Art. Einer wird beispielsweise zu seinem Co-Moderator und betreut die Chatfunktion von Zoom oder MS-Teams. Wenn jemand eine Frage eintippt, liest sie der Co-Moderator im Namen des Kommilitonen vor. Ausserdem setzt Rohrer vermehrt auf Gruppenarbeiten. Er erstellt mittels Zoom virtuelle Räume, in denen jeweils fünf Studenten einen Vortrag aus der Fachliteratur erarbeiten. «Ich will die Studenten wieder zusammenbringen. Der soziale Aspekt fehlt aktuell total. Du lernst so viel mehr, wenn du dich mit der Kollegin oder dem Kollegen austauschst.» Der Austausch mit den Mitarbeitern und Kollegen ist auch das, was Rohrer im Moment fehlt. Die Diskussion von Forschungsresultaten, ein Schwatz auf dem Weg zum Kopierer, das Plaudern an der Kaffeemaschine mit anderen Dozenten.

Intros gebastelt

Dennoch sieht Rohrer die Krise auch als Chance. Dank ihr setzt er sich vertieft mit technischen Hilfsmitteln auseinander und weiss sie jetzt besser zu nutzen. Der 55-Jährige zeichnet neu seine Vorlesungen auf und stellt sie für die Studenten online. Für seine Videos hat er sogar ein 30-sekündiges Intro gebastelt. «Das hat 90 Minuten verschlungen. Aber ich wollte halt, dass es hübsch aussieht.»

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