Wenn aus Molchen Schweine werden
Automatische Übersetzungstools werden immer besser. Auch für wissenschaftliche Arbeiten können sie eingesetzt werden – blind vertrauen sollte man ihnen aber nicht.
«Molche sind bekannt für ihre Fähigkeit, verschiedene Organe wie ihre Extremitäten, den Schwanz oder Teile des Herzens regenerieren zu können.» Diesen Satz übersetzte Google Translate praktisch einwandfrei auf Englisch – nur die Molche wurden zu Schweinen. «Ein seltsamer Übersetzungsfehler, aber ein gutes Beispiel dafür, dass die Schwächen der Künstlichen Intelligenz unvorhersehbar sind», erklärt Alice Delorme Benites. Die Sprachwissenschaftlerin hat im Rahmen einer Pilotstudie die Übersetzungssoftwares GoogleTranslate und DeepL ausgiebig getestet. Dazu hat sie Abstracts von deutschsprachigen Dissertationen mit den beiden Tools ins Englische übersetzt und die Übersetzungen untersucht.
Die Ergebnisse zeigen, dass die beiden Übersetzungssoftwares wirklich nicht von schlechten Eltern sind. «Viele Forschende und Studierende nutzen solche Dienste, geben es aber nicht gerne zu. Ich finde es legitim, sie zu verwenden. Man muss sich nur bewusst sein, dass sie noch nicht perfekt sind und dass die Daten weiterverwendet werden», so Delorme Benites.
Achtung mit vertraulichen Daten
An automatischen Übersetzungslösungen wird schon lange gearbeitet. Einen deutlichen Qualitätssprung habe es 2016 gegeben, als erstmals Neuronalmaschinen zum Einsatz kamen, erzählt Delorme Benites. Diese lernen selbstständig dazu, je mehr sie mit Daten gefüttert werden. Wie bei anderen vermeintlich kostenlosen Onlinediensten bezahlt man sie mit seinen Daten: «Alle Texte werden in der Datenbank gespeichert. Vertrauliche Daten sollte man darum nicht übersetzen lassen», rät Delorme Benites. Viele Unternehmen arbeiten mittlerweile an eigenen Übersetzungstools, um den Datenschutz zu gewährleisten.
Typische Stolpersteine
Die Linguistin möchte mit ihrer Forschung aufzeigen, wo die Stärken und Schwächen von automatischen Übersetzungssystemen liegen: «Das Grundproblem ist: Die Maschinen produzieren Texte, die so natürlich klingen, dass man Fehler schnell übersieht.» Die Grammatik sei in der Regel tadellos. Ebenso die Idiomatik und der Satzbau. Von Wort-für-Wort-Übersetzungen seien die Maschinen schon weit entfernt. Dass sie aber auch über die Satzebene hinaus richtig funktionieren, sei nicht selbstverständlich. «Bereits bei einem «Sie gehen» ist die Maschine zeitweise verwirrt, ob es eine Höflichkeitsform oder eine Mehrzahlform ist.» Bei längeren Texten sollte man darum prüfen, ob die Zusammenhänge korrekt wiedergegeben sind und einheitliche Begriffe verwendet werden.
«Manchmal wird ein Begriff fünf Mal gleich übersetzt und beim sechsten Mal plötzlich anders», erzählt Delorme Benites. Häufig sei zudem «sollen» falsch übersetzt worden. Dieses Verb wird in Abstracts oft verwendet, um ein Vorhaben der Forschenden aufzuzeigen: «Im zweiten Teil soll überprüft werden ...». Solche Sätze wurden häufig mit «should» übersetzt. Dadurch wird der Sinn verfälscht, denn es macht den Satz zu einer Anweisung. Ausserdem sei es wichtig, die Vollständigkeit zu überprüfen, denn manchmal fehle in der Übersetzung auch plötzlich Text – oder werde hinzugedichtet.
Texte anpassen
Um die bekannten Stolpersteine zu umgehen, empfiehlt die Sprachwissenschaftlerin zudem, lange Sätze in zwei kürzere aufzuteilen, keine komplizierten Nebensatzstrukturen zu verwenden und lieber bekannte Wendungen zu wählen als kreative. «Man kann den Text auch speziell für die Übersetzungsmaschine noch etwas anpassen, etwa klare Verbindungswörter wie ‘deshalb’ einfügen oder zusammengesetzte Substantive vermeiden.» Ganz ohne menschliches Zutun kommen die Übersetzungstools also noch nicht aus. Sie entwickeln sich aber laufend weiter. Bereits heute werden die Molche im erwähnten Beispielsatz korrekt übersetzt. «Es ist und bleibt zentral, die Künstliche Intelligenz reflektiert einzusetzen und ihr nicht blind zu vertrauen», sagt Delorme Benites.
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