Contact Tracing: Eine Vertrauensfrage
Seit Ende Juni ist die SwissCovid-App offiziell in Betrieb. Die Contact-Tracing-App soll helfen, Infektionsketten zu unterbrechen. Trotz strenger Kriterien beim Datenschutz, fehlt es Teilen der Bevölkerung an Vertrauen.
Es war April und die Schweizer Corona-Kurve flachte langsam ab, als die ZHAW School of Management and Law eine Studie zur geplanten SwissCovid-App lancierte. In den Wochen davor wurde in und ausserhalb der Schweiz viel über die sogenannten Tracing-Apps diskutiert. Die Meinungen gingen weit auseinander. Manche warnten vor dem Ausbau eines neuen Überwachungsstaats, andere betonten die Wichtigkeit einer konsequenten Rückverfolgung von Ansteckungsketten. «Uns hat interessiert, wie sehr die Bevölkerung der App vertraut», sagt Nico Ebert, Dozent am Institut für Wirtschaftsinformatik. Er hat die Studie gemeinsam mit seinem Kollegen Michael Widmer vom Zentrum für Sozialrecht realisiert.
«Die SwissCovid-App ist in Sachen Datenschutz gut durchdacht und bietet kaum
Angriffsflächen.»
Nico Ebert befasst sich in seiner Arbeit vertieft mit Datenschutz und hatte sich in den Wochen davor das Design der App genau angeschaut. «Die SwissCovid-App ist in Sachen Datenschutz bis ins Detail durchdacht und bietet kaum Angriffsflächen für Missbrauch. Eine hinsichtlich Datenschutz sicherere Lösung kann ich mir kaum vorstellen», sagt Ebert. Er wollte wissen, ob dieses Design das Vertrauen der Bevölkerung stärkt. Grundlage der Befragung war eine App, die keine Standort- und Bewegungsdaten erfasst und bei der alle Daten dezentral gespeichert werden. Eine App, wie sie die ETH Lausanne und die ETH Zürich in den vergangenen Wochen gemeinsam mit dem Unternehmen Ubique entwickelt haben.
Angst vor Fehlalarmen oder Hackern
An der Umfrage beteiligten sich rund 2000 Personen aus allen Landesteilen.Was Nico Ebert und Michael Widmer herausgefunden haben, scheint auf den ersten Blick widersprüchlich: 68 Prozent gaben an, die App auf jeden Fall oder wahrscheinlich zu installieren. Als Gründe nannten die Befragten vor allem das Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Allgemeinheit und den Schutz von Familie und Freunden. Zugleich befürchteten 40 Prozent der Befragten, der Staat könnte die App als Vorwand nutzen, um die Bevölkerung stärker zu überwachen. «Einige formulierten dabei auch ganz grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem Staat und den Behörden», so Ebert. 40 Prozent der befragten Personen befürchteten, dass die App nicht richtig funktioniere und beispielsweise Fehlalarme auslöse. Ein knappes Drittel sorgte sich, dass ihr Smartphone leichter gehackt werden könnte.
Nicht nur die Technik zählt
«Trotz der grundsätzlich grossen Akzeptanz gibt es in der Bevölkerung offenbar einige Bedenken. Selbst gegenüber einer App wie dieser, die keine Standort- und Bewegungsdaten erfasst», sagt Nico Ebert. Dieses Resultat habe ihn überrascht. Wenige Wochen zuvor hatte ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Oxford University in mehreren europäischen Staaten eine Studie mit fast identischer Fragestellung durchgeführt und stiess dabei etwa auf dieselben Zustimmungen. Obwohl sich das geplante Design der Apps im Ausland zu jenem Zeitpunkt noch deutlich von der Schweizer Version unterschied. «Das Vertrauen in die App hängt offenbar von verschiedenen Faktoren ab. Das technische Design ist bei der Bewertung nur ein Faktor nebst weiteren.» Er halte es deshalb für zentral, bei der Einführung der App auf die Sorgen in der Bevölkerung einzugehen. «Es braucht Transparenz über die genaue Funktionsweise und über Massnahmen zur Wahrung des Datenschutzes.»
Schweizer Lösung wird auch im Ausland angewendet
Die ETH Lausanne und Zürich haben mit ihrem Protokoll namens DP-3T eine Lösung entwickelt, die mittlerweile von anderen Ländern übernommen wird. Dabei bleiben alle Informationen, welche Personen sich wann und wo getroffen haben, dezentral auf den einzelnen Smartphones gespeichert. Nach zwei Wochen werden alle Kontakte wieder gelöscht. Die App steht in den klassischen App-Stores als Download zur Verfügung.
So funktioniert die App
Kurz erklärt, funktioniert die SwissCovid-App so: Befinden sich zwei Smartphones in weniger als zwei Meter Abstand für mehr als 15 Minuten, wird dieser Kontakt auf beiden Geräten anonym gespeichert. Voraussetzung ist, dass beide Geräte die App installiert und Bluetooth aktiviert haben. Die App soll erkennen, wenn beispielsweise eine Wand zwischen den Geräten steht, Plexiglasscheiben hingegen erkennt sie nicht. Nutzer können die App aber jederzeit deaktivieren.
Der Covid-Code
Wird nun eine Person positiv auf das Coronavirus getestet, erhält sie vom kantonsärztlichen Dienst einen sogenannten Covid-Code. Diesen kann sie in ihrer App eingeben, worauf ein zentraler Server alle Nutzer benachrichtigt. Die einzelnen Apps gleichen den Code der erkrankten Person nun selbstständig mit den aufgezeichneten Kontakten ab und lösen gegebenenfalls Alarm aus. Nutzerinnen und Nutzer, welche von der SwissCovid App über einen Kontakt mit einer infizierten Person benachrichtigt werden, können selbst entscheiden, wie sie darauf reagieren.
Was ist zu tun bei einer Warnung?
Die App zeigt die Telefonnummer einer Infoline an, bei der Betroffene anonym weitere Informationen erhalten. Die Applikation empfiehlt weiterhin, bei Auftreten von Symptomen den Coronavirus-Check im Internet zu machen oder medizinischen Rat einzuholen und sich in freiwillige Quarantäne zu begeben. Wird die Isolation vom Arzt oder durch die kantonalen Behörden angeordnet, ist auch die Lohnfortzahlung gewährleistet. Herausgeber der App ist das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Dieses bemüht sich, die Bevölkerung über die Funktionsweise der App aufzuklären. Anfang Juni lud das BAG zu einem Medien-Hintergrundgespräch ein. Wie der Kommunikationschef Gregor Lüthy sagt, plant der Bund zum Start der App eine breite Informationskampagne, die auch die Sicherheits- und Datenschutzthematiken aufgreift.
«Es wird sich zeigen, ob trotz tiefer Fallzahlen ausreichend Personen die App installieren werden.»
Die App sehen die Verantwortlichen als wichtige Ergänzung zu den kantonsärztlichen Abklärungen und Nachverfolgungen von Infektionsketten, wie sie bereits bisher stattfinden. «Dabei wird sich zeigen, ob trotz tiefer Fallzahlen ausreichend Personen die App installieren werden», sagt Marcel Salathé, Epidemiologe an der ETH Lausanne und Mitglied Science Task Force digitale Epidemiologie, im Rahmen des Hintergrundgesprächs. Ob es dem Bundesamt für Gesundheit gelingt, einen ausreichend grossen Bevölkerungsteil zu überzeugen, zeigt sich in den kommenden Wochen. Es wird zu einer Frage des Vertrauens: in die App und die Behörden.
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