Der ewige Kampf zwischen Mensch und Maschine

03.12.2019
4/2019

Künstliche Intelligenz tritt in Science-Fiction-Filmen häufig als kühl ­rechnende Bedrohung für Menschen auf. Das hat einerseits mit der 
Darstellungsform zu tun und andererseits mit einem alten Tabu.

«Ich will deine Kleider, deine Stiefel und dein Motorrad!» So be­grüsst der Terminator im zweiten Teil der Filmreihe einen Hillbilly in einer Bar. Sein Opfer hat er gezielt nach errechneten Körpermassen ausgesucht. Kühle, gefühllose Computer in der Gestalt von menschlichen Wesen, so wird Künstliche Intelligenz oder KI in Filmen oft dargestellt.

Obwohl sich später im Film herausstellt, dass der von Arnold Schwarzenegger gespiel­te Terminator eigentlich der guten Sache dient, bleibt er eine gefühllose Maschine in einem mensch­lichen Körper. Aber warum nur? Warum dieser negative Fokus? Dafür gibt es zwei Hauptgründe. Der erste hat mit der Darstellungsform von Filmen zu tun. Wie die Literatur und vor allem das Theater braucht auch der Film einen zentralen Konflikt. «Eine rein positive Zukunft lässt sich nicht spannend erzählen», erklärt der Filmwissenschaftler Simon Spiegel von der Universität Zürich. Darum werden zukünftige Welten im Science-Fiction-Film meist als kahle Landschaften mit zerstörten Städten dargestellt – sogenannte Dystopien –, in denen Maschinen die Macht ergriffen haben.

Das Tabu des Menschen als Schöpfer

Der zweite Grund für das negative Image von KI in Science-Fic­tion-Filmen ist ein kulturgeschichtlicher. Es geht dabei um ein altes Tabu. Das Tabu des Menschen als Schöpfer. «Die Erschaffung künstlicher Wesen ist kulturgeschichtlich eine sehr alte Idee», erklärt Spiegel. Vom Mittelalter mit dem aus Lehm geformten Golem über den künstlichen Menschen Homunculus, der auch in Goethes «Faust II» auftaucht, bis zu Frankensteins Mons­ter. Dieses Motiv sei praktisch immer negativ besetzt, da sich der Mensch damit etwas anmasse, das nur Gott zustehe, erklärt der Filmwissenschaftler. Dieser Tabubruch schwinge bis heute in vielen Science-Fiction-Filmen mit, auch wenn der religiöse Kontext nicht mehr direkt gegeben sei.

Positive KI spielt meist eine Nebenrolle

Wenn KI in Science-Fiction-­Fil­men einmal positiv dargestellt wird, dann spielt sie meist eine Nebenrolle. Ein frühes Beispiel ist Robby the Robot im Film «Forbidden Planet» aus dem Jahre 1956. Dieser niedliche Roboter – der Nahrung herstellen kann und jede erdenkliche Sprache beherrscht – ist ein lustiges Spielzeug, das wenig Einfluss auf die Haupthandlung hat. Auch in «Star Trek The Next Generation» gibt es einen Androiden namens Data, der selten Probleme macht. Ein weiteres Beispiel sind der rollende R2-D2 und sein goldener, menschenähnlicher Roboterkollege, die das «Star Wars»-Universum von George Lucas bevölkern und zuweilen fast so etwas wie ein Komikerduo bilden.

KI in Science-Fiction: eine kurze Filmographie

Filmgeschichtlich kann KI – oder je nach Definition auch der Roboter – in Science-Fiction-Filmen grob in drei Phasen eingeteilt werden. «Diese lösen sich nicht ab, sondern kommen als neue Spielarten dazu», erklärt Spiegel. Es gibt eine erste Phase in den Fünfzigern, in denen die Roboter noch klar als Roboter erkennbar sind. «Das sind eigentliche Werkzeuge ohne eigenes Bewusstsein», so Spiegel. Dazu gehört sicher Robby the Robot, der eher wie eine wandelnde Jukebox als ein menschliches Wesen aussieht.

Laut Spiegel tauchen in einer zweiten Phase ab Mitte der sechziger Jahre Roboter auf, die in ihrem Verhalten menschenähnlicher werden. Dazu gehören Filme wie «2001: A Space Odyssey», in dem der Bordcomputer HAL 9000 aus eigenem Antrieb die Besatzung seines Raumschiffs auslöschen will. Roboter werden auch äusserlich menschenähnlicher. Im Spielfilm «Westworld», der als Vorlage für die aktuell erfolgreiche Netflix-Serie diente, macht ein fehlerhafter Revolverheld, gespielt von Yul Brynner, in einem Vergnügungspark Jagd auf Menschen. In diesen Filmen beginnen Roboter, etwas aus eigenem Antrieb zu tun, auch wenn die Motive nicht immer klar sind. «So etwas wie ein eigenes Bewusstsein ist dabei aber meist noch nicht zu erkennen», erklärt Spiegel. In diese Tradition gehört auch der Terminator. Denn dieser ist – obwohl in einer menschlichen Gestalt – im Grunde genommen ein Werkzeug ohne eigenen Willen.

Ab Blade Runner kommt das Bewusstsein ins Spiel

Den Beginn der dritten und aktuellsten Entwicklung markiert der Film «Blade Runner» mit Harrison Ford aus dem Jahr 1982, der auf dem Science-Fiction-Klassiker «Träumen Androiden von elektrischen Schafen?» von Philip K. Dick basiert. Der Film handelt von künstlichen Menschen – sogenannten Replikanten – und ihrem Freiheitskampf.

Die Frage der neueren Filme ist immer: Was macht Menschsein aus? Sind nicht Maschinen eigentlich die menschlicheren Wesen? «Ex Machina» aus dem Jahre 2014 zum Beispiel ist so etwas wie eine Versuchsanordnung, wie wir Künstliche von menschlicher Intelligenz unterscheiden können. Ein junger Programmierer soll in einer Art Turing-Test herausfinden, ob die Maschine Ava ein dem Menschen gleichwertiges Denkvermögen hat.

Ein biotechnologisch 
nachgebautes Gehirn

Besonders in dieser neueren Generation von Filmen wie «Ex Machina» geht es sehr viel mehr darum, was es heisst, ein Mensch zu sein, als darum, was KI eigentlich ist. Letztlich hat Künstliche Intelligenz, wie sie im Film dargestellt wird, oft wenig mit dem zu tun, was Forschende oder Informatiker darunter verstehen. «Computerwissenschaftler sind weit davon entfernt, so etwas wie Bewusstsein zu ermöglichen», sagt Spiegel. Im Film «Ex Machina» präsentiert der Protagonist ein biotechnologisch nachgebautes Hirn, das etwas grösser ist als eine Orange. Aktuelle Supercomputer, die weit davon entfernt sind ein Bewusstsein auch nur simulieren zu können, füllen heute noch Häuser.

Aktuelle literarische Spielvariante

Auch in der Literatur wird das Thema KI auf ganz unterschiedliche Weise inszeniert. Ian McEwans aktueller Roman «Maschinen wie ich» spielt in einer Welt, in der es weit entwickelte Roboter gibt. Diese haben den Menschen fast alles voraus: Sie sind klüger, schneller, stärker. Nur die Unfähigkeit, mit moralischen Widersprüchen umzugehen, bringt die Roboter im Roman dazu, sich reihenweise selber abzuschalten. Es ist zu viel für das künstliche Bewusstsein, dem Menschen zusehen zu müssen, wie er seine eigene Lebensgrundlage durch Ressourcenverbrauch zerstört. Es geht also auch in dieser Fiktion nicht eigentlich um Künstliche Intelligenz, sondern um die Frage, was Menschsein denn ausmacht.

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