Die Stadt der Zukunft ist intelligent
Urbanisierung, Klimawandel, Energieknappheit oder Standortwettbewerb: Städte und Gemeinden sind mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Mit Strategien für eine Smart City versuchen sie die Komplexität zu meistern.
Über die Stadt verteilte Sensoren messen gesundheitsschädliche Einflüsse wie Lärm, Feinstaub oder Ozon, aber auch die Bodentemperatur, um bei Glatteis den Winterdienst rechtzeitig aufbieten zu können. Beim Bahnhof werden Elektrovelos geladen, und im Zentrum befindet sich eine Ladestation für Elektroautos. Auf Parkplätzen erkennt eine Kamera freie Felder. Solche Daten fliessen dann in eine zentrale Smart-City-Plattform und werden dort auf einer digitalen Stadtkarte dargestellt.
Die Stadt Dietikon im Zürcher Limmattal, welche sich bereits mit dem Label «Energiestadt Gold» schmücken kann, will nun auch smart werden: Sie hat ihre Einzelinitiativen und -projekte zu einem Konzept für eine Smart City zusammengefügt. Mit ihrem Ansatz, «die Smart City im öffentlichen Raum erlebbar zu machen», hat sie beim alle zwei Jahre stattfindenden Smart City Innovation Challenge des Bundesamtes für Energie einen Förderpreis gewonnen.
Intelligente Vernetzung
Dietikon im Kanton Zürich macht es, Wil (St. Gallen) ebenso wie die Gemeinde Ittingen im Kanton Bern und auch die grossen Städte Zürich, Basel oder Winterthur: Sie und noch einige weitere Städte und Gemeinden mehr in der Schweiz bezeichnen sich als «Smart Cities» und sind deswegen Mitglieder im Verband Smart City Hub Switzerland.
«Städte werden dann als smart bezeichnet, wenn sie auf die Vernetzung von verschiedenen Themenfeldern setzen und unterschiedliche Akteure zusammenbringen.»
«Städte werden dann als smart bezeichnet, wenn sie auf die Vernetzung von verschiedenen Themenfeldern setzen und unterschiedliche Akteurinnen und Akteure zusammenbringen», sagt Vicente Carabias. Er ist Schwerpunktleiter Nachhaltige Energiesysteme und Smart Cities am Institut für Nachhaltige Entwicklung der School of Engineering sowie Koordinator der ZHAW-Plattform Smart Cities & Regions.
Stark gestiegenes Interesse
Denn Städte, Gemeinden und Regionen sehen sich mit grossen Herausforderungen konfrontiert. Die Urbanisierung mit steigendem Ressourcenverbrauch, die Energiewende, eine veränderte Mobilität, Klimawandel und Klimaschutz sind nur einige grosse Themen. Jüngst sind steigende Energiepreise und drohende Energieknappheit dazugekommen. Konzepte einer Smart City haben vor diesem Hintergrund neuen Schub und ein stark gestiegenes Interesse erlangt.
Dietikon steht beispielsweise vor einem grossen Wachstumsschub. In den nächsten Jahren soll zusätzlicher Raum für 3000 Menschen und 4000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Mit der Eröffnung der Limmattalbahn diesen Dezember wird die Stadt noch direkter mit dem Zentrum Zürichs verbunden. Trotz zunehmendem Verkehr und Siedlungsdichte soll die Lebensqualität erhalten und verbessert und der Ressourcenverbrauch gesenkt werden.
Eine smarte Vernetzung zur Bewältigung dieser Herausforderungen kann eine automatische Überwachung und Steuerung von Infrastrukturen, Grünflächen und Parkplätzen sein oder die Digitalisierung der Stadtverwaltung mit einer Stadt-App mit Online-Schalter. Aber auch eine intelligente Beleuchtung, der Einsatz von smarten Energiezählern wie auch Umweltsensoren zur Datenerfassung oder ein Public WLAN können Städte intelligenter machen.
Kommunizierende Strassenlampen
Die Stadt Dietikon zum Beispiel plant, bei ihrem Parkplatzmanagement auch private Parkhausbesitzerinnen und -besitzer zu integrieren. In Wädenswil steht seit 2017 ein sogenannter Smart City Tower, eine Art intelligente, multifunktionale Strassenlaterne. Sie kann die Lichtintensität von weiteren Strassenlaternen an das Verkehrsaufkommen anpassen: Je mehr Verkehr, desto heller scheinen sie. Der Mast liefert auch Strom für Elektroautos, freien drahtlosen Internetzugang und sammelt Daten zu Lärm und Feinstaub. Das spart Energie, hilft die Lebensqualität der Anwohnerinnen und Anwohner zu erhöhen und kann Informationen zur Ökobilanz liefern.
«Beim Smart-City-Konzept geht es in erster Linie um Partizipation, Lebensqualität, Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz.»
Die digitale Transformation und technologische Innovationen bieten hier ganz neue Möglichkeiten. Doch obwohl der Begriff «smart» oft mit digitalen Anwendungen in Verbindung gebracht wird: Beim Smart-City-Konzept gehe es in erster Linie um Partizipation, Lebensqualität, Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz, sagt Carabias: «Eine Smart City ist ein Konzept für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Nicht die Digitalisierung steht im Vordergrund, sondern die Erhöhung der Lebensqualität.»
Die Gemeinden und Regionen in der Schweiz stehen zwar laut Carabias im Vergleich zu europäischen Smart-City-Vorreitern wie Wien, Amsterdam oder Barcelona noch eher am Anfang der Entwicklung. Doch der Trend ist klar für ihn: In Zukunft würden sich Städte immer mehr zu Stadtsystemen transformieren. In diesen datengetriebenen Stadtsystemen werden Technologien, Infrastrukturen, Organisationsstrukturen, Regulierungen und das Verhalten der Menschen systematisch zusammenspielen.
Managementwissen und technologisches Know-how
Das Management dieses Transformationsprozesses ist jedoch hochanspruchsvoll. Es habe sich bei der Smart-City-Thematik gezeigt, dass es für Verantwortliche zielführend sei, Managementwissen mit technologischem Know-how zu verknüpfen, sagt Carabias. Er leitet zusammen mit ZHAW-Dozent Adrian Kammer den CAS «Sustainable Smart Cities & Regions – Data, Energy and Mobility». In diesem Lehrgang werden Personen in Gemeinden und Unternehmen oder andere Interessierte befähigt, Smart-City-Initiativen selbstständig und vernetzt umzusetzen.
Deshalb konzentriert sich der CAS nebst dem Management auf die relevanten technischen Bereiche Daten, Energie und Mobilität. Diskutiert werden auch die organisatorischen Herausforderungen in einer Verwaltung, das Monitoring und der Umgang mit Daten wie auch der sehr wichtige Datenschutz. Nicht zuletzt sind aber auch Bewertung und Steuerung von Nachhaltigkeit zentral für ein Gelingen eines Smart-City-Konzeptes: Dazu gehören zum Beispiel eine CO2-Bilanzierung, Controlling, Erfolgskontrolle wie auch das Bewusstsein für Zielkonflikte und Rebound-Effekte.
Investitionen im Energiebereich lohnen sich
Carabias kennt nicht nur die Theorie, sondern auch die Praxis: Nebst seiner Funktion an der ZHAW ist er verantwortlicher Leiter Smart City & Nachhaltigkeit im Bereich Stadtentwicklung der Stadt Winterthur. Die Stadt arbeitet eng mit der ZHAW zusammen: Wissen und Kompetenzen werden gebündelt und Pilotprojekte für Winterthur getestet.
«Die Smart Cities in der Schweiz sind sehr energiegetrieben.»
Wichtig sei auch die Frage, welche Smart-City-Massnahmen sich lohnen, so Carabias. Eine Stadt-App kostet, die Förderung einer inklusiven Gesellschaft, von Kultur und Kreativität ebenso, und auch die Ausweitung der Grünflächen ist ein Kostenfaktor.
Ein deutlicher und auch messbarer Spareffekt ist hingegen mit Massnahmen im Energiebereich zu erzielen. Eine smarte Strassenbeleuchtung lohnt sich ebenso wie der Einsatz erneuerbarer Energien und die Energieoptimierung in Gebäuden. Nicht zuletzt deshalb sei das Thema Smart City hierzulande auch beim Bundesamt für Energie und bei EnergieSchweiz für Gemeinden angesiedelt: «Die Smart Cities in der Schweiz sind sehr energiegetrieben», sagt Carabias.
Nicht zu vernachlässigen ist auch die Bedeutung der Aussenwirkung von solchen Umsetzungen: Eine smarte Stadt präsentiert sich als innovativ und zukunftsorientiert. Das steigert die Attraktivität für Unternehmen, Investoren wie auch für Bewohnerinnen und Bewohner. «Das ist nicht zuletzt auch wichtig im Städtewettbewerb», so Carabias.
Weiterbildungen zum Thema Energie
School of Engineering
Die Teilnehmenden werden befähigt, die Umsetzung von Smart-City-Initiativen in den Städten und Gemeinden selbstständig und vernetzt anzugehen.
Die korrekte Einbindung von Kälteanlagen und Wärmepumpen in ein hydraulisches System ist essenziell für einen energieeffizienten Betrieb. Neben den Maschinen stehen die hydraulischen Netze, die eingesetzten Pumpen und die verwendeten Wärmeübertrager im Zentrum dieses CAS. Er besteht aus acht Weiterbildungskursen (WBK), die auch einzeln gebucht werden können, unter anderem:
– WBK Umwälz- und Förderpumpen (Grundlagen sowie Vertiefung)
– WBK Wärmeübertrager, Planung und Betrieb
– WBK CO2-Kälteanlagen
Wie wirkt sich die voranschreitende Installation von Photovoltaikanlagen aus? Wie verändert sich dadurch das elektrische Verteilnetz? Nebst diesen Fragen geht es bei der lokalen Solarstromerzeugung auch um die Erhöhung des selbst genutzten Anteils.
Life Sciences und Facility Management
Energiekonzepte, Steuerungsautomation, Versorgungssicherheit: Das Netto-Null-Ziel 2050 steht auch bei Gebäuden im Vordergrund. Im Zentrum der Weiterbildung steht die energetische Optimierung von Immobilien. Themen sind Stromsparen, Energiecontrolling und erneuerbare Energien.
Mit Energieliefer- und auch Energiespar-Contractings können erneuerbare Energien gefördert und der CO2-Ausstoss reduziert werden. Der CAS Contracting vermittelt Fachpersonen eines Energiedienstleisters die entsprechende Kompetenz.
Um Immobilien kostenoptimiert und ökologisch betreiben zu können, braucht es Kenntnisse in Gebäudeautomation, technischem Gebäudemanagement, Facility Management und Bauökologie.
School of Management and Law
Was bedeutet Netto-Null 2050 für Unternehmen, Gemeinden, Kantone und andere Organisationen? Mit welchen physischen und regulatorischen Änderungen werden sie umgehen müssen? Welche Chancen und welche Herausforderungen entstehen daraus? Wie gelingt die Transformation? Im CAS werden Strategien zur Erreichung des Netto-Null-Ziels erarbeitet.
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