Die vier «K» der Arbeitswelt von morgen

03.12.2019
4/2019

Die Halbwertszeit von Fachwissen wird immer kürzer in der digitalisierten Welt. Um bei dieser Dynamik mithalten zu können, braucht es soziale Kompetenzen. Weiterbildungen müssen sich hier in Inhalt wie Format anpassen.

Kreativität, kritisches Denken, Kollaboration und Kommunikation: Wer in Zukunft in der Arbeitswelt bestehen möchte, schreibt sich diese vier «K» in seinen Lebenslauf. Der werktätige Mensch von morgen muss der Künstlichen Intelligenz mit emotionaler, sozialer und kognitiver Intelligenz begegnen.

«Die Beherrschung der neuen Technologien ist nur ein Teil der Qualifikationsgleichung», postuliert auch der Report «The Future of Jobs» des World Economic Forum (WEF) von 2018. Auf der anderen Seite der Gleichung sehen die Autoren menschliche Fähigkeiten wie kritisches und analytisches Denken, Aufmerksamkeit für Details, Widerstandsfähigkeit, Flexibilität oder Dienstleistungsorientierung. Darüber waren sich auch die rund 70 Bildungsverantwortlichen einig, welche sich im September an einem Anlass des IAP Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW zum Thema «Die Zukunft der Weiterbildung» trafen.

Die klassische Vorlesung – ein Auslaufmodell

Weiterbildungsverantwortliche an Hochschulen wie in Unternehmen sind gefordert: Denn die zukünftig gefragten Kompetenzen angesichts der digitalen Transformation und der damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen erfordern auch eine Veränderung in Form und Inhalt von Weiterbildungen. Der Wandel findet bereits statt und wird sich weiter akzentuieren: «Die klassische Vorlesung ist ja schon seit Jahrzehnten überflüssig – etwas überspitzt formuliert», sagt Christoph ­Negri, Leiter des IAP. Die Rolle der Hochschule als Anbieter von Weiterbildung werde wichtig bleiben, sich aber den neuen Ansprüchen der Arbeitswelt anpassen müssen. Schwerpunkte dieser Entwicklung der Weiterbildung orteten die Praxisvertreterinnen und -vertreter am IAP-Event zum Beispiel bei Lernformen und -gefässen, der Vernetzung und der Flexibilisierung der Weiterbildung oder auch bei der Verbindung von informellem und formellem Lernen. Strukturwandel und Digitalisierung führen zu mehr Zusammenarbeit zwischen Projektteams aus vielen Unternehmensbereichen – etwa in der Finanzbranche. Das bedingt die Fähigkeit, die Sichtweisen verschiedener Disziplinen und Kulturen nachvollziehen zu können.

Training für Zusammenarbeit: interdisziplinäre Lehrgänge

Interdisziplinär konzipierte Weiterbildungsformate können dies trainieren: So werden Finanzierungsfragen im Master of Advanced Studies (MAS) Corporate Finance & Corporate Banking der School of Management and Law (SML) sowohl aus der Sicht der Bank wie des Unternehmens betrachtet. Ein anderer MAS der SML, der MAS Financial Business Innovation Engineering for Financial Services, ist so konzipiert, dass die darin enthaltenen Certificates of Advanced Studies (CAS) in Zusammenarbeit mit den ZHAW-Departementen School of Engineering und Angewandte Psychologie angeboten werden. So wird neben den fachlichen und methodischen Fähigkeiten der Austausch mit Teilnehmenden diverser Branchen forciert: «Ein Banker kann so beispielsweise einen Einblick in die Welt der Pharma­branche erhalten und daraus Erkenntnisse für seinen Bereich ableiten», so Johannes Höllerich, ­Leiter Development & Services in der Abteilung Banking, Finance, Insurance an der SML (vgl. SML-Magazin «Competence» 2019). Denn als offensichtlich erachtet Höllerich: «Das blosse Aneignen von Fachwissen reicht nicht mehr aus, zumal dessen Halbwertszeit immer kürzer wird.»

Für jedes Bedürfnis eine 
Weiterbildung

Die Dynamik der neuen Arbeitswelt ist auch durch das Schlagwort Flexibilisierung geprägt, zudem zeigt der gesellschaftliche Trend weiterhin in Richtung Individualisierung. Die Weiterbildung wird auch diese Entwicklungen spiegeln. Etwa indem die Lerninhalte noch genauer an die Bedürfnisse des einzelnen Teilnehmenden angepasst werden. Am Departement Life Sciences und Facility Management beispielsweise können die Teilnehmenden des CAS in Digital Life Sciences aus einer ganzen Palette an Modulen auswählen. Inhaltlich wird ein neuer Zugang zu Data Science angestrebt: Die neuen Berufsfelder im Bereich Informatik gingen weit über die formale Darstellung, Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung von Informationen hinaus, heisst es in der Beschreibung des CAS. Gerade im Life-Science-Bereich seien oft Hintergrundwissen über den Datenkontext und methodisches Metawissen von zentraler Bedeutung, da die Interpretation der Daten für den Wissenserwerb von besonderer Bedeutung sei. 

Moderation des Lernens

Statt der reinen Wissensvermittlung wird die Auseinandersetzung mit dem Wissen ins Zentrum rücken. Für die Dozierenden wird es darum gehen, das Lernen zu moderieren, die Teilnehmenden anzuleiten und eine professionelle Einschätzung zum Gelernten abzugeben. Ein Austausch auf Augenhöhe – dass dabei die Lernsituationen so gestaltet werden, dass die geforderten überfachlichen Kompetenzen zum Tragen kommen, erachtet Institutsleiter Negri als zentrale Aufgabe. Konsens herrschte am IAP-Anlass darüber, dass analoges und digitales Lernen kein Gegeneinander sind: «Sie müssen ineinanderspielen», so Negri. Vernetzungen werden aber auch auf anderen Ebenen stattfinden. Die Hochschule und die Unternehmen – die Kunden – müssten enger zusammenarbeiten und Wechselwirkungen stärken. Heute bieten Hochschulen bereits Weiterbildungen in den Unternehmen ­direkt an – dies müsse noch mehr gefördert werden.

Im täglichen Leben lernen

Und letztlich lernt man ja nicht nur in einem formalen Rahmen. «Wir lernen im täglichen Leben, dann, wenn in der Anwendung etwas ausprobiert werden kann – try and error», sagte denn auch Regula Züst, Projektleiterin Berufsbildung von Swissmem, dem Verband der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, in einem ­Video zum IAP-Event. Gelernt wird beispielsweise im beruflichen Alltag bei jedem Projekt, das man durchführt. Hier seien aber auch die Arbeitgeber gefordert, so 
Negri. Bei der Arbeit – aber auch an einer Hochschulweiterbildung – erworbenes Wissen eines Mitarbeitenden sollte systematischer für das Unternehmen genützt und anderen Mitarbeitenden zugänglich gemacht werden.

Ein Pass für alles Gelernte

Bereits bestehen Ideen, Gelerntes in Zukunft nicht mehr nur in formellen Weiterbildungs­abschlüssen zu spiegeln: Alle Kompetenzen, die man im Laufe seines Lebens im Beruf und im Privaten erworben hat, könnten in einer Art «Pass des lebenslangen Lernens» abgebildet werden, in einem Raster, wo diese Fähigkeiten neben Abschlüssen und Berufserfahrung berücksichtigt werden. «Wir müssen das informelle Lernen ernster nehmen», so Negri. In einen solchen Kompetenzraster könnten dann auch die Erfahrungen durch die Kinder­erziehung zum Tragen kommen – aber auch die Leidenschaft für private Hobbys wie Gamen oder Rosenzüchten.

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