Ein Ingenieur als «Sprachrohr»
Nach seinem Studium hat sich Stefan Koch für eine Karriere in England entschieden. Sein Enthusiasmus für seine Arbeit ist grenzenlos.
Stefan Koch ist Kommunikationsprofi, aber das nur in zweiter Instanz. Eigentlich ist er seit 2016 Aerodynamics Research Manager in der Forschungs- und Entwicklungszentrale von Dyson im englischen Malmesbury. Das Unternehmen ist vor allem für seine Staubsauger bekannt. Dass der ZHAW-Absolvent Markteinführungen und PR-Veranstaltungen leitet und oft in deutschsprachigen Medien zitiert wird, hat verschiedene Gründe. «Bei Dyson stehen wir Ingenieure im Vordergrund und treten als Sprachrohr für das Unternehmen auf», erklärt er. Und da der 31-Jährige einer der wenigen deutschsprachigen Ingenieure am englischen Hauptsitz ist, wurde er schon früh angefragt, das Unternehmen im deutschsprachigen Europa zu vertreten. «Ich habe sofort zugesagt, da es zum einen spannend ist, das andere Ende des Produktentwicklungsprozesses zu sehen, nämlich das Marketing und die Verkaufsseite», sagt er. «Und zum anderen ist es jedes Mal eine tolle neue Herausforderung neben meiner Haupttätigkeit als Ingenieur.»
Die Mischung macht’s
In seiner Position ist Stefan Koch für den Forschungsbereich Aerodynamik, Separationstechnik und Simulationen für Bodenpflegeprodukte – also Staubsauger – verantwortlich. Er leitet ein Team aus Berechnungsingenieuren, Aerodynamikern und Entwicklungsingenieuren. So ist er in der Technologie- und Produktentwicklung involviert, von Machbarkeitsstudien bis hin zur Optimierung von neuen Geräten. Der Ingenieur ist ausserdem als Forschungsbereichsleiter für die Planung und Ausführung der Forschungsstrategie und des Projektportfolios seines Fachbereichs verantwortlich. Für seinen Arbeitsalltag bedeutet das eine Mischung von Management und technischen Aufgaben. Mit seinem Team bespricht er den Fortschritt verschiedener Projekte oder neuste Simulations- und Testresultate. Gleichzeitig arbeitet er aber auch selber an Konzeptauslegungen, Konstruktionen, Berechnungen und Simulationen.
Führen und forschen
Das Beste an seinem Job sei die Vielseitigkeit und Abwechslung, sagt der Thurgauer. «Ich habe die tolle Aufgabe, ein Forschungsteam von talentierten und hoch motivierten Ingenieuren in einem spannenden globalen Technologieunternehmen zu leiten, und kann bahnbrechende Technologien entwickeln», sagt er. «Was will man mehr als Ingenieur?»
«Bereits bevor ein neues Produkt unsere Entwicklungsabteilung verlässt, denken wir an das nächste, noch bessere Modell.»
Sich auf dem Erreichten auszuruhen, das kommt für Stefan Koch nicht in Frage. «Als Ingenieur ist man wahrscheinlich nie zu hundert Prozent zufrieden mit einem Produkt und will es noch besser machen», sagt er. «Bereits bevor ein neues Produkt unsere Entwicklungsabteilung verlässt, denken wir an das nächste, noch bessere Modell.» Ihm ist es wichtig, technologisch nicht stehen zu bleiben und sich ständig neu zu erfinden, um so für Kunden die besten Produkte zu entwickeln.
Tempo, Leidenschaft, Dynamik
Am Anfang seiner Karriere war Stefan Koch von der Geschwindigkeit der Forschung des Industriekonzerns beeindruckt. «Mit wie viel Tempo, Leidenschaft und Dynamik Dyson neue Produkte und Technologien entwickelt, hat mich am Anfang schon etwas eingeschüchtert und in den ersten Tagen auch überfordert», erinnert er sich. Mittlerweile würde er ein gemächlicheres Tempo als langweilig empfinden.
Teilzeitstudium gab den Ausschlag
Sein Handwerkszeug legte sich Stefan Koch früh zu. Nach seiner Lehre als Konstrukteur arbeitete er einige Jahre in einem KMU in seinem Heimatort Romanshorn. «Schon beim Lehrabschluss wusste ich, dass ich später Maschinenbau studieren will, um mein Wissen in den verschiedenen Disziplinen der Ingenieurswissenschaften zu vertiefen», erinnert er sich. Also besuchte er Informationsveranstaltungen verschiedener Fachhochschulen, um sich ein Bild zu machen. Ausschlaggebend für seinen Entscheid zugunsten der ZHAW School of Engineering war neben dem umfangreichen Studienplan das Teilzeitangebot, da er weiterhin Berufserfahrung sammeln wollte. Im Bachelorstudium entdeckte er seine Faszination für Strömungstechnik und legte seinen Fokus auf die entsprechende Vertiefungsrichtung und passende Wahlmodule. Mit dem Bachelorabschluss in Maschinentechnik hatte Stefan Koch dann noch lange nicht genug. Schon an der Abschlussfeier im Sommer 2014 dachte er daran, ein Masterstudium anzuhängen.
«In meiner jetzigen Position kann ich meine Ideen und Produkte innerhalb von ein bis zwei Jahren überall auf der Welt im Einsatz sehen, was richtig toll ist.»
Die Frage war nur: Wo? Wie schon vor dem Maschinenbaustudium verschaffte sich der Thurgauer eine Übersicht über die Studienangebote in der Schweiz und auch im Ausland. Bei seiner Recherche stiess er auf die Universität Southampton, die einen Master of Science in Aerodynamics and Computation anbietet. «Mir war schnell klar: Das ist ein Studium massgeschneidert auf meine Interessen», sagt er. Nur vier Tage nach seiner Bewerbung bekam er eine Zusage der Universität, die für diesen Studiengang nur zwölf Studierende pro Jahr akzeptiert. So zog Stefan Koch an die südenglische Küste.
Zum Master in einem Jahr
Ein Masterstudium dauert in England nur ein Jahr – ohne Unterbruch, von September bis September. Das heisst Zeitmanagement, Disziplin und Organisation gehören zu den wichtigsten Fähigkeiten, um in diesem intensiven Jahr erfolgreich zu sein. «Ich lernte schnell, meine Zeit effektiv einzuteilen und auch Prioritäten zwischen den verschiedenen Modulen und Arbeiten zu setzen», erklärt Stefan Koch. Neben den üblichen Soft Skills, wie analytischem Denken und Teamfähigkeit, helfen ihm diese heute im Berufsalltag.
Zufrieden im grünen englischen Süden
Nach dem Abschluss des Studiums bewarb sich Stefan Koch als Aerodynamik-Ingenieur bei Dyson. Die spezielle Firmenkultur packte ihn von Anfang an. Nach einem viereinhalbstündigen Bewerbungsgespräch stand für ihn fest: Dort will er arbeiten. «Die Philosophie, mit der hier Produkte entwickelt werden, begeistert mich bis heute», schwärmt er. Zwar wollte er ursprünglich in der Aviatik oder im Motorsport Fuss fassen, aber er bereut den Einstieg bei Dyson keineswegs. Denn die eigenen Produkte am Markt zu sehen, befriedigt ihn sehr: «In meiner jetzigen Position kann ich meine Ideen und Produkte innerhalb von ein bis zwei Jahren überall auf der Welt im Einsatz sehen, was richtig toll ist.»
«Die Briten sind ein sehr offenes und herzliches Volk.»
Seit 2016 lebt Stefan Koch nun in England. «Ich habe mich sofort wohlgefühlt», sagt der Schweizer. «Die Briten sind ein sehr offenes und herzliches Volk.» Da er schon während des Studiums seine englische Partnerin kennenlernte, konnte er sich schnell an die Bräuche und Gewohnheiten auf der Insel gewöhnen. Er schätzt das ruhigere und weniger hektische Leben und die grüne Umgebung des englischen Südens. Verdenken kann man es ihm nicht. Stefan Koch wohnt in einem kleinen Dorf nur wenige Gehminuten vom Strand entfernt. «Es erinnert mich an mein Zuhause in Romanshorn», sagt er.
Natürlich fehlt ihm seine Familie in der Schweiz. Aber dank moderner Kommunikationstechnologien und guter Flugverbindungen kann er in engem Kontakt mit Freunden und Familie in der Heimat bleiben. «Normalerweise fliege ich alle ein bis zwei Monate für ein Wochenende in die Schweiz», sagt er. Da aber in Zeiten von Covid-19 das Wort Normalität eine andere Bedeutung bekommen hat, sind diese kurzen Ausflüge in die Heimat derzeit nicht möglich. «Die Schweiz fühlt sich deshalb etwas weiter entfernt an als sonst», stellt Stefan Koch fest. Daher skypt oder telefoniert er umso häufiger mit seinen Angehörigen.
Regelmässig im Home-Office
Auf seinen Arbeitsalltag hat die Pandemie weniger Einfluss. Schon vorher arbeitete Stefan Koch regelmässig von zu Hause aus, weswegen die Umstellung reibungslos verlief. «Die Tätigkeiten in meinem Forschungsbereich, wie zum Beispiel Strömungssimulationen, sind hauptsächlich virtueller Natur», sagt er. «Daher kann ich meine Arbeit am Computer von überall her verrichten.» Stolz ist er auf seine Kollegen, die in kürzester Zeit Beatmungsgeräte für Covid-19-Patienten entwickelten. «Zum Glück wurden diese Geräte dann doch nicht benötigt.» Auch in schwierigen Zeiten ist Stefan Koch ein Sprachrohr für seinen Arbeitgeber.
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