Firmen auf Klimakurs trimmen

Ein VR-Spiel bringt CEOs ins Schwitzen

06.12.2022
4/2022

Wie man sich unter Druck der Öffentlichkeit für eine klimafreundliche Strategie der eigenen Firma entscheiden kann, das können Verantwortliche in einem Virtual-Reality-Spiel der ZHAW üben.

Beim Gletscher im Grimselgebiet hat sich eine wütende Menge versammelt. Weil er rasant schmilzt, ist es zu Überschwemmungen, Felsstürzen und Murgängen gekommen. Die Menschen fordern sofortige Massnahmen, um die Klimaerwärmung zu bremsen. 

Szenenwechsel: Ein Taxi fährt vor, es fährt die CEO der Firma Modernes Leben AG ins Büro. Dort angekommen, setzt sie sich vor ihre Bildschirme und muss zuerst einmal in virtuellen Meetings den Rat ihrer Mitarbeitenden einholen: Wie soll das Unternehmen sich auf den Klimawandel einstellen?

«Virtual Reality eignet sich extrem gut, um komplexe Themen zu erklären.»

Pascal Kienast, Forschungsschwerpunkt Nachhaltige Energiesysteme

Zwei Szenen aus dem Virtual-Reality-Game «Immersive Stories of Energy Futures» (ISTEF), das gemeinsam von drei Instituten der School of Engineering, der School of Management and Law und des Departements Angewandte Linguistik entwickelt wurde. Es richtet sich an Führungspersonen von Unternehmen, bei denen Energie eine wichtige Rolle spielt. «Virtual Reality eignet sich extrem gut, um komplexe Themen zu erklären», sagt Projektleiter Pascal Kienast, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der School of Engineering. Um bei den Nutzenden das vorausschauende Denken zu fördern, habe man bewusst ein Szenario gewählt, wie es sich in etwa 20 Jahren abspielen könnte, erklärt der Elektroingenieur. Doch mit dem Ukraine-Krieg und der aktuell drohenden Energieknappheit sei das Thema bereits jetzt hochaktuell geworden.

Aktualität hat Zukunftsszenario eingeholt

Die Idee für die Anwendung ist aus dem vom Bund geförderten Swiss Competence Center for Research in Energy, Society and Transition (SCCER CREST) hervorgegangen, bei dem ein Forschungskonsortium mit Beteiligung der ZHAW politische Strategien für die Energiewende skizzierte. Mit dem ISTEF-Projekt sollen diese Erkenntnisse auf die Ebene der Unternehmen heruntergebrochen werden. 

Das Spiel wird derzeit in verschiedenen Studiengängen der ZHAW eingesetzt sowie am deutschen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Zudem will es das Projektteam in grösseren Unternehmen präsentieren.

Shitstorm tobt auf Social Media

Das Spiel führt in eine durchgestylte, urbane 3-D-Welt. Dort muss sich unsere CEO der Modernes Leben AG schnell zwischen drei Zukunftsszenarien entscheiden: Kompensation von klimaschädlichen Gasen, sofortiger Ausstieg aus fossilen Energien oder kontrollierter Ausstieg mit 10-Jahres-Plan. Sie hat sich für das Szenario «kontrollierter Ausstieg mit 10-Jahres-Plan» entschieden. Sofort setzt auf Social Media ein Shitstorm ein: Hunderte Emojis ziehen vorbei, zumeist mit wütenden Gesichtern, und im Sekundentakt erscheinen Posts auf dem virtuellen Smartphone.

Danach wird die Führungsperson in einen verdunkelten Raum gebeamt, wo bereits eine Schar Medienschaffender auf die Erläuterung der konkreten Umsetzungspläne wartet. «Wir werden Photovoltaik-Panels montieren, sie sind schon bestellt», stammelt die Geschäftsführerin, während der Countdown der Redezeit unerbittlich läuft. Dieses laue Versprechen scheint die Zuhörenden nicht wirklich zufriedenzustellen. Sie muss nun begründen, wieso die Firma nicht sofort aus den fossilen Energien aussteigt. Stark gestresst erklärt sie, dass die Firma mit dem überstürzten Ausstieg wohl in Konkurs gehen würde und alle Mitarbeitenden entlassen müsste. Immerhin scheint diese Antwort die aufgebrachte Menge etwas zu besänftigen.

Doch als die CEO kurz nach der Medienkonferenz das eigene Statement im virtuellen Fernseher hört, bedauert sie, dass sich die Firma nicht besser auf die Energiewende vorbereitet hat. «Es allen recht  zu machen, wirst auch du nicht schaffen», tröstet sie eine Stimme aus dem Off.

Intensive zehn Minuten dauert das VR-Spiel. Am Ende angelangt, sind die Nutzenden häufig froh, wenn sie die VR-Brille abnehmen können, um der stressigen Situation für einmal zu entfliehen.

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