Er erfand Leuchtmittel mit «Gehirn»

06.12.2022
4/2022

Patrik Deuss hat intelligente Leuchtmittel entwickelt, die sehr effizient funktionieren. Was mit einer Bachelorarbeit im Studiengang Energie- und Umwelttechnik an der ZHAW begann, ist fünf Jahre später ein Startup mit 42 Mitarbeitenden. Das Ziel von LEDCity: beim Licht bis 2030 so viel Strom sparen, dass es ein AKW weniger braucht.

Wo liegt das grösste Potenzial, um den Klimawandel zu stoppen? Diese Frage beschäftigte Patrik Deuss, als er auf der Suche war nach einem Thema für seine Bachelorarbeit in Energie- und Umwelttechnik. Im Heizen? In der Mobilität? In der Beleuchtung? «In den ZHAW-Gebäuden fiel mir auf, dass das Licht in den Korridoren immer brannte», erzählt der Energie- und Umwelttechniker. «Der Hauswart erklärte mir, dass die Lichtsteuerung eine komplexe Angelegenheit ist.» Herkömmliche Systeme haben einen einzigen Bewegungsmelder pro Raum und können diesen nur ganz oder gar nicht beleuchten. «Das müsste doch bedarfsgerechter möglich sein», dachte Deuss – und hatte das Thema für seine Bachelorarbeit gefunden.

«Es wird genauso viel Licht produziert, wie gebraucht wird. Dadurch können bei der Beleuchtung 90 Prozent Strom gespart werden.» 

Der ZHAW-Student begann, den Prototypen eines intelligenten Leuchtmittels zu entwickeln. Seine Idee war, von einem zentralen zu einem dezentralen System zu wechseln: Jedes Leuchtmittel soll ein eigenes «Gehirn» haben. Der Sensor in der neuen LED-Röhre misst nicht nur Bewegungen, sondern auch die Temperatur, die Feuchtigkeit und den Lichteinfall durch natürliche Quellen wie Fenster. Die ganze Hardware, die sonst im Raum verteilt ist, ist in jedes einzelne Leuchtmittel integriert: Sensor, Leuchtmittel, Kabel. «Zusammen funktionieren die Leuchtmittel wie ein Schwarm», erläutert Deuss. «Es wird genauso viel Licht produziert, wie gerade gebraucht wird.» Dadurch könnten bei der Beleuchtung 90 Prozent Strom gespart werden. 

Niederlassungen in Deutschland und Spanien

Patrik Deuss merkte rasch, dass seine Idee auf Interesse stiess. Da er mit der Entwicklung der Software an seine Grenzen stiess, holte er Florian Gärtner dazu, Elektroingenieur und Freund aus der Zeit, als er wettkampfmässig Downhill-Rennen fuhr. Die beiden gründeten das Startup LEDCity und profitierten vom Programm «Startup-Challenge» der ZHAW. Ein halbes Jahr lang konnten sie gratis Büroräumlichkeiten nutzen, wurden gecoacht und bekamen Schulungen zu Themen wie Patentanmeldung, Businessplan oder Suche nach Investierenden.

Die jungen Gründer begannen, die Leuchten serienmässig herstellen zu lassen – in Asien. «Die meisten Elektronikkomponenten des LED-Marktes werden in China hergestellt», erklärt Patrik Deuss. «Ein Zug bringt unser Material schliesslich in die Schweiz.» 

«Bis 2030 wollen wir 12 Millionen Leuchtmittel umrüsten und so die Stromproduktion eines AKW einsparen.»

2017 verkauften Deuss und Gärtner das erste Leuchtmittel, seither wächst das Unternehmen. 42 Mitarbeitende beschäftigt LEDCity zurzeit, kürzlich wurden Niederlassungen in Deutschland und Spanien eröffnet. Das Startup ist auf Geschäftsgebäude spezialisiert und hat Kundinnen und Kunden wie den Flughafen Zürich, die ZHAW oder das Hotel Dolder Grand. Durch die momentan angespannte Situation auf dem Energiemarkt sei das Interesse an den smarten Leuchtmitteln nochmals stark gestiegen, erzählt Deuss. In Geschäftsgebäuden verursacht die Beleuchtung bis zu 30 Prozent der Elektrizitätskosten. 

Globale Stromeinsparung als Ziel

Patrik Deuss und Florian Gärtner haben grosse Ziele: Bis 2030 wollen sie 12 Millionen Leuchtmittel umrüsten und so die Stromproduktion eines AKW einsparen. Das klingt zunächst unrealistisch, doch Deuss rechnet vor: Allein im Jahr 2022 werde LEDCity 55’000 Leuchtmittel umrüsten. Bisher sei die Produktion des Startups durchschnittlich jährlich um über 100 Prozent gewachsen – das Ziel würde aber bereits bei einem Wachstum von 77 Prozent erreicht. 

«Es ist immer einfacher und günstiger, Strom zu sparen, als ihn nachhaltig zu produzieren.»

LEDCitys Vision geht sogar noch weiter: Bis 2040 soll mit effizienten LED-Beleuchtungssystemen der weltweite Stromverbrauch im Lichtsektor um 80 Prozent gesenkt werden. «Das schaffen wir natürlich nicht alleine», sagt Deuss. «Aber wir kurbeln den Markt an.» So sind die Entwicklerinnen und Entwickler beispielsweise daran, einen kleinen Sensor zu entwickeln, in dem die ganze Technologie der LEDCity-Röhren steckt, damit andere Unternehmen diesen Sensor in ihre eigenen Leuchten integrieren können. Patrik Deuss geht davon aus, dass sich im Energiebereich viel bewegen wird in den nächsten Jahren. «Es ist immer einfacher und günstiger, Strom zu sparen, als ihn nachhaltig zu produzieren», betont der Startup-Gründer.

Vom Spitzensportler zum CEO

Mit 30 Jahren ist Patrik Deuss CEO eines stark wachsenden KMU. Ist die grosse Verantwortung eine Last? «Ich empfinde meine Arbeit als sehr sinnvoll», antwortet er. Sie seien ein sehr gutes Team, das sich gegenseitig unterstütze. Ständig würden neue Mitarbeitende gesucht und dabei sei es ihnen wichtig, diese gut auszusuchen. Seine Erfahrungen im Spitzensport hätten ihn zudem gut auf diese Aufgabe vorbereitet. «Sowohl im Sport wie auch im Geschäft muss man Ziele in Meilensteine unterteilen. Man braucht Disziplin, Training – und Durchhaltewillen», sagt Deuss. «Ich glaube, als Spitzensportler hat man ein anderes Schmerzempfinden.» 

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