Fit für die Bank von morgen?
Corona hat der Digitalisierung einen kräftigen Schub versetzt. Damit verändern sich auch in der Bankenwelt die Anforderungen im Beruf. Doch viele Leistungsträger unterschätzen ihren Weiterbildungsbedarf, wie eine ZHAW-Studie zeigt.
Der letzte Schalterbesuch: War es dieses Jahr? Oder doch schon länger her? Bankschalter werden entbehrlich. «Die Branche steckt durch die zunehmende Digitalisierung mitten in einem umfassenden Veränderungsprozess», umschreibt Christian Bretscher, Geschäftsführer des Zürcher Bankenverbands, die Situation. Das Spektrum der Kundinnen und Kunden liegt irgendwo zwischen 15 und 85 Jahren. Es reicht von Digital Natives in der Chatberatung über interessierte Laien, die das persönliche Gespräch als Ergänzung zu den elektronischen Informationen schätzen, bis hin zu Menschen, die nach wie vor keine Online-Instrumente nutzen wollen oder können.
Corona-Pandemie als unfreiwilliger Test
Welche Kompetenzen der Beruf künftig verlangt, zeigte die ZHAW im Auftrag des Zürcher Bankenverbands vor drei Jahren mit der Studie «Bankfachspezialisten 2030» auf. Das Ziel war damit geklärt. Nun ging es darum, wie es zu erreichen ist. Die Nachfolgestudie der ZHAW untersucht aus den Perspektiven der Betriebsökonomie und der Psychologie die «Entwicklungsoptionen von Professionals im Bankenbereich». Das Projekt startete im Herbst 2019, vorgelegt wurde die interdisziplinäre Studie der Abteilung Banking, Finance, Insurance und der Fachgruppe Organisationsentwicklung und -beratung im Juni 2020. Mittendrin begann sich also die Corona-Pandemie auszubreiten – ein unfreiwilliger Test der Veränderungsfähigkeit im Finanzwesen. Bei den Notfallkrediten hätten die Banken bewiesen, dass sie superagil sein könnten, stellt Projektleiterin Anita Sigg von der ZHAW School of Management and Law fest: «Zugleich aber ist klar geworden, dass sich die Veränderungen im Beruf nun akzentuieren.»
«Der Handlungsdruck ist da, das Bewusstsein der Bankverantwortlichen ist da, aber an konkreten Handlungen passiert wenig.»
Christian Bretscher vom Zürcher Bankenverband stimmt ihr zu: «Die Corona-Pandemie beschleunigt den Wandel deutlich.» Der Wechsel vom Grossraumbüro ins Homeoffice habe bei den Banken blitzschnell und technisch reibungslos funktioniert. Wer bislang Vorbehalte gegen virtuelle Formen der Zusammenarbeit hegte, habe nun erfahren, «dass das eigene Team mit Homeoffice gut funktioniert».
Die Studie, die Mitarbeitende zwischen 40 und 50 Jahren ins Zentrum stellt, erhob in Befragungen die Berufsbiografien von 285 Personen in der Mitte ihrer Laufbahn. Es sind wichtige Leistungsträger bei den Banken, erfahren und gut ausgebildet. Sie prägten das Bankgeschäft bislang mit. Sind sie auch in den kommenden 15 bis 25 Berufsjahren dazu noch in der Lage? Wie machen sie sich fit für die Bank der Zukunft? Die Studie, die auch Linienvorgesetzte einbezog, kam zu einem ernüchternden Befund. «Der Handlungsdruck ist da, das Bewusstsein der Bankverantwortlichen ist da», so Sigg, «aber an konkreten Handlungen passiert wenig.»
Neuerungen übernehmen zunehmend Jüngere
Die ZHAW-Forscherinnen und -Forscher illustrieren die Situation anhand von typologisierten Vertretern aus dieser Gruppe. Brian etwa ist 48 und hat sich in einer Zürcher Privatbank nach Studium und Promotion in eine Position mit viel Verfügungsgewalt und beachtlichem Gehalt hochgearbeitet. Neben Job und Pflege des Netzwerks bleibt gerade noch etwas Zeit für die Familie mit zwei Teenagern. Ihm dämmert, dass sein Wissen zu digitalen Themen lückenhaft ist. Neuerungen übernehmen im Team zunehmend Jüngere, die bislang eher «Zulieferer» waren. «Irgendwann muss ich mich mit Weiterbildung beschäftigen, räumt Brian ein.
Vom Typ strategische Kämpferin ist Nicole. Nach einem Studium der Betriebswissenschaft in St. Gallen erklomm sie rasch die Karriereleiter und setzte auf gezielte Weiterbildungen wie Chartered Financial Analyst (CFA), um ihre Chancen zu erhöhen. Mit 44 ist sie zwar eine respektierte Managerin, hat aber den Eindruck, ihre Karriere sei ins Stocken geraten. Ihre Vermutung: «Frauen sieht man nicht gern in Führungspositionen.»
Horizontale Karriereschritte
In ihren Handlungsempfehlungen rät die 184-seitige Studie dazu, Anreize für eine Entwicklung auf dem aktuellen Karriereplateau zu schaffen. Auch wenn kein hierarchischer Aufstieg oder zusätzlicher Lohn winkt: Spannend können altersdurchmischte Teams oder eine Projektmitarbeit sein, in denen das Wissen aller zählt, nicht die Hierarchie. Für andere mag eine Tätigkeit als Mentor ein attraktiver horizontaler Karriereschritt sein.
Brian zum Beispiel meldet sich, als die Einführung einer neuen Software in der Kundenberatung angekündigt wird. Er bringt im Projekt seine Erfahrungen in der Kundenberatung ein und erlangt Know-how in der digitalen Welt. Das gefällt ihm so gut, dass er mit Unterstützung der Bank eine Projektmanagementausbildung absolviert und künftig vermehrt projektbezogen arbeiten wird. Und Nicole fühlt sich nicht mehr länger ausgebremst. Sie hat sich Netzwerken wie «Fondsfrauen» und «Women Business Network» angeschlossen, macht mit einer neuen Stelle einen Karriereschritt und initiiert dort Programme zur Förderung von Frauenkarrieren.
Ein Dutzend Ansatzpunkte
Die Studie identifiziert über ein Dutzend Ansatzpunkte und legt dazu Handlungsempfehlungen vor. Dabei sind die Bank und die Vorgesetzten ebenso gefordert wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ihnen empfiehlt Anita Sigg eine Auslegeordnung: «Was interessiert mich und was wird von mir verlangt? Wo liegt mein nächstes Ziel und wie komme ich dahin?» Denn: Aktiv gestaltete Lebensarchitektur macht fit für die Zukunft.
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