Für mehr Biodiversität, Kontakte und Selbstvertrauen

22.06.2021
2/2021

Wie kann eine Fassade Pflanzen und Tieren Lebensraum bieten? Wie können Sozialarbeitende nachbarschaftliche Beziehungen fördern? Wie lässt sich Sprechangst in einer virtuellen Umgebung abbauen? Diesen Fragen gehen drei Bachelorarbeiten nach.

Eine Fassade, die Flora und Fauna gefällt

Der Gedanke der Nachhaltigkeit ist in der Baubranche angekommen. Ökologische Materialien und eine gute Energieeffizienz haben an Bedeutung gewonnen. Um die durch den Klimawandel zunehmende Hitze zu reduzieren, werden Fassaden und Dächer begrünt. «Die Biodiversität wird aber noch zu oft vernachlässigt», sagt Edmée Perritaz, die den Studiengang Umweltingenieurwesen absolviert hat. So bestehe die Gefahr, dass einzelne Pflanzen- und Tierarten häufig berücksichtigt würden, andere jedoch vergessen gingen. «Vielen Verantwortlichen fehlt das Wissen, wie man biodivers bauen und beispielsweise Tierfallen vermeiden kann», ergänzt Brenda Durrer. Leider sei es noch nicht üblich, sich diesbezüglich beraten zu lassen. Die Bachelorabsolventinnen zeigen auf, wie eine Gebäudehülle aus Ziegelsteinen strukturiert und artenreich bepflanzt werden kann, ohne dabei das Design ausser Acht zu lassen. Für ein Einfamilienhaus in Gattikon (ZH) empfehlen sie ‒ nach einer eingehenden Standortanalyse ‒ Gewächse der Lebensräume «Mesophiler Krautsaum», «Trockenwarmer Mauerflur» und «Waldmeister-Buchenwald». In der Fassade sehen sie Nistplätze für den Gartenrotschwanz und die Mehlschwalbe sowie Nischen für das Grosse Mausohr vor. Mit weiteren ausgesetzten Passagen möchten sie zudem Raum für die Maskenbienen und die Zauneidechse schaffen. Im naturnahen Garten soll sich der Europäische Igel wohlfühlen. «Die Fassade ist modulartig aufgebaut», erklären sie. Die einzelnen Elemente könnten flexibel kombiniert und auch in andere Bauten integriert werden. Ist ein biodiverses Projekt umgesetzt, sollte regelmässig überprüft werden, ob die angestrebte Vielfalt tatsächlich erreicht wird.

Brenda Durrer (25) und Edmée Perritaz (25) haben ihre Bachelorarbeit am Departement Life Sciences und Facility Management zum Thema «Bauen für Biodiversität» verfasst. Sie haben für ein Einfamilienhaus in Gattikon eine Gebäudehülle entwickelt, die Tieren und Pflanzen Lebensraum bietet. Ihre Arbeit, die sie im Auftrag des Architekturbüros VABU geschrieben haben, ist mit der Note 6 bewertet worden. Beide ZHAW-Absolventinnen machen derzeit ein Praktikum: Brenda Durrer bei der Energiefachstelle der Stadt Winterthur, Edmée Perritaz bei der Vogelwarte Sempach. Sie können sich vorstellen, dereinst ihr Konzept in einer Masterarbeit zu vertiefen.

Simulationen helfen, Sprechangst abzubauen

Vor Publikum zu sprechen, macht viele Menschen nervös. Sie befürchten, sich zu blamieren und negativ bewertet zu werden. Einige haben im Vorfeld Lampenfieber und spüren dies auch körperlich: Sie schwitzen, haben Herzrasen oder leiden unter Kopfschmerzen. Während des Auftritts lassen sie sich von tuschelnden Zuhörern oder kritischen Fragen verunsichern. Sie sind permanent angespannt. «Besonders hoch ist das Stresslevel bei Interaktionen mit der Umwelt», sagt Roberto Coviello. Der Bachelorabsolvent hat Testpersonen virtuell in eine Vortragssituation eintauchen und verschiedene Aufgaben lösen lassen. Mit einem Brustband hat er dabei ihre Herzfrequenz erhoben. «Virtual-Reality-Anwendungen können dabei helfen, Sprechangst zu reduzieren», sagt er. Sie ermöglichten es, beängstigende Situationen in einem sicheren Rahmen anzugehen, mehrfach zu üben und auf dem Erreichten aufzubauen. Für den Lernerfolg entscheidend ist seinen Ausführungen nach die Bildqualität einer VR-Applikation. Das Publikum und die Räumlichkeiten sollten möglichst realistisch dargestellt sein. Die Personen sollten beispielsweise eine lebensnahe Mimik zeigen, Augenkontakt herstellen können und natürlich gestikulieren. Sie sollten individuell designt und animiert sein, damit der Eindruck einer lebenden Menschenmenge entsteht. Realitätsnähe führt nicht nur zu einer erhöhten Immersion, also dazu, dass sich die Trainierenden stark aufs virtuelle Geschehen einlassen. Sie verbessert zudem die Übertragung der erworbenen Fähigkeiten in die Praxis. «Da besteht noch grosses Potenzial», sagt Coviello.

Roberto Coviello (26) hat sich in seiner Bachelorarbeit in Wirtschaftsinformatik damit beschäftigt, was beim Sprechen vor Publikum Stress auslöst und wie Trainings in einer virtuellen Umgebung Ängsten entgegenwirken können. Er hat dazu auf Unity, einer Plattform für die Erstellung interaktiver Echtzeitinhalte, eine eigene Applikation entwickelt. Für einen Einsteiger sei es eine grosse Herausforderung, diese Entwicklungsplattform zu nutzen, sagt er. Da die School of Management and Law seit Ende 2020 Mitglied der sogenannten «Unity Academic Alliance» ist, können sich Studierende das dafür notwendige Fachwissen künftig in einem neuen Wahlpflichtmodul aneignen. Coviello ist als wissenschaftlicher Assistent am Mixed Reality Lab tätig. Er hat vor, seine Masterarbeit im Bereich Augmented Reality zu schreiben. 

Kontakte unter Nachbarn fördern

Die Frage nach dem Befinden, ein Kommentar zum Wetter oder ein Lob für den schönen Garten: Nachbarschaftliche Beziehungen müssen nicht besonders tief sein, um im Alter wertvoll zu werden. «Selbst flüchtige Kontakte können mehr Gewicht haben, als man gemeinhin denkt», sagt Anita Schneeberger, welche sich mit dem Thema «Nachbarschaft als Ressource» befasst hat. 

Nimmt die Mobilität einer Person ab, wird das unmittelbare Umfeld wichtiger. Nachbarn leisten praktische Hilfe, unterstützen emotional, geben Wissenswertes aus dem Quartier weiter und verknüpfen unterschiedliche soziale Gruppen miteinander. Sie tun dies in der Regel informell, freiwillig und kostenlos. Sie tragen damit unter Umständen dazu bei, dass jemand länger in den eigenen vier Wänden wohnen kann. «Die eher peripheren Beziehungen werden von älteren Menschen leider tendenziell ausselektioniert», sagt die Autorin. Dies könne zur Folge haben, dass Betroffene weniger gut informiert und vernetzt seien. Hier kann die Gemeinwesenarbeit anknüpfen: Sie kann Begegnungsräume schaffen, generationenübergreifende Veranstaltungen durchführen und insbesondere auf Seniorinnen und Senioren zugehen, denen familiäre Bezugspersonen fehlen. «Es gibt bereits zahlreiche gute Initiativen in diesem Bereich», sagt Anita Schneeberger und erwähnt als Beispiel nachbarschaftliche Projekte, die mit Zeitgutschriften arbeiten. Oft seien sie einfach noch zu wenig bekannt. Potenzial, den nachbarschaftlichen Austausch zu fördern, sieht sie unter anderem bei Neubauten und der Gestaltung des öffentlichen Raums. «Die Verantwortlichen sollten sich jeweils von Anfang an überlegen, wie Raum für ältere Menschen geschaffen werden kann.»   

Anita Schneeberger (48) hat ihre Bachelorarbeit in Sozialer Arbeit den Nachbarschaftsbeziehungen älterer Menschen gewidmet. Sie ist der Frage nachgegangen, wie Gemeinwesenarbeit diese unterstützen kann. «Die Nachbarschaft wird an Bedeutung gewinnen», sagt sie und verweist auf die demografische Alterung sowie vielfältigere Formen des Zusammenlebens. Für ihre Analyse hat sie die Höchstnote erhalten. Die ZHAW-Absolventin hat während des Studiums ein Praktikum in der Quartierarbeit gemacht. Sie fände es reizvoll, beruflich weiterhin mit dem Thema zu tun zu haben. Zurzeit ist sie auf Stellensuche.   

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