Future Kids: Studium und soziales Engagement verbinden
Gutes tun und dafür ECTS-Punkte erhalten: Das Mentoring-Programm Future Kids bietet ZHAW-Studierenden die Möglichkeit, ihre Erfahrungen und ihr Wissen spielerisch weiterzugeben. Doch es trägt vor allem zur Chancengleichheit im Schulsystem bei.
Tobias Wunderlin ist vielseitig engagiert. Neben seinem Teilzeitstudium in Wirtschaftsinformatik an der ZHAW School of Management and Law arbeitet er für die Ergon Informatik AG als Werkstudent im Software Testing, spielt Gitarre, Bass und Klavier in mehreren Musikprojekten und ist einer von aktuell 56 ZHAW-Mentorinnen und -Mentoren vom Mentoring-Programm Future Kids. «Ich habe schon immer gerne Nachhilfe gegeben und wollte mich sozial engagieren. Das Mentoring-Programm Future Kids eignet sich perfekt dafür», sagt der 28-Jährige.
Chancengleichheit für Primarschulkinder
Die ZHAW vermittelt Studierende für die Dauer von einem Schuljahr als Mentorinnen und Mentoren an Primarschulkinder (Mentees), die Unterstützung benötigen, die ihnen ihr privates Umfeld nicht geben kann, um ihre Erfolgschancen im hiesigen Schulsystem zu erhöhen. Future Kids wurde von der Zürcher Fachorganisation AOZ ins Leben gerufen. «Viele kennen die AOZ wegen ihrer Tätigkeit im Asylbereich. Sie ist aber längst nicht mehr ausschliesslich in diesem Bereich engagiert», erklärt Programmleiterin Åsa Kelmeling. Auch für die Teilnahme am Programm Future Kids ist ein Fluchthintergrund kein ausschliessliches Kriterium. Entscheidend sei die Einschätzung der Lehrperson.
Gelerntes weitergeben
Wer studiert, hat bereits mehrere Jahre Lerntechniken entwickelt und weiss, wie man sich Inhalte erarbeiten und am besten merken kann. Diese Erfahrungen setzen die Future-Kids-Mentorinnen und -Mentoren ein, um Wissen auf spielerische Art und Weise zu vermitteln. Denn sie sollen nicht die Rolle einer zusätzlichen Lehrperson einnehmen, sondern eher jene eines grossen Bruders oder einer Cousine. «Solange es zielführend ist, bin ich in der Gestaltung unseres wöchentlichen Austausches sehr frei», sagt Tobias Wunderlin.
«Die positiven Veränderungen, die ich als Mentor beim Schulkind anstossen kann, sind definitiv spürbar.»
Als Mentor hat er Zugang zu einer Liste mit übergeordneten Zielen – fachlichen und überfachlichen – seines Schulkindes. Dann sind kreative Wege gefragt. «Ich habe zum Beispiel erfahren, dass sich Yahye für Videospiele interessiert. Daraufhin habe ich anhand von Zeitungsartikeln zu Videospielen eine Wortschatzübung gestaltet». Zudem kommt Tobias’ Gitarre regelmässig zum Einsatz: Er hat Yahye zu diesem Instrument inspiriert und die Aussicht auf gemeinsames Üben am Ende jeder Unterrichtsstunde motiviert den Achtjährigen, dessen Familie aus Somalia kommt, zusätzlich. Damit Mentor und Mentee an den gesteckten Zielen dranbleiben und der Lernfortschritt sichtbar wird, wird ein Lernjournal geführt, das vom pädagogischen Coach der AOZ sowie von der Lehrperson des Kindes angeschaut und teilweise kommentiert wird.
Soziales Engagement zahlt sich aus
Für die ZHAW-Studierenden wird das Engagement im Rahmen von Future Kids doppelt belohnt. Mentorinnen und Mentoren erhalten an den meisten ZHAW-Departementen entweder ECTS-Punkte, oder die Einsätze lassen sich an die Praktikumszeit anrechnen. Die eigentliche Bereicherung ist aber eine andere: «Am schönsten ist es, sich eine kreative Unterrichtsstunde auszudenken, diese umzusetzen und zu sehen, dass der Mentee auch Spass daran hat. Wenn das Wissen dann noch haften bleibt, freut man sich umso mehr», sagt Tobias Wunderlin und ergänzt: «Die positiven Veränderungen, die ich als Mentor beim Schulkind anstossen kann, sind definitiv spürbar».
Mentoring während der Pandemie ist wichtiger denn je
Giulia Both, ZHAW-Studentin Pflege, und der zehnjährige Harun erzählen im Video, was sie am Mentoring-Programm schätzen.
Die Zusammenarbeit zwischen der ZHAW und der AOZ bestand gerade mal ein halbes Jahr, als Corona den Schulbetrieb auf den Kopf stellte und ein «Pandemie-Modus» gefunden werden musste. Die Mentorings konnten trotz der Massnahmen immer durchgeführt werden. Das sei auch gut so, meint Åsa Kelmeling: «Future Kids wurde durch die Pandemie wichtiger als je zuvor, denn die Bildungsschere ging durch die Corona-Massnahmen nochmals deutlich auseinander». Durch das Homeschooling und viele quarantänebedingte Abwesenheiten seien jene Kinder, die zu Hause wenig oder gar keine Unterstützung erhalten, noch mehr gefährdet, den Anschluss zu verlieren.
Umso wichtiger sei es in dieser Zeit gewesen, dass die ZHAW-Mentorinnen und -Mentoren ihre Mentees weiterhin wöchentlich unterstützen konnten. Auch Tobias Wunderlin spürte gewisse Auswirkungen auf seine Mentoren-Tätigkeit: «Das Maskentragen erschwerte es zu Beginn etwas, schnell eine Verbindung zu Yahye herzustellen.» Er habe aber nicht den Eindruck, dass sein Future Kid durch die Pandemie besonders gelitten habe. «Mein Mentee ist nach wie vor sehr motiviert und es freut mich, dass ich ihn nochmals ein halbes Jahr begleiten darf», resümiert Tobias.
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