Gender Diversity in der IT: «Vorbilder sichtbar machen»

22.03.2022
1/2022

Weniger Studentinnen in den MINT-Fächern, hohe Fluktuationsraten bei Frauen in technischen Berufen: Doch Gender Diversity in diesen Bereichen ist wichtig, wie ZHAW-Dozentin Katja Kurz betont. Das bringt sie auch ihren Wirtschaftsinformatik-Studierenden bei.

Wie steht es um die Gender Diversity in der Informatik? 

Katja Kurz: Es braucht dringend mehr Frauen in der IT und in den MINT-Berufen. Wir sprechen im Wirtschaftsinformatikunterricht zum Beispiel darüber, dass es leider aktuell sinkende weibliche Zahlen in den MINT-Fächern und eine hohe Fluktuationsrate von Frauen in technischen Positionen gibt. Das ist im Hinblick auf Führung und Kultur relevant. Es gibt auch Studien, dass Frauen eigentlich mehr über IT wissen, als sie häufig zugeben oder sich bewusst sind.

Weshalb ist Gender Diversity in der IT wichtig?

Unternehmen, die die Geschlechtervielfalt leben, profitieren von einer höheren Produktivität. Das thematisieren wir zum Beispiel im Unterricht in einer angewandten Case Study mit der  Aussage von Roland Cortivo, Chief Revenue Officer, Swisscom Blockchain: «Was allgemein für die Wirtschaftswelt gilt, trifft auch im Technologieumfeld zu: Gemischte Teams schneiden besser ab – je diverser, desto erfolgreicher.»

Was kann man tun, um diese Berufe für Frauen attraktiver zu machen?

Es ist wichtig, dass die Studierenden und Absolvierenden an Schweizer Hochschulen ein funktionierendes Netzwerk sowie Vorbilder hier in der Schweiz haben, sogenannte Role Models. Women in Tech Switzerland zum Beispiel vernetzt Frauen in der Schweiz miteinander. Es gibt aber noch etliche weitere Netzwerke für Gender Diversity, etwa We Shape Tech. Und MOD-ELLE ist ein Schweizer Verein, der durch die Bekämpfung von Geschlechterstereotypen einen Unterschied in der Schweizer Arbeitswelt machen will. Der Verein hat dazu ein Netzwerk aus Lehrkräften, Freiwilligen und institutionellen Partnern aufgebaut. 

Welche Fragen stellen die Studierenden zu diesem Thema im Unterricht?

Am meisten interessiert sie, wie es mit den Lohnunterschieden aussieht, also der Gender Pay Gap. Dabei gehe ich unter anderem auch auf das Impostor-Syndrom, also das Hochstapler-Syndrom, oder die Verhandlungskompetenzen bei Frauen ein. Denn es zeigt sich zum Beispiel, dass Absolventen mehr und erfolgreicher verhandeln als Absolventinnen, wenn es um den Lohn geht. Daher ist es sehr wichtig, dass alle Studierenden, nicht nur die Frauen, davon wissen und entsprechend in Studium und Beruf so handeln, dass sie ihre Kompetenzen auch einsetzen.

Wie wenden die Studierenden das Gelernte schliesslich an? 

Ich schreibe zu dem Thema Bachelorarbeiten aus. Die Bachelorarbeiten dauern in der Regel mehrere Monate, und in dieser Zeit bewegt sich schon sehr viel. Und manchmal kontaktieren mich Absolventinnen und Absolventen noch lange nach ihrem Studium. Eine Absolventin arbeitet z.B. im Migros Genossenschafts-Bund als Service Delivery Managerin. Ihre Bachelorarbeit zum Thema Diversity beziehungsweise die Stellung vom IT-Businessmanagement zu Frauen in der Informatik wurde vor kurzem mit dem Chief Information Officer der Migros besprochen und sie konnten intern in der Migros ein Frauennetzwerk aufbauen.  Oder da ist eine andere Bachelorabsolventin, die ihre Erkenntnisse aus der Bachelorarbeit nun als Applikationsentwicklerin jeden Tag im Job integriert und einfach vorlebt. Wir haben auch viele Teilzeitstudierende, die schon in den Unternehmen sind. Und sie können jetzt schon einen Unterschied machen, indem sie etwas anwenden, das sie im Studium lernen. 

Wie ist Ihr Eindruck: Haben wir noch einen weiten Weg vor uns?

Die Studierenden sind sehr interessiert und gehen vielleicht offener damit um als frühere Generationen. Und doch können wir nicht oft genug auf diese «unconscious bias» – also diese unbewussten Vorurteile – achten, weil unser Gehirn eben so funktioniert und wir so erzogen worden sind. Gerade wir Frauen in der IT dürfen uns öfter trauen, etwas Altes mit etwas Neuem zu ersetzen, um eine Veränderung herbeizuführen. Und wir Frauen sollten uns mehr zutrauen, einfach mal Ja sagen zu grösseren Herausforderungen und Verantwortung.

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