Speed-Dating für grüne Investitionen

06.12.2022
4/2022

Erneuerbare Energien und Effizienzsteigerungen sind für Startups ein boomendes Umfeld. Doch Investitionen zu erhalten, ist hierzulande schwer. ZHAW-Dozentin Christina Marchand hat dafür einen Innovationsmonitor aufgebaut.

Druckluftsysteme in industriellen Anlagen sind Energiefresser. Dies fiel Jeremias Wehrli auf, als er nach dem Maschinenbaustudium an der ZHAW einen Auftrag des Migros-Fleischverarbeiters Micarna erhielt. «Meistens steht der Kompressor im Keller und erzeugt einen Druck von etwa sechs Bar – mehr als in einem Autoreifen», erklärt Wehrli. Zudem gehe oft viel Luft verloren. «Der Wirkungsgrad von Druckluft beträgt zwischen drei und sechs Prozent. Das ist ineffizient und teuer.»

Die Idee fürs eigene Geschäft

Diese Entdeckung gab Wehrli die Idee für sein eigenes Geschäft. Mit einem Studienkollegen begann er vor fünf Jahren, an einem elektrisch betriebenen Zylinder zu tüfteln, und ging eine Partnerschaft mit der School of Engineering ein. Im Jahr 2020 gründeten die beiden die Firma Cyltronic. Mittlerweile laufen ihre Elektrozylinder bereits in diversen Schweizer und ausländischen Betrieben, so in einer Reisverpackungsanlage von Coop sowie bei Audi und BMW. Wehrli ist überzeugt von seinem Produkt: «Es spart im Durchschnitt 90 Prozent Energie», sagt der 32-Jährige. «Unser nächstes Ziel ist es, ins Seriengeschäft einzusteigen.»

«Nachhaltigkeit zahlt sich oft nicht aus, weil externe ­Kos­ten vernachlässigt werden. Deshalb können sich sinnvolle Unternehmenskonzepte am Markt nicht immer behaupten.»

Christina Marchand, wissenschaftliche Mitarbeiterin Institut für Innovation & Entrepreneurship

Der Energiebereich ist für Startups ein boomendes Umfeld. Die Datenbank Swiss Environment & Energy Innovation Monitor, die 2014 lanciert wurde, umfasst rund 700 Jungunternehmen mit Bezug zu Umwelt- oder sozialen Themen. «Wir machen die Firmen sichtbar und geben ihnen Hinweise, zum Beispiel zu passenden Wettbewerben», sagt Christina Marchand. Die Dozentin an der School of Management and Law hat den Innovationsmonitor aufgebaut und erfasst laufend neue Unternehmen. Unterstützt wird das Projekt von der ZHAW und dem Bundesamt für Energie.

Auch 2022 seien wieder viele spannende Jungunternehmen hinzugekommen, sagt die promovierte Chemikerin. So zum Beispiel die Firma Batterylog, welche Akkus überprüft und optimiert. Oder Flux Mobility, die Kleintransporter elektrifiziert. «In diesem Bereich haben wir eine Lücke ausgemacht», erklärt Co-Gründer Bill Zollinger, der an der ZHAW Elektrotechnik studiert hat. Neben Personenwagen gebe es bereits Lastwagen oder Kehrichtfahrzeuge, die elektrisch betrieben werden, aber kaum Fahrzeuge im mittleren Bereich. Seine Firma entfernt deshalb die Dieselmotoren bei MAN-Transportwagen und rüstet sie auf Elektro­antrieb um.

Speed-Dating beim Energy Startup Day

Die Szene trifft sich jedes Jahr am Energy Startup Day, den Christina Marchand ebenfalls organisiert. Ein Highlight ist stets das Speed-Dating mit potenziellen Investierenden. Das Auftreiben von grösseren Beträgen sei hierzulande schwierig, sagt Marchand. Selten erhalte ein Start­up mehr als eine Million Franken. Für Unternehmen, die eine Infrastruktur aufbauen müssen, ist dies eine Hürde. Das sei schade, denn in der Schweiz mit ihren exzellenten Hochschulen würden viele sehr gute Technologien entwickelt. Viele Startups verfolgen auch psychologische oder soziale Ansätze. Mit guten Rahmenbedingungen, etwa Produktpreisen, die Umweltkosten berücksichtigen, könnte man sich viel Aufwand ersparen, und viele technologische Innovationen könnten sich einfacher durchsetzen: «Nachhaltigkeit zahlt sich oft nicht aus, weil externe ­Kos­ten vernachlässigt werden. Deshalb können sich sinnvolle Unternehmenskonzepte am Markt nicht immer behaupten.»

myNewEnergy für grünen Strom

Um den Umstieg auf erneuerbare Energien voranzutreiben, hat Christina Marchand 2014 ihr eigenes Unternehmen namens myNewEnergy gegründet. Es handelt sich um eine Stromvergleichsbörse entsprechend dem Modell von Comparis, wo Marchand früher gearbeitet hat. Kundinnen und Kunden sollten ihren Anbieter wie bei den Krankenkassen frei wählen können, dabei aber nicht nur auf den Preis achten, sondern auch auf die Umweltauswirkungen. Die politischen Entwicklungen machten Marchand und ihrem Geschäftspartner jedoch einen Strich durch die Rechnung: Der freie Strommarkt für Kleinverbrauchende wurde nicht wie geplant 2014 umgesetzt. Nutzenden der Plattform ist es deshalb nur möglich, zu einem ökologischeren Produkt zu wechseln, nicht jedoch zu einem anderen Anbietenden. Doch die aufwendig zusammengetragenen und jährlich aktualisierten Daten dienen nun einem anderen Zweck: Mit Förderung des Bundesamts für Energie soll das Bewusstsein für Stromqualität in der Öffentlichkeit gesteigert und sollen die Energieversorger motiviert werden, in ihrem Standardmix einen wachsenden Anteil Sonnen- und Windstrom anzubieten. Dies sei ein wichtiger Hebel, um die Energiewende voranzubringen, sagt die engagierte Fachfrau: «Es geht viel  zu langsam vorwärts.»

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