Spotlight-Umfrage: Kann KI kreativ sein?
Hannah Lea Dykast, ZHAW-Institut für Sozialmanagement | Kreativität ist für mich etwas ganz Persönliches. Es ist nicht nur die Neugier und Flexibilität, mit einem offenen Herzen Perspektiven zu entdecken, sondern auch die menschliche Fähigkeit, situativ und intuitiv aus unserem evolutionären Erfahrungsschatz sowie aus persönlichen Fähigkeiten und Neigungen zu handeln. Schöpferisches Kreieren, kreatives Problemlösen oder Neues entdecken beruht auf Emotionen und der Fähigkeit, vernetzt zu denken, in sich zu kehren und zu reflektieren. Offenheit, Neugier und Empathie sind meiner Meinung nach Essenz des kreativen Denkens und eines kreativen Prozesses. Künstliche Intelligenz birgt ein grosses Potenzial für Kreativität. Hierzu gibt es ja bereits faszinierende Beispiele. Dass eine KI jedoch auf Basis eines kreativ intuitiven und reflektierten Prozesses Entscheidungen trifft, scheint mir unrealistisch.
Florian Wachter, Interaction Designer bei Securitas Intelligent Services | Kreativität bedeutet für mich, in einem Prozess etwas Neues und Innovatives zu erschaffen oder Zusammenhänge zu erkennen, wo zuvor keine existierten. In diesem Prozess treffen individuelle Fähigkeiten und Geschicke auf die Fantasie und Vorstellungskraft eines Menschen. Kreativ sein wird oft als einzigartig menschliche Fähigkeit beurteilt. Was es im Gegenzug dem Menschen erschwert, eine Künstliche Intelligenz (KI) als kreativ zu bezeichnen. Doch schaut man sich an, wie eine KI und ein Mensch eine Fähigkeit erlernen, fällt auf, dass sie sich in ihrer Herangehensweise ähneln. Mensch und KI experimentieren und ändern ihre Vorgehensweise so lange, bis sie ein bestimmtes Kompetenzniveau erreicht haben. Bei dieser Methodik nutzt eine KI mathematische Regeln und Algorithmen. Letztlich automatisieren und beschleunigen diese Algorithmen menschliche Prozesse, die KI ist aber immer noch auf die menschliche Existenz angewiesen. Selbst wenn Menschen die Fähigkeit haben, kreativ zu sein, im Sinne von über den Tellerrand hinauszudenken, folgen sie auch einer Reihe erlernter grundlegender Regeln, wie man sie in den Algorithmen einer KI wiederfindet. Der Unterschied zwischen einem Menschen, der kreativ wird, oder einer KI liegt darin, dass der Mensch aus einer Inspiration heraus kreativ handelt und eine KI auf die Nachfrage eines Menschen reagiert. Eine KI kann somit kreativ sein, aber nicht selbstständig kreativ werden, was sie zu einem kreativen Werkzeug der modernen Zeit macht.
Tilo Hühn, ZHAW-Zenrum für Lebensmittelkomposition und -prozessdesign | Kreativ sind bisher die Menschen, die Automaten bauen und programmieren. Maschinen haben keine Intentionen, die nicht ihrer Programmierung entsprechen. Im Sinne des automatisierten Denkens können programmierte und trainierte Maschinen Lösungen generieren, die Menschen alleine nicht erkennen oder umsetzen können. Wo der Zufall programmierbar ist, fehlt es Maschinen an der Möglichkeit zu zweifeln. «Wir irren uns nie», sagt der Supercomputer Hal 9000 im Science-Fiction-Klassiker «2001: A Space Odyssey». Den Zweifel abzuschaffen, birgt jedoch grosse Risiken.
Andri Färber, ZHAW-Institut für Wirtschaftsinformatik | Heute verfügbare KI produziert zwar immer mal wieder überraschende und durch den sie programmierenden Menschen nicht erklärbare Resultate. Sie basiert aber immer noch auf mathematischen und statistischen Verfahren, funktioniert also logisch-linear. Am Querdenken wird sich der Computer noch geraume Zeit «die Zähne ausbeissen». Das ist die Chance für den Menschen.
Melanie Geiger, Swiss Alliance für Data-Intensive Services | Eine Künstliche Intelligenz ist nur auf dem trainierten Applikationsbereich kreativ, beispielsweise die KI, die den Stil von Gemälden auf Fotos anwendet, oder die KI, die gegen den südkoreanischen Go-Spieler Lee Sedol mit völlig neuen Strategien gewinnen kann. Menschen hingegen können in vielen verschiedenen Bereichen kreativ sein.
Frank-Peter Schilling, ZHAW-Institut für angewandte Informationstechnologie, Schwerpunkt KI, Deep Learning udn Phsysik | KI ist heute bereits sehr gut darin, Texte, Bilder und Musik zu erzeugen, die auf den ersten Blick kaum von menschengemachten Werken zu unterscheiden sind. Dies beruht jedoch hauptsächlich auf Imitation, denn der KI-Algorithmus wurde mit vielen menschengemachten Beispielen trainiert, um den jeweiligen Stil zu lernen, und kann ihn so teilweise perfekt reproduzieren. Echte Kreativität jedoch, die Erschaffung von etwas wirklich Neuem oder Originellem, welches nützlich oder schön ist, bleibt dem Menschen vorbehalten, beispielsweise dem Forscher, welcher die neuartigen KI-Algorithmen programmiert.
Micha Neumair, Präsident des Studierendenvereins VSZHAW, Student Wirtschaftsinformatik | Kreativität bedeutet für mich, im richtigen Moment eine originelle Idee zu haben. Eine Idee, auf die niemand sonst gekommen ist und die hilft, eine Herausforderung zu meistern. Künstliche Intelligenz kann aufgrund von Unmengen analytisch verarbeiteter Daten den Anschein erwecken, kreativ zu sein, was jedoch nie echte Kreativität ist.
Aleksandra Gnach, ZHAW Medienlinguistik mit Schwerpunkt Social Media | Kreativität macht es möglich, etwas zu erschaffen, das es vorher nicht gegeben hat. Dazu braucht es die Fähigkeit, Wissen, Vorstellungskraft und abstraktes Denken zu verknüpfen. Das kann KI nicht. Aber KI kann uns von Routine entlasten und so Zeit für Flow und Kreativität schenken.
Nicolas Bächtold, ZHAW-Fachgruppe Angewandte Kognitionspsychologie, Coach improaktiv.ch | Im Alltag bedeutet Kreativität für mich, dass man mit Mustern bricht. Zu einem neuen Weg Ja sagen und schauen, wohin es führt, ohne Angst davor, auch mal zu scheitern. KI kann für mich nur beschränkt kreativ sein – zum Beispiel wenn sie ein Buch selber schreibt –, da ein Code nach Mustern sucht und diese neu interpretiert.
Aufgezeichnet von Ursula Schöni
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