Ergotherapie

Studierende entwickeln Prothesenmodelle für den 3D-Drucker

21.09.2021
3/2021

Vom Knet-Prototyp bis zur nahezu fertigen Lösung aus dem 3D-Drucker: In einer neuen Unterrichtseinheit des Bachelorstudiengangs Ergotherapie entwickeln Studierende Hilfsmittel für eine Klientin ohne Unterarm.

Monika Sauerteig legt Petersilie in eine Klammer, die man zum Verschliessen von Verpackungen braucht, klemmt sie sich unter den linken Arm und schneidet die Kräuter ab. «Moni», so stellt sie sich vor, ist ohne linken Unterarm zur Welt gekommen. In ihrem Alltag gibt es immer wieder Situationen, die sie erfinderisch anpacken muss. Zwar besitzt sie von der Teilnahme an einem Forschungsprojekt einen «Adapter» für ihren Armstumpf, an welchem sie mit einem speziellen Verschluss Werkzeuge anbringen kann. Jedoch sind die Aufsätze, die sie bisher hat, nicht so nützlich, wie sie es sich wünscht. 

 

In einem Wahlpflichtunterricht im Modul «Methodisches Handeln» sollen rund 50 Ergotherapie-Studierende massgeschneiderte Tools für Herausforderungen aus Monis Alltag konzipieren. Ziel ist dabei etwa, dass Moni das Kräuterschneiden ergonomischer gestalten kann. 

Mit Design Thinking zum Knet-Prototyp 

Die Freude ist gross über das neue Hilfsmittel, mit dem Monika Sauerteig im ÖV Halt findet oder eine Schreibplatte festhalten kann.

Klientin Monika Sauerteig zeigt den Studierenden den Adapter, mit welchem sie Werkzeuge an ihrem Armstumpf befestigen kann. Daran sollen später auch die Hilfsmittel der Studierenden angebracht werden.

Moni demonstriert ihre bisherige Technik des Kräuterschneidens. Neben ihr steht Ergotherapie-Dozent Josef Adam. Auf der Leinwand ist Jennifer Bagehorn zu sehen, die die Studierenden online in das Design Thinking einführt.

Die gesammelten Informationen über Monis Bedürfnisse helfen den Studierenden, ihre Ansätze zu entwickeln.

Mit den Informationen, die sie anhand des Design Thinking-Ansatzes gewonnen haben, entwickeln die Ergotherapie-Studierenden erste Lösungsansätze und erstellen Prototypen aus Knete.

Mit einem CAD-Programm zeichnen die Studierenden ihre Prototypen. Die Zeichnungen dienen als Grundlage für den 3D-Druck.

Der 3D-Drucker produziert ein erstes Hilfsmittel der Studierenden. Mit dem Haken kann sich Moni Sauerteig im öffentlichen Verkehr festhalten kann.

Um in der kurzen Zeit rasch zu Lösungen zu gelangen, nutzen die Studierenden Ansätze des Design Thinking. Eine Besonderheit dieses Vorgehens ist, dass man in mehreren Phasen bewusst den Blickwinkel öffnet, um möglichst viele Informationen zu sammeln, und danach fokussiert, um gezielt einzelne Einsichten respektive Lösungen weiterzuverfolgen. «Dabei stehen immer die Bedürfnisse der Kundin oder des Kunden im Mittelpunkt», erklärt die Dozentin Jennifer Bagehorn, die die Studierenden gemeinsam mit ihrem Kollegen Jesse Bächler von der School of Management and Law ins Thema einführt. Bächler erläutert den Studierenden, wie sie Moni möglichst zielführend interviewen können. Danach sollen die Studierenden Lösungsansätze entwerfen und mit Knete visualisieren. Dabei unterstützt sie auch die stellvertretende Leiterin der Forschungsstelle Ergotherapie, Verena Klamroth, die seit über zehn Jahren zu Technik in Medizin und Therapie forscht.

CAD-Zeichnungen für den 3D-Druck

Am Nachmittag geht es darum, die Knet-Prototypen in ein digitales CAD-Modell umzuwandeln. Getreu dem interdisziplinären Ansatz des Design Thinking leitet Josef Adam vom ZHAW-Institut für Ergotherapie diesen Teil gemeinsam mit dem Maschinenbauingenieur Adrian Fassbind, der an der School of Engineering unterrichtet. Nach ihrer Einführung unterstützen sie die Studierenden dabei, ihren Prototyp am CAD-Programm so zu zeichnen, dass man ihn mit einem 3D-Drucker produzieren könnte. Das ist gar nicht so einfach. Eine etwas ältere Studentin sagt dazu: «Ich hatte immer grossen Respekt vor diesen technischen Zeichnungsprogrammen. Als wir das Tool jedoch zu Hause ausprobieren konnten, fand ich Gefallen daran und am Schluss wollten gar meine Kinder damit zeichnen.»

Am Ende des Tages präsentieren alle Studierenden-Gruppen ihre CAD-Zeichnungen und überraschen Moni dabei mit ihren unterschiedlichen Ansätzen. So würden die Kräuter etwa bei einem Modell zwischen zwei mit Spiralfedern ausgestatteten Platten eingeklemmt, bei einem anderen mit einer Art Greifzange an einem Teleskoparm festgehalten. 

Blick nach vorn

Eine der CAD-Zeichnungen schickt der Dozent Josef Adam noch am selben Abend auf den 3D-Drucker. Dieser braucht siebzehn Stunden, um das Modell zu fertigen. Allerdings ist das Hilfsmittel danach  noch in einem sehr rohen Zustand. Darüber hinaus haben alle Studierenden die Möglichkeit, ihren Prototyp im Rahmen eines weiteren Moduls zu einem sogenannten Funktionsmuster weiterzuentwickeln. Moni sollte diese dann im Unterricht testen und, falls sie sich eignen, später auch im Alltag nutzen können. 

Wahlpflichttag «neue Technologien»

Der Wahlpflichttag «neue Technologien» ist Teil des Moduls «Methodisches Handeln» im zweiten Semester des neuen Bachelorcurriculums Ergotherapie. «Ziel dabei ist, dass Studierende frühzeitig technologische Entwicklungen kennenlernen und diese – ergänzend zu herkömmlichen Methoden der Hilfsmittelerstellung – nutzen können», so die Modulverantwortliche Katrin Kalt. Im weiteren Verlauf des Studiums können die Studierenden das Thema freiwillig vertiefen, insbesondere in der achtwöchigen Projektwerkstatt im 6. Semester, die neu auch mit der Bachelorarbeit kombiniert werden kann. Hierfür pflegen die Bachelordozierenden für Ergotherapie bewusst interdisziplinäre Partnerschaften wie etwa mit dem Zentrum für Produkt- und Prozessentwicklung der ZHAW School of Engineering.  

1 Kommentar

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  • J

    Jaime Roca
    30.08.2022, 20.31
    Exelente proyecto que puede servir para mejorar la calidad de vida de muchas personas y abre perspectivas creativas a los estudiantes y profesionales de varias áreas del conocimiento