Über diverse Mannsbilder, Laborfleisch und innovative Klimageräte
Wie entsteht aus einzelnen Zellen ein Stück Fleisch? Lassen sich Wohnungen thermochemisch klimatisieren? Was bedeuten gesellschaftliche Definitionen von Männlichkeit für die Soziale Arbeit? Drei Abschlussarbeiten geben Antworten.
Künstliches Fleisch, das aus Biotinte gedruckt wird
Die Produktion von Fleisch schadet der Umwelt. Immer mehr Menschen entscheiden sich daher, vegetarisch oder vegan zu leben. Da die Bevölkerung wächst, nimmt der Fleischkonsum dennoch zu. Um die negativen Folgen für das Klima zu verringern, wird intensiv an Alternativen geforscht. «Im Labor gezüchtetes Fleisch ist – neben Insekten und pflanzlichen Produkten – ein vielversprechender Ansatz», sagt Jonas Elsener, der am Departement Life Sciences und Facility Management studiert hat. Die Treibhausgas-Emissionen können damit auf ein Minimum reduziert werden, es werden weniger Ressourcen verbraucht und es müssen keine Tiere geschlachtet werden. «Die Konsumenten können ihren ökologischen Fussabdruck senken, ohne auf Fleisch verzichten zu müssen.»
Weltweit befassen sich mehr als 70 Startups mit der Herstellung von künstlichem Fleisch. Sie konnten erste Erfolge verbuchen. So sind kultivierte Zellen in grösseren Mengen zu Burgerpatties zusammengesetzt worden. In Singapur dürfen solche Produkte bereits kommerziell hergestellt und vertrieben werden. Schwieriger ist es, die Textur eines grösseren Fleischstücks nachzuahmen. Jonas Elsener hat dazu eine Konzeptstudie gemacht. Er hat im Labor Einzelzellen aus tierischem Muskelgewebe gezüchtet und gedruckt. Er hat verschiedene 3D-Druckverfahren getestet und dabei eine vorhandene sowie eine selbst entwickelte Biotinte eingesetzt. Die Zellen hätten sich so entwickelt, wie er dies angenommen habe, berichtet der Bachelorabsolvent. «Die Experimente haben meine theoretischen Überlegungen bestätigt.»
Jonas Elsener (27) hat sich in seiner Bachelorarbeit in Chemie mit dem Bioprinting von Fleisch befasst. Er hat Zellen aus dem Muskelgewebe von Rinderschlachtabfällen isoliert, kultiviert und mittels 3D-Technik vervielfältigt. «Das Thema ist spannend und aktuell», sagt er. Es habe ihm die Möglichkeit gegeben, sein Wissen in Biochemie und Tissue Engineering zu vertiefen. Elsener arbeitet bei der Merck Group Switzerland in Schaffhausen. Er kann sich vorstellen, dereinst auch noch ein Masterstudium in Angriff zu nehmen.
Mit Salzlösung kühlen, heizen und klimatisieren
Egal ob es draussen 30 Grad heiss oder minus 10 Grad kalt ist, Wohnräume sollen stets behaglich sein. Sie werden entsprechend gekühlt, geheizt und klimatisiert. Um ein angenehmes Raumklima zu schaffen, könnten künftig auch thermochemische Verfahren eingesetzt werden. Sie verwenden konzentrierte Salzlösungen und machen sich zunutze, dass diese Luftfeuchtigkeit absorbieren und dabei Kondensationswärme freisetzen. Umgekehrt kann Wasser verdampft und damit die Luft gekühlt werden. Dieses chemische Potenzial lässt sich beliebig lange lagern und gut transportieren. «Im Gegensatz zu Fernwärmenetzwerken ist die Verteilung über grosse Distanzen effizienter und die Speicherung theoretisch verlustfrei», sagt Raphael Baumann, der an der School of Engineering studiert hat. Er hat mehrere hygrologische Salzlösungen evaluiert und berechnet, wie sie in Wohnungen zum Einsatz kommen könnten. Die Methode habe Potenzial, sagt er. «Ein thermochemisches System kann zur Reduktion fossiler Brennstoffe beitragen, indem es industrielle Abwärme nutzt.» Hinzu kommt, dass es gesundheitliche Aspekte berücksichtigt. Die Luftfeuchtigkeit wird simultan zur Temperatur gesteuert. Die Luft wird gewaschen, was Viren und Schadstoffe reduziert. Das Risiko, dass Krankheiten übertragen werden, nimmt ab. Ein Effekt, der in der Pandemie gerade an Bedeutung gewonnen hat. Baumanns Recherchen und Berechnungen werden in die Entwicklung eines solchen Klimageräts einfliessen. Das Institut Energiesysteme und Fluid-Engineering (IEFE) hat vor, einen Prototypen zu bauen.
Raphael Baumann (27) hat seine Bachelorarbeit in Maschinentechnik einer innovativen Klimatisierungsmethode gewidmet. Sie basiert auf einem thermochemischen Verfahren und ist von ZHAW-Forschenden bereits in Gewächshäusern erprobt worden. Wie Baumann aufzeigt, würde die Technologie im Wohnbereich ebenfalls Vorteile bringen. «Es hat mich gereizt, an einer technischen Innovation zu arbeiten, mit der erneuerbare Energieträger besser genutzt werden können», sagt der ZHAW-Absolvent. Er ist zurzeit auf Stellensuche.
Männlichkeit vervielfältigen statt reproduzieren
Männer sollen stark und unabhängig sein. Sie sollen sich selbst zu helfen wissen. Was als männlich wahrgenommen wird, ist nicht biologisch gegeben. Es wird gesellschaftlich konstruiert, kann sich wandeln und beeinflusst das Individuum. «Männlichkeit ist für die Menschen eine erlebbare und wirkmächtige Realität», schreibt Timo Jost in seiner Abschlussarbeit. Die Gesellschaft zieht zwischen «Mann» und «Frau» eine klare Trennlinie. Mit der Zuordnung zu einem binären Geschlecht werden Stereotype reproduziert. Wer der gesellschaftlichen Norm entspricht, erfährt Zuspruch. Wer davon abweicht, wird sanktioniert. Wie der ZHAW-Absolvent ausführt, ist Männlichkeit hierarchisch geordnet. Die vorherrschende Form wird kulturell herausgehoben. Sie grenzt sich ab, indem sie andere Formen unterdrückt oder marginalisiert. Wie sich enge Zuschreibungen auswirken können, wird im Feld der häuslichen Gewalt deutlich. So zeigt sich, dass ein traditionelles Rollenverständnis gewalttätiges Verhalten begünstigen kann. Da häusliche Gewalt überwiegend von Männern ausgeht und Frauen betrifft, wird bislang in erster Linie geschlechtsspezifisch interveniert. Es gibt Frauenhäuser und Täterberatungsstellen. Dass aber auch Männer Opfer werden, wird weniger thematisiert. Die dominierende Sichtweise davon, was männlich ist, spricht ihnen Opferschaft ab. Sozialarbeitende seien somit gefordert, Männlichkeit nicht zu reproduzieren, sondern zu vervielfältigen und verschiedene Handlungsoptionen anzubieten, sagt Jost. Er wünscht sich, dass sich die Soziale Arbeit aktiver am gesellschaftlichen Diskurs beteiligt, damit ihrem politischen Mandat gerecht wird und dass Gender-Themen in der Lehre stärker gewichtet werden.
Timo Jost (25) hat sich in seiner Bachelorarbeit mit Männlichkeit auseinandergesetzt. Er legt dar, wie die Gesellschaft «männlich» definiert und was diese Zuschreibungen für die Soziale Arbeit bedeuten. Als Beispiel skizziert er Auswirkungen im Bereich der häuslichen Gewalt. Zum Thema inspiriert hat ihn ein Austauschsemester in Berlin. «Gender- und Queer-Studies gehören dort zum Pflichtstoff», erzählt er. Timo Jost hat für seine Analyse die Bestnote erhalten. Er arbeitet in einem Teilzeitpensum im Mannebüro Züri und ist auf Jobsuche.
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