Umfrage: Was ist für Sie normal?
Für viele Studierende, Alumni und Mitarbeitende ist es ganz normal, sich an der Hochschule, in der Gesellschaft, im Privatleben zwischen verschiedenen Kulturen und Normen zu bewegen. Wie erleben sie das und welche Tipps haben sie, wenn etwas nicht in das eigene Muster von Normalität passt?
Steffi Neumann, Dozentin und Beraterin am Zentrum Leadership, Coaching & Change Management am Dept. Angewandte Psychologie | «Für mich bedeutet Normalität im Kontakt mit anderen Kulturen, dass ich mich gerade auf ein Nicht-Verstehen einstelle. Als ich in Japan studierte, war ich daher umso überraschter, in einer Bäckerei auf Deutsch mit ‘Was darf ich Ihnen bringen?’ begrüsst zu werden. Die Verkäuferin war japanische Studentin für Germanistik an der gleichen Universität Nanzan Daigaku in Nagoya wie ich. Diese «Normalität» im Unbekannten hat uns ins Gespräch gebracht und bis heute sind wir sehr gute Freundinnen.»
Tugba Reuthinger-Caliskan, ZHAW Alumni Netzwerk Wädenswil | «Ich lebe zwischen zwei Kulturen. Beide Kulturen haben so viele Gemeinsamkeiten und doch viele Unterschiede. Differenzen, welche Konflikte auslösen, würden sich in Luft auflösen, wenn man dabei die Gemeinsamkeiten ohne zu werten berücksichtigen könnte. Leben und leben lassen! Netzwerken ist wie ein lebenslanges Lernen. Mit jeder Persönlichkeit und vor allen mit internationalem Hintergrund erweitert man den eigenen Horizont. Je mehr man dazu lernt, desto weniger Barrieren gibt es zwischen Kulturen. Ich bin in der Schweiz mit einem sehr hohen Bewusstsein für Qualität und Pünktlichkeit aufgewachsen. Dies bereitet mir im Ausland manchmal Mühe. Am Mittelmeer entgegnet man meiner Anforderung manchmal bewundernd und doch mit Unverständnis. Mit Kommunikation kann man einander entgegenkommen.Obwohl ich mit wunderbarer türkischer Küche aufgewachsen bin, ist es für mich normal, internationale Küche in meinem Menüwochenplan zu berücksichtigen. Ich kreiere die Menüs einfach ohne Schweineerzeugnisse. Ersatzprodukte gibt es sehr viele.»
Ursula Schöni, ZHAW-Masterstudentin Umwelt und Natürliche Ressourcen am Dept. LSFM | «Normal ist relativ. Ich habe jahrelang in fremden Kulturen gelebt. Andere Begrüssungrituale, ein anderes Verständnis von Pünktlichkeit, anderes Essen und andere Kleider waren da normal. Dem begegne ich erst einmal wohlwollend und neugierig.»
Petra Youngzie Barthelmess, Head of International Education and Program Director Master of Science in International Business an der SML | «Normalität ist für mich, wenn eine auf meiner Erfahrung basierte Erwartung dann auch eintrifft. Werden meine Erwartungen nicht erfüllt, kann ich frei entscheiden, wie ich diese Erfahrung von Anomalität bewerten möchte. Ich kann sie ablehnen, weil ich sie als unkorrekt interpretiere, ich kann sie aber auch als Inspiration annehmen. Ich lasse mich sehr gerne inspirieren! Zu viel Inspiration kann aber auch anstrengend sein. ;-)»
Joy Bolli, Fachperson Interne Kommunikation& Kultur Dept. Angewandte Psychologie | «Normal ist, was die Gemeinschaft, in der man sich gerade bewegt, zur Vereinfachung aktuell als Norm festgelegt hat. Das ändert sich mit jedem Einfluss (kulturell, spirituell, geografisch, altersbedingt, etc.). Eine eigentliche Normalität gibt es daher für mich im Leben nicht.»
Denis Frick, Bachelorstudent Kommunikation mit Vertiefung Journalismus am Dept. Angewandte Linguistik | «Normalität ist für mich eng mit dem Begriff Routine verbunden. Ich denke, es ist aber auch immer eine Frage der Betrachtungsweise. Vieles wird einfach übersehen, weil es als normal wahrgenommen oder nicht hinterfragt wird. Es braucht Leute, die genau hinschauen. Das genaue Hinschauen war einer der Gründe, weshalb ich mich für das Journalismusstudium entschieden habe.»
Samuel Jost, E-Learning Manager, Zentrum für Innovative Didaktik der School of Management and Law | Videotelefonie mit der Familie und Freunden, aber auch beruflich ist für mich ganz normal geworden. Anders bei meiner Tante. Kürzlich erzählte sie mir, dass sie Mitarbeitergespräche mit ihrem Team führen müsse. Sie fragte sich, wie sie das anstellen solle, Leute in Zeiten der Pandemie zu treffen. Ich konnte sie nicht davon überzeugen, die Gespräche per Videotelefonie durchzuführen. Für sie ist es wichtig und normal, dass man sich zu Mitarbeitergesprächen an einem Tisch zusammensetzt und sich in die Augen sehen kann. Für mich hat ein Videogespräch die gleiche Qualität. Ich sehe keinen Grund, weshalb man sich hierfür real persönlich treffen muss. Ich denke, die unterschiedliche Einstellung kommt daher, dass die Digitalisierung für mich schon lange begonnen hat und ich versuche, sie mitzugestalten. Und meine Tante nutzt sie halt einfach.
Andreia Camichel Fernandes, Unternehmerin SEABRAND GmbH, Beirätin, Coach und Dozentin, Absolventin der SML, |
Was ist schon normal? / Normalität?
Im interkulturellen Kontext: die «Komm Fort»-Zone statt der Komfort-Zone. «Fort» kommen von den eigenen Vorstellungen, Kulturbildern, etc.
Als internationale Unternehmerin: stets das Unerwartete zu erwarten!
Als (interkultureller) Coach: Jeder Mensch ist anders und einzigartig.
Als Frau: (leider!) noch nicht gleichberechtigt behandelt werden.
Alexandra Ibañez, Sozialarbeiterin und Absolventin des Bachelorstudiengangs Soziale Arbeit | «Normalität bedeutet für mich, Zeit mit Freunden und Familie verbringen zu können. Für Menschen mit Fluchthintergrund, die neu an einem Ort sind, gibt es kaum Normalität im Alltag. Der Verein Colors sans Frontières, dessen ehrenamtliche Präsidentin ich bin, versucht Normalität zu schenken, indem wir gemeinsam Zeit verbringen.»
Agnes von Wyl, Leitung Fachgruppe Klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie am Dept. Angewandte Psychologie | Im Nebenfach Ethnologie habe ich während meines Studiums mitbekommen, wie unglaublich unterschiedlich Normalität in verschiedenen Kulturen definiert wird – in einer Ethnie ist es normal, wenn Männer Mais anpflanzen und in der anderen ist es normal, wenn Frauen Mais anpflanzen. Daran denke ich, wenn mir etwas nicht normal erscheint.
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