«Zur Diplomatin für Geflüchtete geworden»
Die Flüchtlingsbewegung im Herbst 2015 war der Auslöser für ihre berufliche Neuorientierung: «Es ist doch nur Zufall und Glück, dass ich hier in der Schweiz geboren wurde», sagte sich Christina Gräni. Sie begann von ihrem Wohnort Fribourg aus Geldmittel für eine Hilfsorganisation zu organisieren, die in griechischen Flüchtlingslagern tätig war, und half auch selbst während zehn Tagen dort aus. Und das alles neben ihrem Job: «Das passierte so aus dem Moment heraus.»
Mit prägenden Eindrücken kehrte sie aus Griechenland zurück in ihr «normales Leben», wie sie es nennt: Sie war damals mit ihrer eigenen Firma als Grafikerin in der Werbe- und Designbranche tätig. «Kurz gesagt, ich hatte bisher mit meiner Arbeit die Welt verschönert», sagt sie. Nun wollte sie die Welt mit ihrer Arbeit ein bisschen besser machen.
Weiterbildung für Berufswechsel
Für internationale Themen und Politik hatte sie sich schon immer interessiert. Sie entschied sich, den CAS Foreign Affairs und Applied Diplomacy der School of Management and Law zu absolvieren. Der Lehrgang vermittelt Wissen, das für ein Agieren auf dem internationalen Parkett notwendig ist. «Ich sah die Weiterbildung als einen Schritt für einen Wechsel von Beruf und Branche an», sagt sie.
In der Themenrecherche für ihre Abschlussarbeit für den CAS stiess sie dann auf Powercoders. Die Non-Profit-Organisation bildet qualifizierte Geflüchtete in der Schweiz zu IT-Fachkräften aus. Nur ein Jahr nach Abschluss des CAS konnte sie bei Powercoders als Verantwortliche für Public Relations und Kommunikation starten. Das war im Jahr 2019.
Beitrag zur beruflichen Integration
Sie könne nun etwas dazu beitragen, dass die hier in der Schweiz aufgenommenen Geflüchteten sich beruflich integrieren und aus der Sozialhilfeabhängigkeit lösen könnten, sagt die 43-Jährige. «Diejenigen, die sich bei uns ausbilden lassen, sind schon gut qualifiziert», sagt Gräni. Sie haben einen Master oder einen Bachelor in Ingenieurwesen oder einem naturwissenschaftlichen Fach, haben Informatik studiert oder sind in ihrem Herkunftsland als Lehrer tätig gewesen – jedoch mit Abschlüssen, die das Schweizer System nicht anerkennt. Sie versuche, Brücken zu bauen zwischen diesen Menschen und der Schweizer Arbeitswelt. Das braucht geschicktes Verhandeln, will man IT-Unternehmen für das Projekt gewinnen. Denn Gräni ist auch mit im Team, das neue Partnerfirmen anwirbt.
Sie möchte mit ihrer Kommunikationstätigkeit auch sensibilisieren und Vorurteile in der Gesellschaft abbauen; das sei herausfordernd. Mit dem Schicksal der Geflüchteten persönlich umzugehen, habe sie erst lernen müssen; diese Geschichten gingen ihr sehr nahe. Es sei unvorstellbar, was diese Menschen auf ihrer Flucht in die Schweiz durchgemacht hätten, sagt sie.
Komplexität internationaler Beziehungen verstehen
Was sie vom CAS mitgenommen hat in ihre Tätigkeit? «Ich bin eigentlich eine Diplomatin für Geflüchtete geworden», sagt sie. Der CAS habe die internationalen Zusammenhänge und Konflikte für sie verständlicher werden lassen. «Die Migrationspolitik ist kompliziert – und ich habe erfahren, warum sie kompliziert ist.» Der interkulturelle Aspekt habe im CAS auch einen grossen Stellenwert gehabt und sei in Rollenspielen geübt worden. Nein zu sagen, gilt beispielsweise in anderen Kulturen als unhöflich und wird als Antwort vermieden, um das Gegenüber nicht zu verletzen. «Ein Ja bedeutet nicht in jeder Kultur dasselbe Ja wie bei uns», verdeutlicht sie.
Der nächste CAS Foreign Affairs & Applied Diplomacy startet am 5. März 2021.
Weitere Informationen unter: bit.ly/3k2yEqS
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