Nachhaltigkeit

Ein zweites Leben für E-Bike-Akkus

20.09.2022
3/2022

Die Herstellung und das Recycling von Lithiumbatterien benötigen viel Energie. Forschende der ZHAW unterstützten eine Startup-Firma mit einer überzeugenden Lösung für gebrauchte Akkus von Elektrovelos.

In Winterthur verkehren zwei kleine Elektrofahrzeuge für den Strassenunterhalt, die mit Zellen von ehemaligen E-Bike-Akkus betrieben werden. Die Batterien stammen von der jungen Firma Libattion in Glattbrugg. Mit einem patentierten Verfahren kann das Startup diagnostizieren, welche Zellen eines Lithium-Akkus noch eine gute Leistung erbringen und welche schwächeln. In der Regel funktionieren rund 60 Prozent davon weiterhin einwandfrei. Daraus stellt das Unternehmen neue Batterien her, die in kleinen Elektrofahrzeugen ein zweites Leben erhalten – etwa in Reinigungsmaschinen, Rollstühlen, Scooters oder eben Gemeindefahrzeugen. Sonst würden diese Zellen rezykliert.

Bessere Ökobilanz als neue Batterien

Obwohl die Lebensdauer dieser Second-Life-Batterien kürzer ist als diejenige von neuen, lässt eine Studie nun auf eine deutlich bessere Ökobilanz schliessen: Über den gesamten Produktezyklus hinweg sollen die Auswirkungen auf die Umwelt 70 bis 80 Prozent geringer ausfallen, wie Forschende der ZHAW herausgefunden haben. Sie haben 18 Parameter unter die Lupe genommen – von der Förderung der Rohstoffe über die Feinstaubemissionen, den Wasser- und Energieverbrauch bis zu den Auswirkungen auf die Gesundheit. Die Upcycling-Batterien erwiesen sich durchs Band weg als umweltfreundlicher. Der Verbrauch fossiler Energien zum Beispiel soll 80 Prozent kleiner sein, derjenige von Wasser sogar 95 Prozent.

«Die Weiterverwendung ist sinnvoll, da die Infrastruktur für das Batterie-Recycling in Europa noch nicht weit gediehen ist. Die neue Technologie gibt uns Zeit für den Aufbau.»

Grégoire Meylan, ZHAW 

Recycling erst am Anfang

Der Hauptgrund für den frappanten Unterschied ist, dass die Herstellung von Lithiumzellen meist in China erfolgt, erklärt Projektleiter Grégoire Meylan vom Center for International Industrial Solutions der School of Management and Law. «Das benötigt unglaublich viel <dreckige> Energie.» Der Umweltwissenschaftler ist aber noch vorsichtig mit seinen  Aussagen, weil die Resultate zuerst in einer sogenannten Peer Review überprüft werden müssen. Die Weiterverwendung sei jedoch sicherlich sinnvoll, weil die Infrastruktur für das Batterie-Recycling in Europa noch nicht weit gediehen ist, sagt Meylan. «Die neue Technologie gibt uns Zeit für den Aufbau.» Denn bereits heute erreichen jährlich rund 12’000 E-Velo-Akkus ihr Lebensende. Mit dem aktuellen E-Bike-Boom wird die Menge in Zukunft deutlich ansteigen. Und auch Second-Life-Batterien müssen irgendwann entsorgt werden, wie Meylan erklärt. «Ein drittes Leben ist eher unrealistisch.»

Das im Mai abgeschlossene Projekt wurde von der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung Innosuisse unterstützt und in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule durchgeführt, welche für technische Optimierungen zuständig war. Auch das Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft des Kantons Zürich (AWEL) war begleitend sowie mit einem finanziellen Beitrag dabei.

Daten zum Funktionszustand über WLAN

Die Forschenden der ZHAW hatten zudem die Aufgabe, das Potenzial verschiedener Geschäftsmodelle abzuschätzen. Denn statt die Batterien ausschliesslich zu verkaufen, will die Firma Libattion auch eine Miete oder eine sogenannte Pay-per-Use-Lösung anbieten. Bei letzterer Variante zahlen die Kunden die Batterie nur, wenn sie in Gebrauch ist, und profitieren gleichzeitig von Serviceleistungen. Hierfür wird die Batterie mit einem Chip versehen, der über WLAN Daten zum Funktionszustand liefert. Auf einer Online-Plattform kann die Startup-Firma Libattion zum Beispiel einsehen, wie viel Strom für eine Ladung benötigt wird, wie weit das Elektromobil damit fahren kann, wie schnell sich der Akku auch im Ruhezustand entlädt oder wie stark er sich erwärmt.

«Bei der Pay-per-Use-Lösung zahlen die Kunden die Batterie nur, wenn sie in Gebrauch ist.»

Stefan Bahamonde, Geschäftsführer Libattion

«So können wir den <Gesundheitszustand> unserer Produkte auf dem Markt überwachen», sagt Geschäftsführer Stefan Bahamonde. Zudem plane man, bessere Garantie-Leistungen anzubieten. «Damit wollen wir bei unseren Kunden das Vertrauen in unsere Produkte steigern.» Die Untersuchung der ZHAW umfasste Gemeinden mit einer besonderen Affinität zum Thema Energiesparen, aber auch Hersteller sowie Importeure und Wartungsfirmen von Elektrofahrzeugen. Es zeigte sich, dass alle Teilnehmenden vom Potenzial von Second-Life-Batterien überzeugt sind, aber vor allem die letztere Gruppe an den neuartigen Serviceleistungen interessiert ist.

Alte Autobatterien speichern Solarstrom

Beim Upcycling von E-Bike-Batterien ist die Firma Libattion mit rund 20 Mitarbeitenden in der Schweiz bisher ohne Konkurrenz. Sie erhält die ausgedienten Akkus von der Firma Batrec Industrie im bernischen Wimmis, die sich auf die Weiterverarbeitung von Batterien, Aktivkohle und Quecksilber spezialisiert hat. Das Recycling nicht wiederverwendbarer Zellen wird über die vorgezogene Recyclinggebühr finanziert. 

«Die Erfahrungen sind durchwegs positiv. Für das Produkt sprechen zudem die grosse CO₂-Einsparung sowie der günstige Preis.»

Peter Hirsiger, Leiter des Strasseninspektorats der Stadt Winterthur

Ein weiteres Projekt der Firma Libattion ist das Upcycling von Lithiumbatterien aus Autos. Sie kommen zum Beispiel in grösseren Batterien zum Einsatz, welche für die Speicherung von überschüssigem Solarstrom verwendet werden. Damit können Besitzende einer Photovoltaikanlage auch nach Sonnenuntergang eigene Elektrizität nutzen. Bei diesem Projekt arbeitet Libattion mit der Firma Librec im solothurnischen Biberist zusammen, die sich auf die Rückgewinnung von Rohstoffen in Autobatterien spezialisiert hat. 

Winterthur ist zufrieden

Die beiden Elektrofahrzeuge in Winterthur, die Geräte für den Strassenunterhalt transportieren, sind auch nach Projektabschluss noch in Betrieb und legen täglich rund 80 Kilometer zurück. Sollten dereinst neue Batterien angeschafft werden müssen, würden Second-Life-Modelle sicher in die engere Wahl fallen, sagt Peter Hirsiger, Leiter des Strasseninspektorats: «Die Erfahrungen sind durchwegs positiv. Für das Produkt sprechen zudem die grosse CO₂-Einsparung sowie der günstige Preis.»

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