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Was beim Energiesparen hilft

Informieren, belohnen, schubsen

06.12.2022
4/2022

Stromsparen ist das Gebot der Stunde. Im Hinblick auf einen potenziellen Energiemangel wurden zahlreiche Kampagnen gestartet, um die Bevölkerung fürs Energiesparen zu motivieren. Doch ist der Mensch überhaupt auf freiwilligen Verzicht gepolt?

Den Kühlschrank wärmer stellen, die Kaffeemaschine ausschalten, dreimal tägliches Stosslüften und die Raumtemperatur senken – diese und weitere Tipps begegnen uns derzeit ständig. Damit sollen wir beitragen, dass die Schweiz nicht in eine Energieschieflage gerät. Der Geist ist dabei oft willig, aber umgesetzt werden die Massnahmen dann doch nicht. Was bringt uns also dazu, effektiv Energie zu sparen?

Folgen aufzeigen

Umweltpsychologin Cathérine Hartmann, die an der ZHAW in den Bereichen nachhaltige Mobilität, Ernährung, Konsum und Energieverbrauch forscht und lehrt, vergleicht die Energiesparsituation mit dem Maskentragen während der Corona-Pandemie: Einerseits sei das Thema relevant gewesen, weil es um Leben und Tod ging. Andererseits hing das Funktionieren der Gesellschaft davon ab, dass alle – oder zumindest sehr viele – mitmachten und letztendlich auch dazu verpflichtet wurden. «Es gilt, die Relevanz des Themas Energiesparen aufzuzeigen, aber auch die Konsequenzen des Nichtstuns – es muss klar sein, dass es dann andere Einschränkungen geben wird.» So könne mit den richtigen Argumenten jede Person motiviert werden. «Natürlich müssen diese Botschaften individuell angepasst werden – denn Personen befinden sich bezüglich ihres Wissens auf unterschiedlichen Niveaus.» 

Freiwillig sparen?

Im Gegensatz zur Maskenpflicht ist das Energiesparen derzeit noch freiwillig – ein funktionierendes Konzept? Gemäss einer Studie von Jürg Rohrer, Leiter der ZHAW-Forschungsgruppe Erneuerbare Energien, eher nicht: Diese kommt zum Schluss, dass zwar durch sehr ambitionierte, freiwillige Entscheidungen die Treibhausgas-Emissionen einer durchschnittlichen in der Schweiz wohnhaften Person um etwas mehr als die Hälfte reduziert werden könnten. Bei realistischer Betrachtung kann aber höchstens ein Drittel dieser ambitionierten Massnahmen durch Eigenverantwortung umgesetzt werden, was die Wirkung auf etwa 20 Prozent der erforderlichen Reduktion limitiert. 

«Wir Menschen sind Gewohnheitstiere, um uns auf den richtigen Weg zu bringen, braucht es Anreize, Tipps reichen nicht.»

Cathérine Hartmann, Umweltpsychologin

Für die Umweltpsychologin ist ebenfalls klar: Nur auf die Eigenverantwortung zu setzen, funktioniert nicht. «Dies erfordert ein sehr hohes Mass an Verantwortungsbewusstsein, und die persönliche ökologische Norm muss stark ausgeprägt sein.» Doch das Leben verlaufe selten gradlinig, und so kämen wir uns immer wieder selber in die Quere. «Wir Menschen sind Gewohnheitstiere, um uns auf den richtigen Weg zu bringen, braucht es Anreize – es reicht nicht, Tipps zu publizieren.»

Höherer Preis, weniger Energieverbrauch

Wie viel konsumiert wird, hängt auch vom Preis ab. Und da die Strompreise in der Schweiz stark steigen dürften, könnte auch das dazu beitragen, dass wir Energie sparen. Nina Boogen ist Umwelt- und Energieökonomin an der ZHAW und hat mit einer Forschungsgruppe über fünf Jahre lang den Stromverbrauch von 5000 Haushalten in der Schweiz untersucht. Mit dem Ergebnis: Steigt der Strompreis, sparen die Haushalte Energie. «Kurzfristig können Haushalte vor allem über ihr Verhalten auf eine Strompreiserhöhung reagieren. Langfristig sehr wirksam ist beispielsweise, den Kühlschrank zu ersetzen oder auf eine andere Heizung zu setzen», so Boogen. Letzteres funktioniere vor allem bei Wohneigentum, bei Mietwohnungen sehe es anders aus. «Mietende sparen nur dann Strom, wenn die Eigentümerin bereit ist, in neue, sparsamere Geräte zu investieren.» Die Eigentümerin davon zu überzeugen, Änderungen vorzunehmen, sei aufwendig und für Laien oft nicht einfach. «Zudem ist das Optimierungspotenzial nicht bei allen Haushalten gleich hoch: Wo viel konsumiert wird, kann einfacher gespart werden.» Ebenso weiss die Ökonomin, dass nicht alle Haushalte gleich preissensibel sind. 

«Viele können gar nicht einschätzen, wie viel der Einsatz von LED-Lampen oder das Einstellen des Kühlschranks auf sieben Grad bringt.»

Nina Boogen, Umwelt- und Energieökonomin

Dass wir uns plötzlich mit dem Strompreis auseinandersetzen, hat auch mit dem Bewusstsein zu tun. «Durch die Medienberichte und den Appell des Bundesrats ist das Thema in unseren Fokus gerückt.» Für Boogen fehlt dabei aber etwas Entscheidendes: «Das Wissen, welche Massnahme wie viel bringt.» Viele könnten gar nicht einschätzen, wie viel der Einsatz von LED-Lampen, das Lichtlöschen oder das Einstellen des Kühlschranks auf sieben Grad bringe. «In Sachen Klimaschutz ist es für Einzelpersonen schwierig einzuschätzen, ob sie nun lieber vegetarisch leben oder auf das Fliegen verzichten – vielfach wird der Einfluss kleiner Massnahmen überschätzt», so Boogen.  `

Der Massnahmen-Mix machts

Hartmann und Boogen sind sich hinsichtlich funktionierender Massnahmen für langfristig geringeren Energieverbrauch einig: Es braucht eine Kombination. Dazu gehören Eigenverantwortung, Information, Belohnungsanreize, Preisanpassungen und Beratungen. Den Menschen zu einem nachhaltigen Verhalten zu lenken, kann auch durch eine Art «schubsen» in die richtige Richtung geschehen – im Fachjargon spricht man von nudging: «Dies umfasst beispielsweise Kühlschränke, die vom Hersteller auf sieben Grad eingestellt sind, oder grünere Stromprodukte als Standardangebot.»

Den Gewinn beim Sparen betonen

Gemäss Hartmann kann dies auch von Organisationen genutzt werden, beispielsweise um die Gäste in der Mensa auf das vegetarische Essen zu lenken oder indem man den Lift so einstellt, dass er langsamer fährt. «So ist man mit der Treppe schneller und gesünder unterwegs, kann aber frei wählen, wie man in die oberen Stockwerke kommt.» Als wichtig erachtet die Umweltpsychologin auch das Gemeinschaftsgefühl: «Wenn wir als Gruppe oder Verein Energie sparen, sind wir viel mehr als der kleine Fisch im grossen Ozean.» Ebenso solle beim Energiesparen nicht von Verzicht oder Verlust gesprochen werden. «Rhetorisch ist es wichtig, den Gewinn zu betonen, beispielsweise dass wir auch in 30 Jahren noch ein gutes Leben für alle ermöglichen können.» Dies sei mindestens so relevant wie jetzt ein warmes Haus zu haben und macht einen angepassten Konsum nötig. «Aber leider bewerten wir viel stärker, was wir im Hier und Jetzt haben oder nicht haben – das sind unsere kognitiven Barrieren.» 

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