Vom Rüebli-Retter zum Startup-Gründer
Früher hat Philipp Osterwalder Rüebli gerettet. Heute sorgt er dafür, dass Pflanzen ideales Licht bekommen. Der 34-Jährige hat zwei Startups mitgegründet und setzt sich für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion ein.
Es sind grosse Themen, die Philipp Osterwalder umtreiben: Natur, Gesundheit, Mensch und Klima. Hier will er etwas bewegen. Er gerät ins Feuer, wenn er von seinen Zielen erzählt in einem Coworking Space an der Zürcher Hardturmstrasse, wo er hauptsächlich arbeitet.
Mit Ende zwanzig entschied der gelernte Chemielaborant, sich an der ZHAW zum Umweltingenieur ausbilden zu lassen. Das Studium ermöglichte ihm neue Kontakte und Projekte. Zusammen mit Dominik Waser vom Verein Grassrooted, der mit ihm studierte, rettete er vor ein paar Jahren 30 Tonnen Rüebli vor der Entsorgung.
30 Tonnen Rüebli gerettet
Ein Weinländer Bauer konnte seine Bio-Rüebli nicht wie geplant einem Grossverteiler verkaufen, weil das Gemüse nicht in die vorgesehene Verpackung passte. Osterwalder arbeitet zu der Zeit bei Biotta und fand, die Rüebli sollten zu Saft verarbeitet werden. Ein Wochenende lang rechnete er alles durch. Damit überzeugte er die Verantwortlichen, und die Karotten gelangten als Saft doch noch in die Regale des Grossverteilers. Trotzdem ist Osterwalder nicht ganz zufrieden: «Weil nicht alle Beteiligten auf ihre Margen verzichteten, kostete unser Saft mehr als der gewöhnliche. So liess er sich schlechter verkaufen.» Das ärgert ihn noch heute.
Zeit gewinnen und Fehler vermeiden
Wenn Osterwalder ein Problem sieht, packt er es an. Zusammen mit Mitstudenten und Kollegen einer Digital-Agentur gründete Osterwalder 1LIMS, ein Startup, dessen Geschäftsführer er heute ist. Da Osterwalder Einblick in die Labors vieler Branchen hatte, erkannte er, dass die Qualitätssicherung noch zu verbessern wäre.
Statt Proben mit Stift und Papier, Excel-Listen und mühsamen Übertragungen zu erfassen, bietet 1LIMS eine Software, die alle Qualitätsschritte vereint. «Wir helfen Labors und Qualitätskontrollen, Zeit zu gewinnen und Fehler zu vermeiden», sagt Osterwalder. Der Vorteil zu bisherigen Produkten bestehe darin, dass die Kunden die Software selber zusammenstellen und anpassen könnten — ohne teure Unterstützung der Entwickler.
«Wir helfen Labors und Qualitätskontrollen, Zeit zu gewinnen und Fehler zu vermeiden.»
Heute hat 1LIMS zehn Mitarbeitende und ist gefragt: «Eigentlich hatten wir kleinere und mittlere Unternehmen im Visier», sagt Osterwalder. «Gemeldet haben sich Grosskunden wie der Fleischverarbeiter Micarna oder die Pommes-Chips-Hersteller Zweifel.» Unterdessen wird die Software für die Qualitätssicherung von unterschiedlichen Produkten verwendet, von Lebensmitteln über Kunststoffe bis zu Hygieneprodukten.
Gemüse für Astronauten
Neben Startup und Teilzeitstudium packte Osterwalder noch ein weiteres Projekt an. Eines, das hoch hinauswollte. Für ein internationales Studentenprojekt des Swiss Space Center beschäftigte sich Osterwalder mit der Nahrungsmittelproduktion im All.
Dafür entwickelte er mit weiteren Studierenden einen Gemüseautomaten. Im weiss designten Kasten können Kiwis, Reis, Kräuter und Gemüse wachsen — ganz ohne Erde. Im geschlossenen System beziehen die Pflanzen ihre Nährstoffe aus dem Wasser, das von oben nach unten durch den Automaten läuft. Nicht nur Astronauten könnten sich so von frischem Gemüse ernähren. Der Automat eigne sich auch für Restaurants oder Grossküchen, sagt Osterwalder.
Wegen Corona fiel die publikumswirksame Präsentation des Automaten 2020 ins Wasser. Heute steht er in Wädenswil an der ZHAW — ausser Betrieb. Osterwalder ist dennoch drangeblieben. Die Leuchten, die für das Projekt entwickelt wurden, stehen im Zentrum des ZHAW-Spin-offs Aurora. Osterwalder ist dort für die Geschäftsentwicklung zuständig.
Lampen simulieren Licht aus Herkunftsländern
Die Lampen können die Lichtverhältnisse der Herkunftsländer der Pflanzen simulieren und so das Maximum aus ihnen herausholen. Sie sind primär in Forschungsprojekten zur vertikalen Landwirtschaft im Einsatz — auch an der ZHAW, für die Osterwalder als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig ist.
Es sei eine Frage der Organisation, all seine Engagements unter einen Hut zu bringen, sagt Philipp Osterwalder. Zu seiner Wochenplanung gehören auch Sport und ein Digital-Detox-Tag, den er oft in der Natur verbringt. Ebenfalls helfe ihm, dass er in Kreuzlingen wohnt, wo er aufgewachsen ist. Der Wechsel aufs Land erde ihn.
Mehr Transparenz in der Lebensmittelproduktion
Eine Vision von Osterwalder ist, die gesamte Lebensmittelproduktion transparenter zu gestalten. Künftig könnte ein QR-Code auf einem Produkt zeigen, woher es stammt und welche Preise effektiv involviert sind. Die Schweiz sieht er prädestiniert als Kompetenzzentrum für neuartige Landwirtschaft in Zusammenarbeit mit Technologien. Dafür greifen seine verschiedenen Standbeine ineinander, sagt Osterwalder: seine zwei Startups, sein Studium wie auch seine Erfahrung als Laborant.
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