Die Kunst relevanter Bildung
Die Fähigkeit, kontinuierlich neues Wissen zu erwerben und sich anzupassen, ist entscheidend, um unternehmerisch zu denken und zu handeln. Doch wie können solche Fähigkeiten erfolgreich vermittelt werden? Antworten im Interview mit Alessandro Maranta, Leitung Fachgruppe Bildungsangebote im Ressort Bildung der ZHAW.
Alessandro Maranta, inwiefern hängen lebenslanges Lernen und eine unternehmerische Denkweise zusammen?
Alessandro Maranta: Wer nicht bereit ist, ein Leben lang immer wieder Neues zu lernen und auszuprobieren, wird nicht unternehmerisch denken können.
Woran machen Sie das fest?
Unternehmerisches Denken ist die Kunst, Altes und Neues geschickt zu kombinieren. Es ist mit einer Stadt vergleichbar, in der einiges beständig ist, wie Strassen oder historische Viertel, und anderes nach wenigen Jahren nicht wiederzuerkennen ist, weil Gebäude abgerissen und Pärke umgebaut wurden. Eine Stadt verändert sich ständig und schafft neue Zusammenhänge. Es braucht eine lebenslange Bereitschaft, solche Zusammenhänge verstehen und gestalten zu wollen und darin die Chancen und Risiken zu erkennen. Das Beispiel veranschaulicht für mich, wie man nachhaltig unternehmerisch und innovativ denken und handeln soll.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Gestaltung entsprechender Bildungsangebote zu beachten?
Einmal gut ausgebildet bedeutet nicht, dass man für immer gut ausgebildet ist. Zum einen verändern sich Wissen sowie Kompetenzen, sie haben unterschiedliche Halbwertszeiten. Zum anderen können wir die individuellen Berufskarrieren und unternehmerischen Herausforderungen nicht im Einzelnen vorhersehen. Curriculum-Entwicklung ist daher die Kunst, die unterschiedlichen Entwicklungen von Wissenschaft, Praxis, Trends und individuellen Bildungsverläufen aufeinander abzustimmen.
Welche Ziele möchte die ZHAW mit dem Angebot für lebenslanges Lernen erreichen?
Wir stimmen in unseren Bildungsangeboten die Lebenszyklen relevanter Kompetenzen und die Halbwertszeit von Wissen mit der Lebensdauer von Ausbildungen und den Bildungsbiografien von Einzelnen ab. Mit unseren Bachelor- und Masterstudiengängen sowie Weiterbildungen realisieren wir Bildungsangebote, die nahe an den Menschen sind und ihren vielfältigen Lebens- und Berufsphasen gerecht werden.
«Didaktisch gab es in den letzten Jahrzehnten einen Perspektivenwechsel, den sogenannten shift from teaching to learning, also hin zur Kompetenzorientierung.»
Didaktisch gab es in den letzten Jahrzehnten einen Perspektivenwechsel, den sogenannten «shift from teaching to learning», also hin zur Kompetenzorientierung. Politisch gesehen haben die Förderung der Berufs- und Anwendungsorientierung sowie der Bedarf von Fachkräften mit Hochschulbildung den Fachhochschulen einen riesigen Aufschwung ermöglicht. Zudem befinden sich Arbeitswelten und Karrieremodelle im Wandel, worauf wir unsere Bildungsangebote ausrichten. Vor diesem Hintergrund erhalten Bildungsangebote einen neuen Stellenwert, denn gut ausgebildete Fachkräfte sind ein kostbares Gut.
Wie stellen Sie sicher, dass Bildungsangebote relevant sind?
Es sind vor allem die Studiengangleitungen und Dozierenden, die mit ihrem Qualitätsbewusstsein und ihrer Nähe zum Themengebiet dafür sorgen, dass ihr Bildungsangebot aktuell bleibt. Sie beurteilen regelmässig, wie sich ihr Umfeld verändert und welche Kompetenzen relevant sind.
«Doch nicht nur aktuell nachgefragte Fachkompetenzen sind relevant, es braucht auch überfachliche Kompetenzen, sogenannte Future Skills.»
Doch nicht nur aktuell nachgefragte Fachkompetenzen sind relevant, es braucht auch überfachliche Kompetenzen, wie den Umgang mit unterschiedlichen Kommunikations- und Medienformen oder Projektmanagement. Solche Kompetenzen werden auch unter dem Begriff Future Skills zusammengefasst. Mit diesem Kompetenzmix fördern wir nachhaltig unternehmerisches und innovatives Denken sowie Handeln. Dazu gehört auch ein interdisziplinärer Austausch.
Wie implementieren Sie das im Bildungsangebot der ZHAW?
Wir wollen unseren Studierenden individuelle Freiräume ermöglichen, sie aber gleichzeitig nicht allein lassen und sichergehen, dass sie die nötigen Kompetenzen erhalten. Im Ressort Bildung stärken wir kontinuierlich die Grundlagen, um vermehrt interdepartementale Module und Studiengänge zu ermöglichen. Dabei legen wir unseren Fokus auf die Organisation von Bildungsmanagement über verschiedene Abteilungen, Institute oder Zentren hinweg und beseitigen organisationale Hürden. Mit guten Rahmenbedingungen wollen wir die Offenheit in der Bildung gewährleisten und einer fachlichen Zementierung von Wissen entgegenwirken.
Welche zukünftigen Trends und Entwicklungen im Bereich lebenslanges Lernen und Entrepreneurship sehen Sie?
Die demografische Entwicklung, die anhaltende Migration, der Klimawandel oder das Wiedererstarken von Autokratien, aber auch die Digitalisierung unterstreichen die Notwendigkeit, für gut ausgebildete Fachpersonen zu sorgen und zu einer aufgeschlossenen Gesellschaft beizutragen. Global bedeutet das, demokratisch und mit liberaler Offenheit in stetig lernenden Gesellschaften diese Herausforderungen anzugehen. Die ZHAW leistet zu dieser unabdingbaren weltumspannenden Kooperation ihren Teil. Wir zeigen unseren Angehörigen, dass Offenheit die partnerschaftliche fachübergreifende Kooperation unterstützt und innovatives Denken und Handeln stärkt. Selbst etwas dazu beizutragen, erfüllt mich mit Freude und Genugtuung.
Zur Person
Alessandro Maranta ist ein langjähriger Experte im Bereich Bildung und lebenslanges Lernen. Als Leiter der Fachgruppe Bildungsangebote im Ressort Bildung der ZHAW trägt er massgeblich dazu bei, die Qualität und Relevanz der angebotenen Programme zu steigern und sie an die sich wandelnden Bedürfnisse des Arbeitsmarktes anzupassen.
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