Landschaft mit Bahngleis und Brücke

Ein Fahrplan zur Klimaneutralität

17.11.2025
2/2025

Hinter dem Begriff Netto-Null verbirgt sich in der Praxis vor allem das Ziel einer massiven Reduktion von Treibhausgasen. Das betrifft Gesellschaft und Wirtschaft in der Schweiz. Die Umsetzung in einem Unternehmen ist nicht einfach.

In 25 Jahren soll in der Schweiz das sogenannte Netto-Null-Ziel erreicht werden: Bis dann dürfen «nicht mehr Treibhausgase ausgestossen werden, als durch natürliche und technische Speicher aufgenommen werden können», erläutert das Bundesamt für Umwelt (BAFU). Heute werden gemäss Treibhausgasinventar des BAFU jährlich rund 40 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt, vor allem CO2, Methan und Lachgas. Natürliche Speicher wie der Schweizer Wald nehmen allerdings pro Jahr nur zwischen 2,5 und 4 Millionen Tonnen CO2 auf. Und diese Speicherleistung der Natur ist in den letzten 35 Jahren gesunken. Grund ist der Klimawandel mit seinen Wetter-Extremereignissen.

Auch die technische Abscheidung und Speicherung für schwer reduzierbare Emissionen ist vorgesehen – in der Praxis existieren solche Anlagen aber noch nicht. «Man träumt in der Schweiz wie in anderen Ländern davon», sagt Jürg Rohrer, Leiter der Forschungsgruppe Erneuerbare Energien am Departement Life Sciences und Facility Management: «Diese technischen Speicher sind meiner Meinung nach eine Scheinlösung: Es lässt sich einfach zeigen, dass sie in den benötigten Dimensionen schlichtweg nicht finanzierbar sind. Ehrlicher wäre, 90 bis 95 Prozent der Emissionen wegzubringen.»

«In allen Firmen gibt es Bereiche, wo sich CO2 sehr gut reduzieren lässt.»

Jürg Rohrer, Leiter Forschungsgruppe Erneuerbare Energien am Departement Life Sciences und Facility Management

Netto-Null für Unternehmen

Das Klima- und Innovationsgesetz (KIG), das seit Anfang Jahr in Kraft ist, dreht sich um dieses Netto-Null-Ziel. Es richtet sich auch an Unternehmen: «Alle Unternehmen müssen spätestens im Jahr 2050 netto null Emissionen aufweisen.» Für Unternehmen, Organisationen und auch Behörden heisst dies: Sie müssen ihren CO2-Ausstoss deutlich vermindern. Und das sei möglich, sagt Rohrer: «In allen Firmen gibt es Bereiche, wo sich CO2 sehr gut reduzieren lässt.» Bereiche, wo entsprechende Technologien verfügbar sind und sich die CO2-Einsparung auch finanziell lohnt.

Doch wie geht ein Unternehmen konkret vor, um zu diesem Ziel beizutragen und auch von staatlicher Förderung zu profitieren? Wie sieht der Fahrplan zur CO2-Reduktion aus, wie gestaltet sich das Treibhausgasmanagement im Unternehmen und welche Massnahmen sind sinnvoll? Solche Fragen behandelt die neu lancierte CAS-Weiterbildung «Netto-Null in der Praxis», die Rohrer zusammen mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Muriel Siegwart leitet.

Von der Bestandesaufnahme zur Massnahmendefinition

Am Anfang steht eine Bestandesaufnahme: Wie viele Emissionen werden im Unternehmen überhaupt generiert und in welchen Bereichen? Anschliessend muss ein System aufgegleist werden, um Emissionen über die Zeit verfolgen zu können. Es werden Parameter und Zwischenziele definiert, um sich in diesem Prozess zu orientieren und Verbesserungen zu registrieren. Für ein solches sogenanntes Treibhausgasmanagement gibt es internationale Standards.

Basierend auf diesen ersten Schritten werden Massnahmen definiert, um diese Ziele zu erreichen. Je nach Firma und Branche sind diese sehr unterschiedlich: Ein Industriebetrieb hat andere Einsparmöglichkeiten als eine Beratungsfirma oder eine Verwaltung. Die grössten Herausforderungen für Unternehmen sieht Rohrer in den Bereichen Hochtemperatur-Prozesswärme sowie Mobilität und Transport.

Es gelte, knappe Ressourcen möglichst effektiv einzusetzen, sagt er und nennt ein Beispiel: Ein Gebäude könne mit Holzenergie beheizt werden. «Doch das ist nicht sinnvoll, denn mit Holz lässt sich auch 200 bis 300 Grad Prozesswärme erzeugen.» Fürs Heizen sei eine Wärmepumpe in der Regel die bessere Lösung.

Inspiration durch Vernetzung

Ziel des CAS sei auch, dass sich die Teilnehmenden untereinander und mit ZHAW-Partnerorganisationen austauschen können. Sie könnten auch Einsparbeispiele aus der eigenen Firma in die Weiterbildung einbringen. So gebe es zum Beispiel Unternehmen, die eine Art CO2-Kasse führen, erzählt Rohrer: Wenn Mitarbeitende geschäftlich reisen, dann müssen die betreffenden Abteilungen entsprechend dem so verursachten CO2-Ausstoss in diese Kasse einzahlen. Das Geld werde dann für CO2-Massnahmen eingesetzt, die sich sonst nicht rentieren würden. Das sporne auch dazu an, Reisen auf ihre Notwendigkeit zu hinterfragen.

Im Vergleich zum Jahr 1990 müssten die Emissionen bis 2050 um 90 Prozent gesenkt werden – aktuell sind es gut ein Viertel weniger. Ist das Ziel Netto-Null bis 2050 vor diesem Hintergrund überhaupt realistisch? Diese Frage stelle sich eigentlich gar nicht, sagt Rohrer. «Im Moment haben wir zwar leider einen Rückschlag, was das Thema Umwelt in der Öffentlichkeit anbelangt.» Doch das Ziel müsse einfach erreicht werden – in der reichen Schweiz mit überdurchschnittlichen Emissionen eigentlich schon vorher.

Im CAS gehe es auf einer übergeordneten Ebene auch um das Verhältnis zur Natur: «Wir Menschen sollen uns als Teil der Natur sehen und nicht als Beherrscher. Das haben wir lange probiert und sind daran gescheitert.» Die Weiterbildung wolle diese Haltung vermitteln: Wenn es der Natur gut geht, dann geht es auch dem Menschen gut.

 

Infos und Anmeldung

Weitere Informationen zum CAS Netto-Null in der Praxis auf der Website der ZHAW.

Zusätzliche Weiterbildungen gegen den Klimawandel

Life Sciences und Facility Management

CAS Energiemanagement

Energiekonzepte, Steuerungsautomation, Versorgungssicherheit: Das Netto-Null-Ziel steht auch bei Gebäuden im Vordergrund. Beim CAS Energiemanagement werden die fachlichen Grundlagen zur energetischen Optimierung von Immobilien gelernt – für Expertise im Stromsparen, Energiecontrolling und beim Einsatz von erneuerbaren Energien.

School of Management and Law

CAS Klimastrategien

Das grosse Ganze im Blick: Wie Klimaschutz und Klimaanpassung wirkungsvoll gestaltet werden, behandelt der CAS Klimastrategien.

CAS Biodiversitätsstrategien

Risiken erkennen, Chancen ergreifen, Verantwortung übernehmen: Im CAS Biodiversitätsstrategien lernen Teilnehmende Rolle und Risiko einer Organisation zu erfassen, eine Biodiversitätsstrategie aufzubauen und sie umzusetzen. 

School of Engineering

CAS Energiesysteme für klimaneutrale Areale und Quartiere

Im CAS Energiesysteme geht es darum, Energiesysteme für Areale und Quartiere ganzheitlich und abgestimmt auf die Netto-Null-Ziele zu entwickeln. Behandelt werden Schlüsseltechnologien und deren Verknüpfung zu effizienten Systemen, strategische Energieplanung sowie Geschäftsmodelle für die Umsetzung. 

Aufmacherbild: Adobestock/Bernhard

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