Bäume und Photovoltaik für mehr Diversität
Ausgelaugte Böden, Pestizide und eine hohe Klimabelastung: Die Lebensmittelproduktion hinterlässt Spuren. Die Forschungsgruppe Regenerative Landwirtschaftssysteme sucht nach neuartigen Ansätzen.
Baumreihen mitten in einem Weizenfeld – das war früher ein vertrauter Anblick. Doch mit der heutigen intensiven Landwirtschaft und der maschinellen Bearbeitung mussten die Bäume fast überall weichen. In letzter Zeit erlebt das Anbaumodell, das mittlerweile den Namen Agroforst erhalten hat, aber ein Revival. «Das Interesse wächst stetig, nicht zuletzt wegen der sich verändernden klimatischen Bedingungen», sagt Mareike Jäger, Leiterin der Forschungsgruppe Regenerative Landwirtschaftssysteme am Departement Life Sciences und Facility Management in Wädenswil.
Bäume steigern Ernte
Zusammen mit der Interessengruppe Agroforst betreut das Dreierteam Landwirtschaftsbetriebe, die mit dem Modell experimentieren, und sammelt Erfahrungen, die es interessierten Forschenden, Studierenden und Bauern zum Beispiel in einem Podcast zugänglich macht. Zu diesen Tipps gehört etwa, dass die Baumreihen in einem genau berechneten Abstand gepflanzt werden müssen, damit der Landwirt mit dem Mähdrescher zwischendurch fahren kann. Oder, dass mit einem geeigneten Schnitt erreicht werden kann, dass die Bäume mehr in die Höhe wachsen als in die Breite und nicht zu viel Schatten werfen.
Denn Agroforst hat diverse Vorteile: Die Bäume halten mehr Feuchtigkeit im Boden und dienen als Windschutz. Nicht zuletzt verändern Bäume das Mikroklima und deren Wurzeln verbessern den Humusaufbau, was die Fruchtbarkeit erhöht und dem Klimaschutz dient. Gleichzeitig fördern Mischkulturen mit den richtigen einheimischen Baumarten die Artenvielfalt.
«Durch die häufigeren Hitze- und Trockenperioden sind viele Bauern offen für alternative Ansätze», sagt Jäger. Das Konzept eigne sich zudem für verschiedene Betriebsmodelle und Höhenlagen. So werden in den Berggebieten Hecken rund um die Felder gepflanzt, die Ziegen und Schafen als Futter dienen.
«Der landwirtschaftliche Ertrag hat eine höhere Priorität als die Stromproduktion.»
Agroforst ist ein wichtiges Element der Regenerativen Landwirtschaft, deren Ziel ein nachhaltiger, bodenerhaltender Anbau ist. Es sollen nicht mehr Ressourcen verbraucht werden als nachwachsen und darüber hinaus auch neue aufgebaut werden. Um dies zu erreichen, kommt ein bunter Strauss an Massnahmen infrage, darunter etwa der Einsatz von Kompost und Pflanzenkohle anstelle von Mineraldünger, eine schonende Bodenbearbeitung, Alternativen zu Pestiziden, die Reduktion von Kraftfutter in der Tierhaltung sowie Futterzusätze, die den Methanausstoss verringern, oder elektrische Antriebe statt Dieseltraktoren.
Strom vom Acker
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt des Teams ist die sogenannte Agri-Photovoltaik. Hoch oben auf dem ZHAW-Campus Grüental in Wädenswil mit Blick auf den Zürichsee wird diesen Sommer ein Versuchsfeld angelegt mit Solarpanels über den Gemüsereihen. In Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe Erneuerbare Energien werden bewegliche Panels aufgestellt, die sich nach dem Sonnenstand ausrichten. Sie können ihre Position auch je nach Witterung oder Reifestadium und Lichtbedarf der Kultur verändern.
«Der landwirtschaftliche Ertrag hat höhere Priorität als die Stromproduktion», betont Matthias Baumann, ebenfalls Mitglied der dreiköpfigen Forschungsgruppe Regenerative Landwirtschaft. Mit einer smarten Installation ergebe sich aber sogar ein Zusatznutzen für den Anbau von Lebensmitteln: Die Panels schützen vor Hagel, Regen, Verdunstung und Hitzestress. Lichtdurchlässige Module könnten zudem die Folien ersetzen, die dem Schutz von Gemüse- und Obstkulturen dienen, oder auch auf Treibhäusern zum Einsatz kommen.
«Wenn es gelingt, die Landwirtschaft klimafreundlicher zu machen, ist das schon ein grosser Fortschritt.»
Gemäss einer Machbarkeitsstudie der ZHAW ist das Potenzial der Agri-Photovoltaik in der Schweiz sehr gross. Bei einem prognostizierten künftigen Strombedarf von 80 Terawattstunden pro Jahr könnten dereinst rund 10 Prozent von Äckern, Obstanlagen oder Weinbergen stammen. Die Studie berücksichtigt dabei, dass die Zulassung von Photovoltaikanlagen in geschützten Landschaften nicht zulässig ist und die Distanz zum Stromnetz nicht allzu gross sein darf.
Landwirtschaft in Europa mitgestalten
Die Forschungsgruppe beteiligt sich zudem zusammen mit anderen Hochschulen aus zwölf Ländern am EU-Projekt Agromix. Mit verschiedenen agrarökologischen Lösungen soll die widerstandsfähige und effiziente Landnutzung in Europa vorangetrieben werden. Agroforstsysteme mit Bäumen oder Hecken spielen dabei ebenso eine Rolle wie neue Technologien – zum Beispiel Jätroboter – oder günstige Fruchtfolgen. Letzteres sei hierzulande zwar seit jeher die Norm, sagt Mareike Jäger, in grossen Agrarstaaten jedoch längst nicht selbstverständlich. Auf den riesigen, einseitig ausgerichteten Betrieben Frankreichs, Deutschlands oder Hollands zum Beispiel bestehe auch oft ein Ungleichgewicht zwischen Ackerbau und Tierhaltung. So muss Dünger über viele Kilometer von einer Schweinezucht oder einem Milchbetrieb in ein Ackerbaugebiet transportiert werden.
In der kleinräumigen Schweiz dagegen sind die meisten Höfe diversifizierter. Im Rahmen des Agromix-Projektes, an dem 28 Partner mitarbeiten, hat die ZHAW eine Datenbank erarbeitet. Auf einer interaktiven Karte werden gelungene Agroforst-Projekte dargestellt sowie Beispiele von Mixed Farming – also der Kombination von Ackerbau und Tierhaltung.
Graubünden tut etwas fürs Klima
Darüber hinaus begleitet die ZHAW-Forschungsgruppe das Projekt Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden. Seit 2021 testen 50 Pilotbetriebe noch bis 2025 verschiedene Massnahmen in den Bereichen Tierhaltung, Pflanzenbau, Energieproduktion und -verbrauch. Das Versprechen, in diesem Zusammenhang Klimaneutralität zu erreichen, sei vielleicht etwas hoch gegriffen, räumt Mareike Jäger ein. «Doch wenn es gelingt, die Landwirtschaft klimafreundlicher zu machen, ist das schon ein grosser Fortschritt.»
Ackerbohne: Nahrung für Menschen statt Tiere
Die Ackerbohne hat viele Namen: Im Volksmund ist die Hülsenfrucht auch als Puff-, Feld-, Pferde-, Fava- oder Saubohne bekannt. Lange Zeit wurde die alte Kulturpflanze vor allem als Tierfutter verwendet, doch seit Kurzem wird sie auch wieder als Lebensmittel für Menschen entdeckt. Nun will die ZHAW den Anbau auf Biobetrieben fördern. In Zusammenarbeit mit acht Höfen untersucht die Forschungsgruppe Regenerative Landwirtschaftssysteme, welche Sorten und Anbausysteme sich an welchem Standort am besten eignen und wie sich Schädlinge und Krankheiten bekämpfen lassen.
Resistent und proteinreich
«Ackerbohnen verbessern die Böden und sind eine gute Ergänzung in der Fruchtfolge», erklärt Projektleiterin Christa Hirschvogel. Sie gehen eine Symbiose ein mit Bodenbakterien, die Stickstoff fixieren. Dies reduziert den Düngerbedarf. Die Pflanze ist zudem gut ans hiesige Klima angepasst. Sie verträgt sowohl Nässe als auch Frost und ihre grossen Blüten dienen Hummeln und anderen Insekten als Nahrung.
Gemeinsam mit Absolvierenden des Masterstudiengangs Preneurship for Regenerative Food Systems machen sich die Forschenden auch Gedanken über die Verwendung der proteinreichen Bohne. Experimentiert wurde schon mit Ackerbohnenmehl in Brot, Brownies, Chips, Burgern und Tempeh. Christa Hirschvogel mag sie am liebsten in Form von Hummus. «Der Geschmack ist etwas herber als mit Kichererbsen.»
Zusammen mit deutschen Studierenden lernen
In der Summerschool Agroforst und regenerative Agrikultur befassen sich jedes Jahr 24 Studierende der ZHAW und der Partner-Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde mit Themen der regenerativen Landwirtschaft. Zunächst arbeiten sie im Online-Austausch an spezifischen Themen wie Agroforstsystemen, Permakultur oder der Verwendung menschlicher Exkremente in der Landwirtschaft. Danach treffen sie sich für zehn Tage physisch vor Ort. Letztes Jahr war die Schweiz Austragungsort, dieses Jahr ist es Deutschland. Die anderen Dimensionen im ostdeutschen Brandenburg seien für diesen Austausch sehr spannend, sagt Leiterin Mareike Jäger. Dort seien die Äcker in der Regel etwa 50-mal grösser.
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