Gärtnern für Körper und Seele

11.04.2024
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Im Zuge der Corona-Pandemie, des Klimawandels und des Trends zum Urban Gardening ist der gesundheitliche Effekt des Gartens mehr ins Bewusstsein gerückt. Fachpersonen aus Gartenbau, Gesundheit und Sozialer Arbeit nützen diese positive Wirkung für die Arbeit mit ihren Klientinnen und Klienten.

Ein Garten mit Kräutern, einer für Insekten, fürs Naschen im Vorbeigehen, eine Wildobsthecke oder ein Nutzgarten: In der Gartenanlage der Psychiatrischen Klinik Königsfelden im aargauischen Windisch erleben Patientinnen und Patienten die Natur auf vielfältige Weise, und sie erfahren bei der Gartenarbeit Erfolgserlebnisse und stärken so das Vertrauen in sich selbst.

Bei psychischen Erkrankungen sei der therapeutische Effekt eines Gartens besonders wirkungsvoll, sagt Martina Föhn. Und ergänzt: Ein Garten oder der Aufenthalt in der Natur sei generell gut für Körper und Geist. Das sei wissenschaftlich erwiesen, sagt die Gartenbau-Ingenieurin, welche am Departement Life Sciences und Facility Management mehrere Weiterbildungen zum Thema Garten, Natur und Gesundheit leitet. Dahinter stehe wohl auch die tief verankerte Zuneigung des Menschen zum Leben in seinen vielfältigen Formen wie auch die existenzielle Abhängigkeit von der Nahrung.

Aktivität fördert Selbstbewusstsein

In der Gartentherapie würden diese Thesen angewendet, sagt sie. Gartentherapie werde heute als eine Methode verstanden, bei der entsprechend qualifizierte Fachpersonen Pflanzen und  gärtnerische Aktivitäten verwenden, um das psychische und körperliche Wohlbefinden von Menschen zu stärken. Gartentherapie wird nicht nur im Bereich der Rehabilitation und Medizin eingesetzt, sondern auch häufig im sozialen Umfeld zur Förderung der Teilhabe und Integration.

«Wichtig ist bei der Gartentherapie, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, nicht die Pflanze.»

Martina Föhn, Studienleiterin CAS Gartentherapie

«Wenn wir Pflanzen pflegen und hegen, übernehmen wir die Rolle des verantwortlichen Pflegenden», so Föhn. Die Aktivität fördere Selbstwirksamkeit und Selbstbewusstsein. Das regelmässige Giessen könne sinnstiftend sein, da es eine Tagesstruktur verleihe. Und: «Oft dankt es uns die Pflanze dann ja auch, indem sie blüht und Früchte bildet» – was ein Erfolgsgefühl hervorrufe. «Wichtig ist hier aber, dass der Mensch immer im Mittelpunkt steht, nicht die Pflanze», sagt Föhn zur Aufgabe der Gartentherapie.

Gestiegenes Interesse

Martina Föhn setzt sich seit Jahren für die professionelle Anwendung von Gartentherapie und Gesundheit in der Natur ein – als Wissenschaftlerin, Studienleiterin, als Autorin und Herausgeberin von Fachbüchern und nicht zuletzt auch als Vizepräsidentin der Schweizerischen Gesellschaft Gartentherapie und Gartenagogik sowie der Internationalen Gesellschaft GartenTherapie IGGT. In den letzten Jahren hat sie ein deutlich gestiegenes Interesse an dieser Therapieform festgestellt: Die Corona-Lockdowns, aber auch Trends wie Urban Gardening oder das gewachsene Bewusstsein für Natur und Ernährung in der Folge der Klimadiskussionen haben dem Gesundheitsaspekt des Gärtnerns mehr Gewicht verliehen.

Dass der Aufenthalt in der Natur sich positiv auf die Gesundheit auswirkt, ist allerdings keine neue Erkenntnis: Bereits im 19. Jahrhundert hatten psychiatrische Kliniken in der Schweiz Parkanlagen um die Gebäude angelegt und festgestellt, dass die Patientinnen und Patienten ruhiger waren, wenn sie sich im Park aufhalten konnten. Der Landschaftsgarten der Psychiatrischen Klinik Königsfelden etwa wurde im Jahr 1872 beim Bau der Gebäude angelegt. Heute ist er ein garten- und sozialhistorisches Denkmal und wird zur täglichen Gruppentherapie genutzt.

Die Savanne als Wohlfühllandschaft

Studien hätten gezeigt, so Föhn, dass sich der Mensch in einer Landschaft, die der Savanne ähnelt, am wohlsten fühlt, sagt sie. In europäischen Breitengraden wäre ein solcher Landschaftstyp mit hohen Bäumen und offenen Flächen, die den Blick ins Weite gewähren, wohl eine Parkanlage. Vielleicht, so vermutet sie, weil sich hier die Urbedürfnisse des Menschen nach Schutz und freier Sicht am besten erfüllten.

«Im Garten vergisst man sich, kann vollkommen abschalten, ist wie in einer anderen Welt.»

Martina Föhn, Forscherin am Departement Life Sciences und Facility Management

Heute richten Kliniken der Rehabilitation, der Psychiatrie oder Pflege- und Altersheime immer mehr speziell konzipierte Therapiegärten ein. Diese sind dabei für die Bewohnerinnen und Bewohner bedürfnisorientiert gestaltet: Die Gehwege zum Beispiel sind auch mit dem Rollator befahrbar, und für Menschen im Rollstuhl ermöglichen Hochbeete die Gartenarbeit. In einem Therapiegarten für Menschen mit Demenz wird weiter darauf geachtet, dass keine giftigen Pflanzen darin wachsen.

Erlebnispädagogik mit Sport in der Natur

Outdoor-Aktivitäten sind ausgezeichnete Lernfelder. Mit natursportlichen Aktivitäten wie Kanu oder Trekking wird eine Naturbeziehung und ein Verständnis für ökologische und soziale Zusammenhänge geschaffen. Im neuen CAS Outdoor Education – Summer des Departements Life Sciences und Facility Management lernen die Teilnehmenden, intensive Erlebnisse in der Natur für vielfältige Lernerfahrungen zu nutzen. Outdoor Education wird in der Weiterbildung von Führungskräften, in der Sozialen Arbeit wie auch in der Jugendarbeit häufig zur Förderung von Selbst- und Sozialkompetenzen eingesetzt. Aufgrund der intensiven Naturerlebnisse setzen zunehmend auch Exponentinnen und Exponenten der Natur- und Umweltbildung oder des naturnahen Tourismus auf dieses Lernfeld. Die Weiterbildung richtet sich an Personen mit einem Hochschulabschluss aus pädagogischen Berufen, Sozial-, Heilpädagogik, der Sozialen Arbeit sowie an Fachpersonen, welche in einem grünen Beruf tätig sind oder ein touristisch ausgerichtetes Studium vorweisen. Der CAS startet am 31. August 2024.

Therapie auch ohne Garten

Doch Gartenflächen werden gerade in städtischen Gebieten immer rarer, und der Zwang zum verdichteten Bauen bedrängt zum Beispiel auch die freien, naturbelassenen Flächen rund um Altersheime. Nicht zwingend brauche es einen grossen Garten für die Gartentherapie, entgegnet Föhn: Auch Balkone und Flachdächer können bepflanzt oder Hochbeete angelegt werden. Nicht zuletzt können auch Floristik oder gärtnerische Produkte wie beispielsweise Kräutersalze als Teil der Gartentherapie angesehen werden. Voraussetzung sei nur, dass der Patient oder die Patientin auch ein Flair für Natur und Garten habe, ergänzt Föhn.

Wenn Kartoffeln Kindheitserinnerungen wecken

Pflanzen werden in der Gartentherapie als therapeutische Medien eingesetzt. Zum Beispiel, indem sie bei den Betrachtenden Erinnerungen wecken oder die Sinne ansprechen und so Verarbeitungsprozesse im Gehirn bewirken. Dies wird etwa in Altersheimen genützt: Kartoffeln oder Bohnen rufen bei der Generation, die den Zweiten Weltkrieg noch erlebt hat, Erinnerungen an eine Jugend hervor, die geprägt war von der Nahrungssuche auf dem Feld. Rosen lassen eine Person vielleicht an die eigene Hochzeit oder an spezielle Gedichte und Märchen denken. Duftender Lavendel oder die gelb blühende Schokoladenblume, die bei starker Sonneneinstrahlung markant nach Schokolade riecht, fördern den Geruchssinn. Der Tastsinn wird aktiv, wenn die Finger über den schon fast flauschigen Wollziest streichen, und Beeren oder Kräuter regen den Geschmackssinn an.

Martina Föhn selbst ist leidenschaftliche Gärtnerin: «Im Garten vergisst man sich, kann vollkommen abschalten, ist wie in einer anderen Welt.» In der freien Natur spüre man Luft, Sonnenlicht, den Wind auf der Haut, man bewege sich auf unebenem Gelände. Sie lächelt: Wenn sie selbst mit verklärtem Blick aus ihrem Garten ins Haus zurückkomme, werde sie jeweils von der Familie mit der Frage geneckt: «Hast du wieder Gartentherapie gemacht?»

Wissen über Gesundheit in Garten, Landschaft, Wald oder Natur

Weiterbildungen des Departements Life Sciences und Facility Management:

Gesundheit erhalten und fördern mit Gartentherapie: Der CAS vermittelt Entwicklung und Umsetzung von gartentherapeutischen Aktivitäten und die Kompetenz, Pflanzen für therapeutische Interventionen gezielt einzusetzen.

Rehabilitationszentren sowie Alters- und Pflegeheime setzen zunehmend auf Therapiegärten wie zum Beispiel Gärten für Menschen mit Demenz. Fachpersonen müssen Wirkungen von Pflanzen und Gärten bei verschiedenen Krankheiten kennen und das Wissen in sozialen, gärtnerischen Interventionen zielorientiert anwenden können.

Teilnehmende aus dem präventiven, rehabilitativen, sozialen oder grünen Bereich erfahren, wie Waldbaden und Waldachtsamkeit gesundheitsfördernd eingesetzt werden können.

Lernen in der Natur bedeutet, als Naturpädagoge und Naturpädagogin Prozesse zu nachhaltigem Handeln anzustossen und zu begleiten. Im weltweit einzigen CAS in Umweltbildung wird Fachwissen in Naturpädagogik und Didaktik vermittelt. Der Unterricht? Findet draussen statt.

Mit dem Stift dem Wesen der Pflanzen auf die Spur kommen – das ist das Ziel der botanischen Malerei. Gelernt werden die Zeichnungstechniken, um mit Farbstiften, Wasserfarbe und Bleistift das Charakteristische einer Pflanze präzis und naturgetreu wiederzugeben. Voraussetzungen: Geduld und Freude an exaktem Arbeiten.

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