Eine Mikrotiterplatte und eine Pipette
Akustofluidik für Krebsdiagnostik

Eine neue Dimension der personalisierten Medizin

27.05.2025
1/2025

Bereits heute werden Krebstherapien anhand von individuellen Tumormerkmalen möglichst genau auf die erkrankte Person abgestimmt. Künftig könnte die Behandlung dank künstlicher Mikrotumore noch stärker personalisiert werden.

In der Behandlung von Krebserkrankungen hat die Medizin in den letzten Jahren grosse Fortschritte verzeichnet. Nicht nur durch die Entwicklung neuer Medikamente, sondern auch durch eine gezielte Abstimmung der Therapie auf die Patientinnen und Patienten. Denn nicht jede Person spricht auf ein Medikament gleich gut an. Deshalb werden Tumore vor der Behandlung charakterisiert und die Therapie möglichst genau angepasst. Die histologische Untersuchung des Tumorgewebes ist dabei ein zentrales Instrument: Verschiedene Zell- und Gewebestrukturen und Marker werden mit Substanzen angefärbt und unter dem Mikroskop analysiert. Anhand der gefundenen Eigenschaften sowie genetischer Merkmale des Tumors stellt die Ärzteschaft einen spezifischen Therapieplan zusammen. Diese sogenannte personalisierte Medizin oder Präzisionsmedizin gehört heute zum Alltag in der Krebstherapie. Der nächste Entwicklungsschritt hin zur funktionellen Präzisionsmedizin ist bereits eingeläutet – und mittendrin mischt die Fachgruppe 3D-Gewebe und Biofabrikation am Institut für Chemie und Biotechnologie unter der Leitung von Markus Rimann mit.

Mikrotumore statt einzelner Zellen

Mit einer Biopsie wird nur sehr wenig Tumorgewebe entnommen. Für viele Untersuchungen werden Krebszellen deshalb auf einem festen Träger zu einem sogenannten Monolayer vermehrt. Solche einschichtigen Zellkulturen bilden das Tumorgewebe jedoch nur beschränkt ab. Deshalb lässt Rimanns Gruppe aus den Einzelzellen künstliche kugelförmige Mikrotumore wachsen: «Diese kommen dem natürlichen Tumor viel näher, da sich die Zellen dreidimensional organisieren und auch extrazelluläre Strukturen bilden. Diese 3D-Struktur widerspiegelt die Realität auch bezüglich Zellinteraktion und Kommunikation besser.» Vereinfacht wird dazu eine bestimmte Anzahl Tumorzellen in eine Nährlösung pipettiert. Dort interagieren die Einzelzellen miteinander und bilden Mikrotumore, die nach zwei Wochen eine Grösse von 200 bis 500 Mikrometer erreichen. Das Ganze läuft voll automatisiert ab mit einem Pipettierroboter und standardisierten Platten mit kleinen Mulden – sogenannte Mikrotiterplatten. Mit diesem Prozess lässt sich aus wenig Zellmaterial einer Biopsie in kurzer Zeit eine Vielzahl Mikrotumore züchten und an ihnen die Wirkung verschiedener Medikamente testen. Um die Tumore anschliessend histologisch zu untersuchen, werden sie mit Formaldehyd fixiert und mit Paraffin präpariert, damit sie in feine Schichten geschnitten werden können. Dies wird heutzutage grösstenteils noch immer in aufwendiger Handarbeit gemacht. Um Gewebeschnitte aus Mikrotumoren effizient und standardisiert in grosser Zahl und kostengünstig für die Histologie verfügbar zu machen, wollen Rimann und sein Team zusammen mit der ETH Zürich und dem Technologie-Innovationszentrum CSEM die Präparation der Mikrotumore automatisieren.

Mit Schallwellen an den richtigen Ort

Für einen effizienten automatisierten Schnittprozess mit möglichst wenigen Verlusten müssen die Mikrotumore präzise in einer Ebene positioniert werden, ohne dass sie dabei zerstört werden. «Angesichts der geringen Grösse von weniger als einem Millimeter ist dies eine grosse Herausforderung», so Rimann. Die Forschungspartner setzen dazu auf sogenannte Akustofluidik: In einer Flüssigkeit werden mit Ultraschall kleine Wellen erzeugt. Mikrotumore bilden sich in der Flüssigkeit am Knotenpunkt, wo sich die verschiedenen Wellen überlappen – ähnlich wie wenn sich auf einem See Inseln aus Schwemmmaterial ansammeln. Zum Einsatz kommt dabei ein spezielles Trägermaterial, das durch Erwärmung flüssig und anschliessend durch Kühlung wieder fest wird. So werden die Tumore fixiert.

Im dreijährigen Projekt entwickeln die Forschenden ein Laborgerät, das diesen Prozess automatisiert. Die Anforderungen sind gross, wie Markus Rimann erläutert: «Das Gerät muss heizen, kühlen und äusserst präzise und reproduzierbare Schallwellen erzeugen können.» Für die Entwicklung des Geräts und die Implementierung der Funktionen ist das CSEM verantwortlich. Die ETH hat das Know-how zu Akustofluidik, und Rimanns Gruppe bringt die Expertise zu Mikrotumoren und deren Handling sowie zur Laborautomatisierung mit. Zwei Jahre nach dem Start des Projekts ist ein erster Prototyp vorhanden. Anhand von drei verschiedenen Knochenkrebs-Typen weisen die Forschenden nach, dass die Anwendung mit Mikrogeweben unterschiedlicher Form und Grösse funktioniert.

Für Medikamentenentwicklung und Therapie

Mit dem Abschluss des Projekts soll 2026 die Anwendung so weit ausgereift sein, dass sie als Plattform für unterschiedliche 3D-Mikrogewebe genutzt werden kann. Damit gelänge dem Team ein grosser Schritt für die effiziente Vorbereitung von Mikrotumoren oder anderen künstlichen Geweben für die anschliessende histologische Analyse – dies ist besonders wichtig, wenn nur wenig Ausgangsmaterial aus einer Biopsie vorhanden ist. Dies bietet ein enormes Potenzial für die Entwicklung neuer Medikamente: Wirkstoffe können an künstlichen Mikrogeweben getestet werden – effizient, kostengünstig, standardisiert und mit hohem Durchsatz. So lassen sich Tierversuche reduzieren. Aber auch für die Krebstherapie sind die Erwartungen gross, wie Rimann ausführt: «Die Wirkung der Medikamente liesse sich bereits vor einer Chemotherapie an Mikrotumoren aus körpereigenen Tumorzellen testen.» Damit würde die Personalisierung in der Medizin eine neue Dimension erreichen.

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