Gerechte Bordelle, wirksame Öko-Media und gute Geburtserlebnisse

21.06.2022
2/2022

Wie kommunizieren Coop und Migros auf Instagram über Nachhaltigkeit? Wie wirkt sich die Beziehung zwischen werdender Mutter und Hebamme auf das Geburtserleben aus? Was braucht es, damit Sexarbeitende möglichst selbstbestimmt tätig sein können? Drei Abschlussarbeiten geben Antworten.

Die Hebamme als Lotsin

Vertraut eine Frau ihrer Hebamme, so erlebt sie die Geburt ihres ersten Kindes tendenziell positiv. «Eine gute Beziehung hilft der werdenden Mutter, die Ausnahmesituation zu meistern», sagt Antonia Göggerle-Locher. «Dieser Zusammenhang lässt sich deutlich nachweisen.» Die Absolventin des Studiengangs Hebammenwissenschaften hat dazu eine Online-Umfrage gemacht. Von den rund 400 ausgewerteten Antworten dokumentieren 86 Prozent ein positives Geburtserleben. 14 Prozent berichten von einer überwiegend negativen Erfahrung. Das Mutter-Hebamme-Verhältnis ist dabei ein entscheidender Faktor. Wie eine Geburt wahrgenommen wird, hat aber auch mit Ängsten, Erwartungen, dem Grad der Mitbestimmung sowie allfälligen medizinischen Interventionen zu tun. Ein ungeplanter Kaiserschnitt und eine PDA (Periduralanästhesie) korrelieren beispielsweise mit einem negativen Erleben. Die Chancen auf ein positives Erlebnis steigen hingegen, wenn die Gebärende mehr mitbestimmen kann, als sie es erwartet hat. Oder wenn die Schmerzen weniger stark sind als befürchtet. Antonia Göggerle-Locher bestärken die Ergebnisse ihrer Studie darin, Schwangeren ein realistisches Bild zu vermitteln. «Sie sollten darauf vorbereitet werden, dass eine Geburt ein herausforderndes Ereignis ist. Und sie sollten das Vertrauen entwickeln, dass sie dafür stark genug sind.» Eine werdende Mutter sollte sich begleitet fühlen und verstehen, was in ihrem Körper vor sich geht. Idealerweise werde sie von der Schwangerschaft bis ins Wochenbett von einer Hebamme betreut. «Diese übernimmt die Funktion einer Lotsin», so die Autorin.

Antonia Göggerle-Locher (57) hat ihre Masterarbeit der Beziehung zwischen Hebamme und Erstgebärender gewidmet. Sie hat insbesondere untersucht, welche Bedeutung diese für das Geburtserleben hat. «Dass einige Frauen von Gewalt unter der Geburt berichten, hat mich stark beschäftigt», sagt sie. «Daher wollte ich meiner Hypothese nachgehen, dass ein vertrauensvolles Verhältnis zur Hebamme vor negativen Erfahrungen schützen kann.» Antonia Göggerle-Locher ist seit 30 Jahren als Hebamme tätig. Sie hat in Spitälern, aber auch in der ausserklinischen Geburtshilfe gearbeitet. Zurzeit leitet sie das Geburtshaus Hebammerei in Ravensburg (D).

Instagram für Ökothemen

Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Unternehmen tun gut daran, die ökologischen Bedürfnisse ihrer Kundinnen und Kunden zu berücksichtigen. «Nachhaltigkeit ist zu einem bedeutenden Erfolgsfaktor geworden», sagt Annika Behrens, die am Departement Angewandte Linguistik studiert hat. Damit eine Firma von ihrem Engagement profitiert, muss sie allerdings dafür sorgen, dass dieses von den Anspruchsgruppen wahrgenommen wird. Coop und Migros nutzen für ihre Nachhaltigkeitskommunikation unter anderem Instagram. Über die Plattform, die auf visuelle Inhalte fokussiert, gelangen die Detailhändlerinnen zeitnah und direkt an ein junges Publikum. «Sie verfolgen unterschiedliche Strategien der visuellen Kommunikation», sagt Annika Behrens, welche eine Stichprobe vom Sommer/Herbst 2020 untersucht hat. Beide betten etwa Label ein, die Nachhaltigkeit garantieren. Allerdings setzen sie diese unterschiedlich in Szene. Die Migros kommuniziert ausserdem vielfältiger; sie postet neben Bildern auch Videos und Podcasts. Sie personalisiert zudem stärker als Coop und schafft damit einen direkteren Bezug zur Kundschaft. Coop informiert vor allem über nachhaltige Produkteeigenschaften und bebildert dies häufig mit Studioaufnahmen. Die Fotos sind zwar ansprechend inszeniert, es fehlt ihnen jedoch an Authentizität. «Beide Unternehmen könnten ihre Beiträge zugänglicher gestalten», sagt Annika Behrens. Sie könnten beispielsweise mit Fragen oder Handlungsempfehlungen an die Erfahrungen der Rezipientinnen und Rezipienten anknüpfen. Sie könnten Inhalte ihres Publikums einbinden, vermehrt Personen zeigen und eine wärmere Farbgebung wählen. «So könnten sie ihren Botschaften noch mehr Gehör verschaffen.»

Annika Behrens (27) hat in ihrer Masterarbeit in Organisationskommunikation untersucht, wie Migros und Coop auf Instagram über ihre ökologischen Bemühungen informieren. «Mir liegt Nachhaltigkeit persönlich sehr am Herzen», sagt sie. Die sozialen Medien eröffneten neue Möglichkeiten, darüber zu kommunizieren. Wie Unternehmen diese nutzten, sei erst wenig erforscht. Annika Behrens hat für ihre Analyse die Bestnote und den Farner Award for Academic Excellence erhalten. Sie ist beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF in der internen Kommunikation tätig.

Das gerechte Bordell

Sexarbeit findet nicht nur im Milieu statt. Sexuelle Dienste werden beispielsweise auch als Escort-Service angeboten. «Das Spektrum der Sexarbeit ist extrem gross und divers», sagt Laura Miotti, die am Departement Soziale Arbeit studiert hat. Nicht immer seien dabei Abhängigkeit und Zwang im Spiel. Es gebe Menschen, welche diese Form der Erwerbstätigkeit bewusst wählten und selbstbestimmt ausübten. Doch auch sie sind Stigmatisierungen und Diskriminierungen ausgesetzt. Ihre Tätigkeit wird gesellschaftlich abgewertet und ist gesetzlich kaum abgesichert. Dies erschwert es Sexarbeitenden, selbstbewusst aufzutreten und für ihre Rechte einzustehen. Inspiriert von einem «Republik»-Artikel, skizziert Laura Miotti, wie ihnen ein möglichst hoher Grad an Selbstbestimmung ermöglicht werden könnte. In einem gerechteren Bordell könnten Personen unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Alter und sexueller Orientierung arbeiten. Sie würden sich weitgehend selbst organisieren, ihre Kundschaft frei wählen und faire Mieten zahlen. Ein Alarmsystem würde sie vor Übergriffen schützen; über ihre Einnahmen könnten sie selbst verfügen. Ein solches Etablissement würde nicht irgendwo in der Peripherie eingerichtet, sondern dort, wo die Kunden sind. «In der Mitte der Gesellschaft», so die Autorin. Sozialarbeitende hätten weniger direkt mit den Sexarbeitenden zu tun. Sie könnten sich auf Notlagen konzentrieren. Sie würden bei Bedarf Informationen zur Verfügung stellen oder präventiv arbeiten. Sie könnten zudem zwischen Akteuren vermitteln und Stigmatisierungen entgegentreten.

Laura Miotti (33) hat sich in ihrer Bachelorarbeit in Sozialer Arbeit mit selbstbestimmter Sexarbeit befasst. «Sexarbeitende werden stark diskriminiert und stigmatisiert», sagt sie. Der wissenschaftliche Zugang helfe, ein besseres Verständnis für ihre Lebenswelt zu erhalten. Die ZHAW-Absolventin zeigt auf, wie ein gerechteres Bordell aussehen könnte. Sie hat bei Flora Dora, der Stadtzürcher Beratungsstelle für Sexarbeitende, gearbeitet und ist heute bei der FIZ Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration in Zürich tätig. Laura Miotti ist an der  ZHAW als Co-Instruktorin eines digitalen Lernprogramms engagiert.

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