teenage friends with smartphone and headphones

Gesund im Netz: Die Balance zählt

19.09.2023
3/2023

Wie wirkt sich die Nutzung von digitalen Medien auf unsere Gesundheit aus? Was macht es mit einem Baby, wenn die Mutter während des Stillens nur auf das Smartphone schaut? Drei Forschende der ZHAW erzählen, was wichtig für einen gesunden Umgang mit digitalen Tools ist.

Nur noch kurz die Mails checken. Auf Instagram ein Like dalassen, dann einen Kommentar verfassen. Die Push-Nachricht öffnen, die vor einem Unwetter warnt, auf WhatsApp ein Meme weiterleiten, eine halbe Stunde gamen – das Smartphone gehört längst zum Alltag von Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen. Wie sich dies auf die Gesundheit auswirken kann, damit befassen sich die ZHAW-Dozierenden Gregor Waller und Ursula Meidert. Für einen Beitrag im nationalen Gesundheitsbericht 2020 haben sie diverse Studien gesichtet, die den Zusammenhang zwischen digitalen Medien und Gesundheit erforscht hatten. Ursula Meidert, damals für die Forschungsstelle Ergotherapie tätig, nahm sich der biologischen Aspekte an, Gregor Waller als Co-Leiter der Fachgruppe Medienpsychologie des Departements für Angewandte Psychologie der psychologischen. «Wir stellten dabei fest, dass die positiven Effekte von digitaler Mediennutzung klar untererforscht sind», sagt Ursula Meidert, die heute am Institut für Public Health lehrt. «Gleichzeitig fehlen für viele Risiken, die in Zusammenhang mit dem Medienkonsum erforscht wurden, die Belege dafür, dass sie ursächlich durch den Medienkonsum hervorgerufen werden.»

Smartphone und Schlafzimmer: besser nicht

Nichtsdestotrotz können die beiden Dozierenden aus den Ergebnissen einige Empfehlungen ableiten, wenn es um die Frage geht, wie ein gesunder Umgang mit digitalen Tools geht. Eine zentrale Erkenntnis der Forschenden: Smartphone und Schlafzimmer sind keine ideale Kombination. Einerseits hemme Blaulicht die für den Schlaf wichtige Melatonin-Produktion, andererseits verminderten Push- und andere Nachrichten die Schlafqualität, sagt Gregor Waller.

«Gleichzeitig fehlen für viele Risiken, die in Zusammenhang mit dem Medienkonsum erforscht wurden, die Belege dafür, dass sie ursächlich durch den Medienkonsum hervorgerufen werden.»

Gregor Waller, Co-Leiter der Fachgruppe Medienpsychologie

Nicht nur der Zeitpunkt der Nutzung von digitalen Tools, auch die Dauer kann sich auf die Gesundheit auswirken. «Auf physischer Ebene kann eine Übernutzung zum Beispiel zu Handydaumen, Sehnenscheidenentzündungen oder Nackenbeschwerden führen», sagt Ursula Meidert. Auch psychische Effekte sind laut Gregor Waller belegt: «So kann exzessives Online-Verhalten mit Einsamkeit und Depressivität einhergehen.» Beide raten daher zu einer begrenzten Nutzungsdauer, im Kinder- und Jugendalter sowieso, aber auch im Erwachsenenalter. «Wichtig ist, eine gute Balance zwischen Online- und Offline-Aktivitäten zu finden und zu fördern», sagt Waller.

«Soziale Medien können gerade im Jugendalter fast schon überlebenswichtig sein. Beispielsweise ist es für homosexuelle und andere Jugendliche, die keine Gleichgesinnten in ihrem nahen Umfeld kennen, extrem wichtig, sich mit Peers austauschen zu können.»

Ursula Meidert, Dozentin am Institut für Public Health

Die Forschenden heben auch die Chancen hervor, welche die digitale Mediennutzung für die Gesundheit bergen. So zeigt eine aktuelle ZHAW-Studie, dass es zahlreiche nützliche Apps für Erwachsene gibt, um arbeitsbezogenem Stress entgegenzuwirken (siehe Kasten). Weiter hätten sie festgestellt, dass soziale Medien gerade im Jugendalter «fast schon überlebenswichtig» sein könnten, sagt Ursula Meidert. «Beispielsweise ist es für homosexuelle und andere Jugendliche, die keine Gleichgesinnten in ihrem nahen Umfeld kennen, extrem wichtig, sich mit Peers austauschen zu können.» Ein anderes Beispiel seien chronisch kranke Jugendliche, die durch ihre Krankheit etwa gezwungen seien, viel Zeit im Bett zu verbringen: «Da ermöglichen digitale Tools eine Art gesellschaftliche Teilhabe.» Ausserdem, ergänzt Gregor Waller, hätten digitale Medien das Potenzial, die Kreativität von Kindern und Jugendlichen zu fördern – was sich wiederum positiv auf deren physische und psychische Gesundheit und ihre Entwicklung auswirke.

Mutter, Kind – und das Handy dazwischen

Digitale Tools können also positive wie auch negative Effekte auf die Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen haben. Doch wirkt es sich bereits auf Säuglinge und Kleinkinder aus, wenn Eltern das Smartphone häufig nutzen? Was macht es mit einem Neugeborenen, wenn die Mutter während des Stillens ständig auf das Smartphone schaut? Wenn der Vater eines Kleinkindes immer wieder durch Push-Nachrichten vom gemeinsamen Spielen abgelenkt wird? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich Agnes von Wyl, Leiterin der Fachgruppe Klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie am ZHAW-Departement Angewandte Psychologie, seit Jahren im Rahmen zweier Forschungsprojekte. 2019 startete das ZHAW-Forschungsprojekt Smart Start, eine Kooperation zwischen dem Institut für Angewandte Psychologie und dem Institut für Hebammen.

Andererseits haben wir aber festgestellt, dass die gelegentliche Nutzung, etwa das Beantworten einer Nachricht oder das Lesen eines Artikels in der Gegenwart des Babys, keinen Einfluss auf die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung hat.»

Agnes von Wyl, Leiterin der Fachgruppe Klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie

Die Studie untersucht, wie sich die Smartphone-Nutzung auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind und damit auf die Entwicklung des Kindes auswirkt. 95 Elternpaare wurden während der Schwangerschaft und mehrere Wochen nach der Geburt zu ihrer Smartphone-Nutzung befragt. Zudem beobachteten die Forscherinnen Interaktionen zwischen Eltern und ihrem Kind. «Zentral war für uns, herauszufinden, welchen Einfluss die Beschäftigung mit dem Smartphone auf die elterliche Sensitivität hat», sagt Agnes von Wyl. Denn die elterliche Sensitivität – das Wahrnehmen und Interpretieren der Signale ihres Kindes sowie das bedürfnisgerechte Reagieren – ist die Voraussetzung für eine gelingende Eltern-Kind-Beziehung und eine sichere Bindung.

Abtauchen ist eine Gefahr

Erste Ergebnisse der Studie zeigen laut Agnes von Wyl einerseits, dass sich die Smartphone-Nutzung von Eltern vor und nach der Geburt nicht wesentlich verändert. Eltern nutzen das Smartphone ungefähr gleich häufig, entsprechend auch in der Gegenwart des Kindes. «Das heisst, das Smartphone gehört heute absolut zum Alltag», sagt die Leiterin der Fachgruppe Klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie. «Andererseits haben wir aber festgestellt, dass die gelegentliche Nutzung, etwa das Beantworten einer Nachricht oder das Lesen eines Artikels in der Gegenwart des Babys, keinen Einfluss auf die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung hat. Auch nicht, wenn dadurch kurzzeitig eine Interaktion zwischen Eltern und Kind unterbrochen wird.» Anders sehe es aus, wenn die sogenannte «Immersion» ausgeprägt sei: Wenn Eltern für längere Zeit komplett in die virtuelle Welt abtauchen. Dadurch steige die Gefahr, dass Signale nicht mehr wahrgenommen würden. «Das ist aus kinderpsychologischer Sicht nicht förderlich.»

Räume für Interaktion schaffen

Die Familien aus der Smart-Start-Studie werden gemeinsam mit neuen Teilnehmenden im 2020 gestarteten Forschungsprojekt Smart Toddlers weiterbegleitet. Die Forschungsfragen sind dieselben, die Eltern werden befragt, wenn das Kind 14 Monate, 20 Monate und 3 Jahre alt ist. Ebenfalls führen die Forschenden ein Experiment mit einigen Familien durch, welches an das bekannte «Still Face Experiment» angelehnt ist. Dieses hatte in den 1970er Jahren erstmals aufgezeigt, wie stark Babys auf die mütterliche Sensitivität angewiesen sind. Letzte Erhebungen für die Smart-Toddlers-Studie werden diesen Herbst durchgeführt. Aus den Ergebnissen beider Studien sollen dereinst wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für Eltern abgeleitet werden können. Einen Tipp hat Agnes von Wyl bereits jetzt: «Es ist für die Entwicklung des Kindes sicher förderlich, wenn Eltern ihre Smartphone-Nutzung reflektieren und wenn sie bewusst darauf achten, wo sie Räume und Zeiten für Interaktionen mit dem Kind schaffen können.»

Mit Apps gegen Arbeitsstress

Meditationen, Atemübungen, Schlafgeschichten, Wissensvermittlung: Heute existieren unzählige Apps, die versprechen, förderlich für die Gesundheit zu sein, also etwa Stress zu reduzieren oder die Schlafqualität zu verbessern. Ein Forscherinnenteam des Instituts für Ergotherapie am ZHAW-Departement Gesundheit hat kürzlich eine Literaturrecherche durchgeführt und nach digitalen Tools gesucht, die arbeitsbezogenen Stress reduzieren. «Dabei konnten wir 19 Tools finden, die Symptome von Arbeitsstress lindern und die Arbeitszufriedenheit steigern», sagt Ursula Meidert, Dozentin am Institut für Public Health. Diese Erkenntnis sei einerseits für Unternehmen interessant, welche die Tools direkt ihren Mitarbeitenden empfehlen können. Andererseits sei es auch für Gesundheitsfachpersonen wichtig zu wissen, welche Anwendungen evidenzbasiert aufgebaut und wirksam seien.

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