Wohnen im Alter

Hausbesuche zur Prävention: Beraten, bevor etwas passiert

22.03.2022
1/2022

Kleine Veränderungen in der Wohnung unterstützen ältere Menschen dabei, länger selbstständig zu wohnen. Ergotherapie-Forschende der ZHAW haben dazu ein Konzept entwickelt.

Ergotherapeutische Fachpersonen suchen ältere Menschen zu Hause auf und schauen mit ihnen zusammen, welche Anpassungen im Wohnraum hilfreich sein könnten: Das ist die Idee hinter einem neu erarbeiteten Konzept des Instituts für Ergotherapie der ZHAW. Es basiert zum einen auf der Befragung von Älteren und ihren Angehörigen wie auch von Fachpersonen. Zum anderen führten die Forschenden gemeinsam mit der Spitex Kriens (LU) und dem Zentrum für Ergotherapie Luzern eine Machbarkeitsstudie durch. Ziel sei, dass die älteren Menschen «alltägliche Aufgaben trotz Einschränkungen und Behinderungen wieder ausführen können», sagt Studienleiterin Brigitte Gantschnig, Professorin für Ergotherapie. Menschen dabei zu unterstützen, gehöre zur Kernkompetenz der Ergotherapie.

Dickere Griffe bei Zahnbürste oder Besteck

Im Rahmen der Studie gingen zwei Ergotherapeutinnen bei fünf Spitex-Klientinnen und -Klienten je zweimal eine bis zwei Stunden auf Hausbesuch. Bis auf eine Person waren die Besuchten über 80-jährig. Die vorgeschlagenen Massnahmen waren oft einfach. So rieten die Therapeutinnen etwa dazu, einen Teppich als Stolperfalle zu entfernen, im Badezimmer Griffe anzubringen, für helleres Licht zu sorgen oder an einer schweren Türe einen Riemen anzubringen, damit sie leichter aufgestossen werden kann. Auch Griffverdickungen an Gegenständen wie zum Beispiel Besteck oder Zahnbürsten waren ein Thema.

Ausländische Vorbilder

Zudem vermittelten die Ergotherapeutinnen Informationen zu Entlastungsdiensten und Hilfsmittel-Angeboten. Vielen Älteren sei gar nicht bewusst, dass es solche Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten gebe: Das stellt Thomas Ballmer fest, der im Forschungsteam mitgearbeitet hat. Er sieht denn auch Vorteile in der Zusammenarbeit von Ergotherapie und Hauswirtschaftsspitex wie im Krienser Pilotprojekt: «Die Mitarbeitenden der Spitex erkennen durch ihre regelmässige Präsenz, wo eine Wohnraumberatung angebracht wäre.» Und sie könnten als Vertrauenspersonen auf das ergotherapeutische Angebot aufmerksam machen.

«Wir sehen hierzulande ungenutztes Potenzial, zumal eine präventive aufsuchende Beratung längerfristig Kosten verringere.»

Brigitte Gantschnig, ZHAW-Institut für Ergotherapie

Ausserdem gelte es manchmal längerfristig dranzubleiben, fügt Ballmer an. Die Spitex könne es ansprechen, wenn jemand mit den empfohlenen Anpassungen zögere. Erstrebenswert wäre, die ergotherapeutische Beratung möglichst frühzeitig durchzuführen. In skandinavischen Ländern wie Dänemark und Schweden seien präventive Hausbesuche bereits etabliert, weiss Ergotherapie-Professorin Brigitte Gantschnig. Finanziert würden sie alle zwei Jahre von den Gemeinden, für alle über 65-Jährigen. In der Schweiz zahlt die Krankenkasse zwei ergotherapeutische Interventionen – aber nur, wenn eine Ärztin, ein Arzt sie verordnet hat.

Mehr als Sturzprävention

Die ZHAW-Forschenden sehen hierzulande ungenutztes Potenzial, zumal eine präventive aufsuchende Beratung längerfristig Kosten verringere. Das zeigten Studien aus dem Ausland, sagt Gantschnig. Die älteren Menschen können länger zu Hause leben. Weil sie weniger stürzen, kommt es zu weniger Hospitalisierungen. Doch der Mehrwert für die Älteren gehe über Sturzprävention hinaus, unterstreicht die Forscherin: «Sie sollen so lange wie möglich autonom leben und an der Gesellschaft teilhaben können.» 


Wohnungen anpassen, dass man selbstständig bleiben kann

Das Video gibt einen Einblick, was sich ältere Menschen wünschen.


Die Spitex Kriens zieht ebenfalls eine positive Bilanz. «Für uns hat sich gezeigt, dass der Einsatz der Ergotherapie hilfreich ist für die Kundinnen und Kunden», sagt Geschäftsleiter Hannes Koch. Die Ergotherapie decke ein breites Spektrum an Themen ab. Die Zusammenarbeit wird in Kriens denn auch weitergeführt. Auch sonst besteht Interesse am Konzept, wie Studienleiterin Gantschnig berichtet, von Politikerinnen, Leistungserbringern und Altersorganisationen. Ältere Menschen selber erfuhren an Vorträgen davon. 

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