Produktebild mit rohen Gelberbsen, fermentierter Masse und Pasta in Rot, Orange und Gelb
Fermentation

Kleine Erbse, grosses Potenzial

27.05.2025
1/2025

Wer kein Fleisch isst, hat häufig Hülsenfrüchte auf dem Teller. Diese enthalten viel Eiweiss, aber kein Vitamin B12 und sind oft schwer verdaulich. Einem Team der ZHAW ist es gelungen, dies dank mikroskopisch kleinen Helferlein zu ändern.

Sie ist klein, uralt und ein bisschen in Vergessenheit geraten – obwohl sie viel kann. Die Gelberbse wurde bereits 7000 Jahre vor unserer Zeitrechnung im Vorderen Orient kultiviert, verbreitete sich in der Jungsteinzeit in Mitteleuropa und war in der Schweiz noch vor 200 Jahren ein Grundnahrungsmittel, getrocknet oder als Mus zubereitet. Doch dann kam die grüne Erbse, gezüchtet für Adlige, die sich vom Mus essenden, einfachen Volk abheben wollten, und schliesslich brachte die Industrialisierung Wohlstand – und damit mehr Fleisch für alle. Heute ist die Gelberbse zwar wieder etwas bekannter, fristet neben anderen Hülsenfrüchten wie der Kichererbse aber nach wie vor ein Schattendasein. In der Schweiz wird die Gelberbse zwar angebaut, aber vor allem für Tiernahrung verwendet – und seit einigen Jahren für vegane Ersatzprodukte. An der ZHAW wurde das Potenzial der Schweizer Gelberbse zwischen April 2021 und September 2024 im Rahmen des Forschungsprojekts CREATE untersucht – mit Resultaten, die zu weiterführenden Forschungen und zu neuen Produkten führen könnten.  

Gesünder und verträglicher machen

Susanne Miescher Schwenninger, Forschungsgruppenleiterin und Dozentin am Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation, hat das Projekt CREATE geleitet. «Die Gelberbse ist ein proteinreiches Lebensmittel», sagt sie. «Mit unserem Forschungsprojekt wollten wir nun herausfinden, ob und wie wir sie noch gesünder und verträglicher machen können.» Dies mit Fokus auf die spätere Verwendung der Gelberbse – beziehungsweise von deren Mehl – in Produkten für eine pflanzenbasierte Ernährung. Diese gilt als gesund und nachhaltig und wird immer beliebter: In den letzten fünf Jahren nahm die Zahl der Personen in der Schweiz, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, gemäss repräsentativen Studien stets zu. 2024 zählte der Verein Swissveg 308 000 Personen, die sich vegetarisch,  und 50 000, die sich vegan ernähren. Ein Problem bei der rein pflanzlichen Ernährung: «Vitamin B12 fehlt. Weil es lebenswichtig ist, muss es supplementiert werden», sagt Miescher Schwenninger. Dem Team rund um die Forscherin ist es im Rahmen des Projekts nun gelungen, Gelberbsenmehl unter anderem mit B12 anzureichern – und zwar durch Fermentation. «Wir hatten bereits Erfahrung in der Fermentation von anderen Hülsenfruchtproteinen», erzählt die Forscherin.

Bei einer Fermentation wandeln Mikroorganismen wie Bakterien oder Hefen bestimmte Inhaltsstoffe eines Rohstoffes auf natürliche Weise in andere Stoffe um. Ein bekanntes Beispiel ist der Sauerteig: Bei diesem entstehen durch die Aktivität von Milchsäurebakterien und Hefen unter anderem Säuren und Kohlendioxid.

«Wir haben natürliche Organismen gekonnt eingesetzt, um ­etwas Natürliches noch ­besser zu machen.»

Susanne Miescher Schwenninger, Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation

14 000 Stämme, aber welche passen?

Das Ziel der Forschenden um Miescher Schwenninger war nun, das Gelberbsenmehl mit Mikroorganismen zu fermentieren, die nebst B12 auch Folsäure bilden. Diese wirkt im Stoffwechsel gemeinsam mit B12 und ist ein Vitamin, das über die Ernährung – auch bei einer Ernährungsweise mit tierischen Produkten – ebenfalls schwieriger aufzunehmen ist. «Unser drittes Ziel war, dass durch die Fermentation sogenannte FODMAPs abgebaut werden», sagt Susanne Miescher Schwenninger weiter. Gemeint sind eine Gruppe von Kohlenhydraten und Zuckeralkoholen, die in Gelberbsen und anderen Hülsenfrüchten vorkommen und für Verdauungsbeschwerden sorgen können. «Ohne FODMAPs sind Gelberbsen also besser verträglich.»

Eine Herausforderung im Forschungsprozess war, Mikroorganismen zu finden, die während der Fermentation des Gelberbsenmehls genau diese drei Dinge tun: B12 und Folsäure bilden sowie FODMAPs abbauen. Dabei hatte das Team die Qual der Wahl, denn im Gefrierschrank des Instituts für Lebensmittel- und Getränkeinnovation in Wädenswil lagern mehr als 14 000 Stämme von Mikroorganismen bei minus 86 Grad Celsius. Mittels einer Literaturrecherche konnte die Auswahl eingegrenzt werden. Schliesslich testete das Team rund 500 Stämme auf dem Gelberbsenmehl, experimentierte mit Temperatur und Wassermenge – und fand am Ende jene drei Mikroorganismen, die am besten wirkten. Anschliessend folgten Versuche, die fermentierte Masse zu verarbeiten. «Wir haben rasch gemerkt, dass es sich in dieser Form nicht für Fleischersatz eignet, was zu Beginn eigentlich ein Fokus gewesen war», sagt die Forschungsgruppenleiterin. «Grosses Potenzial sehen wir aber für die Herstellung von Pasta oder auch Snacks, ähnlich wie Erdnussflips.»

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Für das Projekt hatten sich drei Forschungsgruppen der ZHAW zusammengetan. «Wir haben in den gut drei Jahren interdisziplinär und komplementär eng zusammengearbeitet», sagt Susanne Miescher Schwenninger. Während die Lebensmittelbiotechnologie beispielsweise erforscht hatte, bei welchen Temperaturen die Mikoorganismen-Stämme das Erbsenmehl am besten fermentieren, hatte das Team Lebensmitteltechnologie von Nadina Müller überprüft, wie sich das fermentierte Erbsenmehl zu Endprodukten weiterverarbeiten lässt. Verschiedenste Analysen übernahmen die Forschungsgruppe Lebensmittelchemie rund um Irene Chetschik und das Labor für Lebensmittelbiochemie der ETH. Begleitet wurde das Projekt zudem von der Planted Foods AG.

CREATE habe auf jeden Fall weiteres Forschungspotenzial auf dem Gebiet der Fermentation von Hülsenfrüchten aufgezeigt, so das Fazit von Susanne Miescher Schwenninger. Und auch wenn ihre Arbeit für manche auf den ersten Blick künstlich erscheinen mag, vielleicht weil sie im Labor passiert: «Es gibt eigentlich nichts Natürlicheres als eine Fermentation. Deshalb haben wir gerade im Projekt CREATE nichts Künstliches erschaffen, sondern natürliche Organismen gekonnt so eingesetzt, dass sie etwas Natürliches noch besser machen, auf natürliche Weise.» Und wer weiss – vielleicht führt genau das in Zukunft dazu, eine kleine, uralte und etwas in Vergessenheit geratene Bohne wieder stärker in unser Bewusstsein zu holen.

2 Kommentare

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  • S

    Sara Blaser
    02.06.2025, 10.22
    Vielen Dank für diese Rückmeldung. Wir freuen uns über Ihr Interesse. Probieren ist leider noch nicht möglich, aber sobald dies der Fall sein wird, werden wir auf unseren Social-Media-Kanälen informieren.
  • G

    Graf Karin
    01.06.2025, 13.42
    Fantastische Erkenntnis. Gerne möchte ich diese fermentierte Erbsen-Pasta kosten. Ist das möglich?