
«Nicht alle Studierenden müssen Startups gründen»
Seit Februar 2025 ist Regula Jöhl Rektorin der ZHAW. Im Interview spricht sie über ihren Start, eine offene Hochschulkultur und was sie von der neuen Hochschulstrategie hält.
Interview: Sara Blaser
Regula Jöhl, wie haben Sie die ersten zwei Monate im Amt als Rektorin erlebt?
Es war eine intensive und tolle Zeit. Ich habe mich vor allem darauf konzentriert, alle Departemente zu besuchen und möglichst viele Leute kennenzulernen. Das bietet einen guten Boden dafür, mir ein Bild von der ganzen Institution zu machen. Ich fühle mich sehr willkommen und habe sehr viel gelernt.
Haben Sie bei diesen Besuchen etwas Überraschendes erfahren?
Total überrascht hat mich nichts, aber die enorme Themenbreite der ZHAW ist mir noch bewusster geworden. Es hat mich sehr beeindruckt, wie viel Know-how an dieser Hochschule vorhanden ist.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Ich bin eine ausgesprochene Teamplayerin, denn ich bin überzeugt, dass mehrere Köpfe zu besseren Ideen gelangen als ein einziger. Ziele gemeinsam zu entwickeln und zu verfolgen, ist für mich zentral – und Erfolge zu feiern. Ich gehe davon aus, dass wir alle unsere Verantwortung wahrnehmen, und gebe den Mitarbeitenden darum gerne möglichst viel Freiraum. Ich möchte ein Arbeitsklima fördern, in dem man offen miteinander kommuniziert und auch Schwierigkeiten ansprechen kann. Gleichzeitig möchte ich davon ausgehen können, dass die Entscheidungen, die ich treffe, mitgetragen werden.
In Ihrer Position ist der Terminkalender sehr voll. Ist es überhaupt möglich, den Dialog zu führen und Offenheit zu signalisieren?
Natürlich werde ich nicht mit allen Mitarbeitenden persönliche Gespräche führen können, aber es ist mir wichtig, genug Raum für Austausch zu haben mit den Personen, die direkt an mich rapportieren. Ausserdem möchte ich durch die Teilnahme an Veranstaltungen signalisieren, dass ich ansprechbar bin.

«Ich bin überzeugt, dass mehrere Köpfe zu besseren Ideen gelangen als ein einziger.»
Kurz vor Ihrem Amtsantritt trat die überarbeitete Hochschulstrategie in Kraft. Sind Sie glücklich mit dem neuen Fokus auf Entrepreneurship oder hätten Sie einen anderen Fokus gesetzt?
Ich hätte noch Veto einlegen können, wenn ich Einwände gehabt hätte. Ich bin aber sehr einverstanden mit den drei Stossrichtungen transformativ, unternehmerisch und europäisch. Transformativ müssen wir als Hochschule sowieso sein, uns stetig weiterentwickeln und Fachkräfte für den Arbeitsmarkt ausbilden, der immer neue Anforderungen stellt. «Unternehmerisch» bedeutet für mich die Grundhaltung, beweglich zu bleiben und sich immer wieder zu überlegen, wohin man will, welche neuen Themen aufkommen und wie man diese sinnvoll angeht, umsetzt und verknüpft. Es bedeutet nicht, dass alle Studierenden Startups gründen müssen – wobei ein paar Startups natürlich toll sind. Aber viel wichtiger ist, dass wir eine unternehmerische Haltung leben: den Status quo kritisch hinterfragen, Möglichkeiten für Verbesserungen ausloten und agil bleiben. Und unter «europäisch» verstehe ich unsere Verantwortung, Studierende und Weiterbildungsteilnehmende für den internationalen Arbeitsmarkt fit zu machen. Unsere internationalen Beziehungen sollen sich nicht nur auf Europa beschränken, aber ich finde es richtig, dass wir hier den Fokus setzen.

Eine aktuelle Kampagne der ZHAW soll Mitarbeitende dazu motivieren, ihre Auslandreisen mit dem öV statt dem Flugzeug anzutreten. Wie lässt sich Ihrer Meinung nach die Gratwanderung zwischen dem Ausbau der internationalen Beziehungen und der Reduktion der Flugreisen realisieren?
Auf keinen Fall würde ich Flugreisen ganz verbieten. Das wäre weder dienlich noch zeitgemäss. Die internationale Vernetzung ist für uns als Hochschule wichtig. Aber das Bewusstsein für einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen sollten wir schärfen. Sind Projekte aufgegleist und persönliche Kontakte hergestellt, lässt sich vieles online machen. Diese Art der Zusammenarbeit leben und auch einfordern sehe ich als richtigen Weg für uns.
Was sind die wichtigsten Fähigkeiten, die eine Hochschule ihren Studierenden in Zeiten von künstlicher Intelligenz vermitteln muss?
Zentral ist es, dass wir den Studierenden beibringen, wie man KI-Tools verwendet, und gleichzeitig, dass man diese auch kritisch hinterfragen soll. KI ändert nichts daran, dass es in jedem Fachbereich eine Basis an Fachwissen gibt, die sich die Studierenden nach wie vor selbst erarbeiten müssen. Sie benötigen ein Bewusstsein dafür, wo KI sinnvoll eingesetzt werden kann und wie sich die Arbeit dadurch verändert.
Der Bundesrat hat mit dem Entlastungspaket 2027 massive Einsparungen im Bildungsbereich angekündigt. Was löst das bei Ihnen aus?
Grundsätzlich das Bewusstsein, dass es wahrscheinlich nicht so üppig weitergeht wie bisher. Ich mache mir aber keine Sorgen um die ZHAW. In der Pandemie hat sie Resilienz und Flexibilität bewiesen. Die Frage, wie man auf Veränderungen in der Finanzierung reagiert, muss man sich aber sowieso kontinuierlich stellen. Das müssen wir dann einfach intensiver machen. Und Mittel ohne Ende hatten wir bisher auch nicht zur Verfügung, nur um das klarzustellen.

«Eine unternehmerische Haltung ist mir wichtig: den Status quo kritisch hinterfragen, Möglichkeiten für Verbesserungen ausloten und agil bleiben.»
Wo würden Sie bei Budgetkürzungen Prioritäten setzen und wo eher Abstriche machen?
Das kann ich nicht pauschal sagen. Ich würde nicht bei allen Departementen dieselben Prioritäten setzen, denn sie unterscheiden sich enorm. Man müsste individuell entscheiden, welche Massnahmen wo nötig sind, um die Qualität zu wahren.
Wo sehen Sie unausgeschöpftes Potenzial bei der ZHAW?
Ich glaube, es läuft extrem viel. Mehr rausholen kann man immer, ich denke dabei zum Beispiel an unsere Mitgliedschaft bei der europäischen Hochschulallianz EELISA, die noch sehr jung ist. Ausserdem können wir bestimmt noch mehr Synergien nutzen zwischen unseren strategischen Schwerpunkten, wie auch bei Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Es lohnt sich, wenn man sich eine Zeit lang stark mit einem Thema beschäftigt und dann daraus Erkenntnisse für andere Bereiche ableitet und wieder neue Schwerpunkte setzt.
Wenn wir in einem Jahr wieder zusammensitzen – was wäre für Sie ein Zeichen, dass es ein gutes erstes Amtsjahr war?
Für mich hat Priorität, dass ich die ZHAW gut kennenlerne, dass wir zu einem Team zusammenwachsen und dass wir eine gemeinsame Vorstellung haben, wohin wir wollen. Wenn ich sehe, dass wir schon das eine oder andere bewegt und bewirkt haben, wäre das für mich Erfolg.
Zur Person
Regula Jöhl studierte Biotechnologie an der ETH Zürich und promovierte 1996 in angewandter Mikrobiologie an der Universität Basel. Nach beruflichen Stationen an der ETH Zürich und der Fachhochschule OST hatte sie leitende Funktionen an der Kalaidos Fachhochschule inne und war danach Direktorin der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz. Seit gut zwanzig Jahren engagiert sie sich zudem in der Förderung von Startups, etwa als Jurymitglied bei Venture Kick oder beim Startup-Fund des SECO.
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