Pflanzliche Dämmstoffe als CO2-Senke?
ZHAW-Forschende wollen zusammen mit Forschenden der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) ein neuartiges Dämmmaterial aus pflanzlichen Rohstoffen oder Abfällen entwickeln, das das darin enthaltene CO2 durch eine spezielle Hitzebehandlung dauerhaft bindet – und somit als CO2-Senke fungiert.
Der Gebäudebereich ist der materialintensivste Sektor und einer der wichtigsten Treiber des globalen Klimawandels. Er ist verantwortlich für rund 40 Prozent des globalen Energieverbrauchs, für 30 Prozent der Treibhausgasemissionen und sorgt in der EU für 36 Prozent des anfallenden Abfalls. Da in den letzten Jahrzehnten erhebliche Anstrengungen unternommen worden sind, damit Gebäude weniger Energie verbrauchen, und im Betrieb des Gebäudeparks vermehrt erneuerbare Energie eingesetzt wird, haben sich die Treibhausgasemissionen hier merklich reduziert.
Herstellung der Baustoffe spielt eine wesentliche Rolle
Über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden spielt jedoch deren Erstellung sowie die Herstellung der Baustoffe ebenfalls eine wesentliche, im Vergleich zum Betrieb aber noch wenig beachtete Rolle. Bei modernen Gebäuden sind die «grauen» Treibhausgasemissionen, die auf die Erstellung des Gebäudes zurückgehen, ähnlich hoch wie die Emissionen aus dem Betrieb. Daher haben Baumaterialien, die der Atmosphäre langfristig CO2 entziehen, grosses Potenzial, den ökologischen Fussabdruck von Gebäuden zu senken.
Wie sich CO2 langfristig binden lässt
Ein neues Forschungsvorhaben basiert auf der Idee, CO2 in neu entwickelten Dämmstoffen langfristig zu binden. Dazu sollen pflanzliche Rohstoffe – idealerweise Abfallprodukte aus der Land- und Forstwirtschaft – zu Dämmmaterialien für Gebäude verarbeitet werden. Der grösste Teil des in der Biomasse gebundenen Kohlenstoffs, den die Pflanzen während ihres Wachstums in Form von CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen und gebunden haben, kann durch eine spezielle Hitzebehandlung dauerhaft fixiert werden; er bleibt in der so entstandenen «Pflanzenkohle» während der gesamten Lebensdauer des Gebäudes – und sogar weit darüber hinaus – gebunden: Wird dieses zurückgebaut, kann die Pflanzenkohle nämlich direkt in Äcker eingebracht werden. Dort erhöht sie die Fruchtbarkeit des Bodens und bleibt über Jahrhunderte bis Jahrtausende stabil – im Gegensatz zu anderen pflanzlichen Baustoffen, etwa Holz oder Zellulosedämmung, die bei der Verrottung oder thermischen Verwertung das gespeicherte CO2 wieder freisetzen.
«Bei dem CarNE-Projekt wird eine «Cradle-to-grave»-Analyse des Dämmstoffs durchgeführt, bei der das CO2-Emissionsreduktionspotenzial sowie die Umweltauswirkungen im Vergleich zu herkömmlichen Dämmstoffen auf fossiler Basis ermittelt werden.»
Die Idee zu dem Projekt entwickelte Luca Baldini, Co-Leiter des ZHAW-Zentrums für Bautechnologie und Prozesse, während seiner Zeit bei seiner früheren Arbeitgeberin Empa. Auch nach dem Wechsel an die ZHAW koordiniert der Spezialist für Gebäudeenergiesysteme und -technologien das Projekt «Carbon Negative Biochar-based Building Insulation Materials (CarNe)», in das weitere Forschende des ZHAW ICBT und des ZHAW IUNR involviert sind.
Das ambitionierte Konzept mit einem grossen Potenzial fand bei diversen Förderinstitutionen Anklang: Die Minerva-Stiftung, die sich unter anderem für einen nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen einsetzt, der ETH-Rat, das Bundesamt für Energie (BFE) sowie der Klimafonds der Stadt Winterthur wollen das Projekt fördern. Das Projekt ist Ende des vergangenen Jahres gestartet, und bis die Idee in die Praxis umgesetzt werden kann, gibt es noch viel zu tun.
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