«Vorerst steht für uns der soziale Impact im Vordergrund»

20.06.2023
2/2023

Innerhalb eines Jahres sind Davide Paparo und Ian Häusler von Studenten zu Jungunternehmern geworden, deren Hyperthermiegerät schon mehrere Jurys überzeugt hat.

Kutane Leishmaniose ist in unseren Breitengraden wohl den wenigsten ein Begriff. Im Äquatorialgebiet sei die Krankheit jedoch stark verbreitet, erzählt Ian Häusler, Mitgründer von DermatoTherma. Derzeit gebe es mindestens 12 Millionen Betroffene. Ausgelöst durch den Stich der Sandmücke, nistet sich der Parasit in den unteren Hautschichten ein und bildet geschwürartige Wunden. «Bisher wird die Krankheit mit einem Medikamentencocktail behandelt, der einer Chemotherapie gleicht», sagt Mitgründer Davide Paparo.

«Das einzige bisher zugelassene Gerät ist sehr teuer, schwer und kann zu Verbrennungen zweiten Grades führen.»

Davide Paparo, Mitgründer DermatoTherma

Mit dem Hyperthermiegerät von DermatoTherma hingegen werden die betroffenen Körperstellen 30 Sekunden lang auf 50 Grad erwärmt, sodass der Parasit abstirbt. Dass eine Hyperthermiebehandlung dieser Krankheit möglich ist, war bereits bekannt. Kutane Leishmaniose ist jedoch eine sogenannte vernachlässigte Krankheit: Wegen geringer Profitaussichten wird ihr von der medizinischen Forschung und der Pharmabranche wenig Beachtung geschenkt. «Das einzige bisher zugelassene Gerät ist sehr teuer, schwer und kann zu Verbrennungen zweiten Grades führen», erklärt Paparo. Im Auftrag der Non-Profit-Organisation DNDi (Drugs for Neglected Diseases initiative) stellten sich die beiden Systemtechnikstudenten der Herausforderung, im Rahmen ihrer Bachelorarbeit ein sicheres und erschwingliches Gerät zu entwickeln. Dazu optimierten sie die Hardware und fanden eine Methode, um die Temperatur konstant zu halten und Verbrennungen zu verhindern.

Auf Abräumjagd

Das Ergebnis überzeugt: Mit ihrem Businessplan sicherten sie sich bereits Fördergelder von der Gebert Rüf Stiftung (siehe Box) und von BRIDGE, einem Programm des Schweizerischen Nationalfonds und von Innosuisse, sowie Unterstützung vom ZHAW Sustainability Booster, einem Programm für nachhaltige Startup-Gründungen. «Hoch dekorierte Fachleute von renommierten Institutionen um Geld zu bitten, machte uns sehr nervös», gesteht Paparo, «aber der Gewinn dieser Wettbewerbe ist natürlich die beste Bestätigung für unsere Arbeit.»

Etappenziel: Zulassung der US-Arzneimittelbehörde

Mit den Geldern will das Team bis im Sommer das finale Gerät fertigstellen und dann die medizinische Zertifizierung durch die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA erreichen. Bis Februar 2024 sei das Ziel, weitere 1,8 Mio. Franken zu akquirieren, um die ersten Geräte herzustellen und zusätzliche Mitarbeitende einzustellen. Venturekapital versuchen die beiden jedoch möglichst zu umgehen. «Wir befürchten, dass Venturekapitalisten uns drängen würden, allzu schnell auf profitablere Märkte umzusteigen», erklärt Paparo. Das Hyperthermieverfahren wird auch in anderen Bereichen eingesetzt, etwa als Anti-Falten-Therapie. «Längerfristig planen wir tatsächlich auch, in weitere Märkte zu diversifizieren, aber vorerst steht für uns der soziale Impact im Vordergrund.»

«Unser Tipp für andere Gründungswillige: Einfach machen.»

Ian Häusler,  Mitgründer DermatoTherma

Ihren Erfolg verdanken sie gemäss Häusler vor allem ihrer Motivation und ihrem Engagement: «Wir haben ein Ziel vor Augen und arbeiten unermüdlich darauf hin.» Paparo räumt ein, dass sie dank den Fördergeldern auf keine Brötchenjobs angewiesen sind. Während Häusler neben DermatoTherma den Masterstudiengang Medizinaltechnik absolviert, widmet sich Paparo ausschliesslich dem Jungunternehmen. «Die Non-Profit-Organisation DNDi ist ein renommierter Partner und hilft uns, Kontakte zu knüpfen. Und an der ZHAW haben wir Arbeits- und Laborplätze sowie Ansprechpersonen fachlicher wie unternehmerischer Art.» Nichtsdestotrotz sei ein überzeugendes Produkt aber das A und O. Ihr Tipp an andere? «Einfach machen!», rät Häusler. In den vergangenen Monaten haben die beiden mehrere Kurse für Jungunternehmende besucht und enorm davon profitiert.

Interesse anderer Unternehmen

«Wer hätte gedacht, dass wir bereits vor Markteintritt von interessierten Unternehmen kontaktiert würden?», sagt Paparo. So haben die beiden alle Hände voll zu tun. 2024 ist der Markteintritt geplant. 2026 soll DermatoTherma profitabel sein. Weitere Projekte, wie etwa Daten über Hauteigenschaften sammeln, sind bereits angedacht. Zunächst soll aber das Gerät in einem der betroffenen Gebiete an Menschen getestet werden. Organisiert wird diese Studie von DNDi, die beiden Gründer wollen sich diese Eindrücke aber nicht entgehen lassen. «Wir gehen mit als technischer Dienst», schmunzelt Häusler. «… und nehmen ganz viel Mückenspray mit», ergänzt Paparo.

«First Ventures» – Förderprogramm für FH-Studierende

Die Gebert Rüf Stiftung fördert mit «First Ventures» Studierende, die in ihrer Bachelor- oder Masterarbeit innovative Geschäftsideen entwickeln. Es handelt sich dabei um das einzige Förderprogramm schweizweit, das sich rein auf Fachhochschulen konzentriert. Bis zu 150 000 Franken sowie ein Coachingprogramm warten auf die Gewinnerinnen und Gewinner. Der nächste Eingabetermin ist der 1. September. In diesem Jahr feiert die Stiftung ihr 25-jähriges Bestehen. Mitglied des interdisziplinär zusammengesetzten Stiftungrats ist Jean-Marc Piveteau, Rektor der ZHAW.

Weitere Arbeiten von ZHAW-Studierenden, die von der Gebert Rüf Stiftung unterstützt wurden, sind zum Beispiel «The Midwife Kit», ein E-Learning-Programm für Hebammen, das auf die Bedürfnisse von asylsuchenden Frauen eingeht. Oder «Aurora», ein intelligentes Lichtsystem für Gewächshäuser, das für verschiedene Pflanzen die idealen Lichtverhältnisse simuliert. Dadurch können nicht nur die Eigenschaften der Pflanzen, sondern auch der Energiebedarf in Gewächshäusern optimiert werden. Beiden Projekten verhalf das Förderprogramm zu einer erfolgreichen Firmengründung. 

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