
Was gibt es hinter dem Steuer noch zu tun?
Automatisiert fahrende Autos sind längst keine Science-Fiction mehr. Es drängen sich Fragen auf zu Einsatz und Umgang – auch in der Schweiz.
Ins Auto sitzen, das Fahrziel am Bordcomputer eingeben, sich entspannt zurücklehnen und später am Ziel erholt aussteigen. Was für eine angenehme Vorstellung. Seit dem 1. März sind automatisiert fahrende Autos in der Schweiz erlaubt. Wird dadurch die geschilderte Vorstellung zur reellen Möglichkeit? Und was müssen fahrzeuglenkende Personen heute und morgen können?
Bereits mit den bisherigen Automatisierungen durch Assistenzsysteme hat sich das Autofahren massiv verändert. Markus Hackenfort vom Departement Angewandte Psychologie der ZHAW befasst sich seit Jahren mit dem automatisierten Fahren und Fragen rund um Akzeptanz, Umgang und Verkehrssicherheit. «Zumindest scheinbar muss ich heute am Steuer viel weniger selbst machen als früher», sagt er. «Viele Automatisierungen dienen dem Komfort, aber auch der Sicherheit – sofern wir mit den Systemen umzugehen wissen.» Denn: «Mensch und Technik passen nicht immer sehr gut zusammen.»
In seinem aktuellen Forschungsprojekt sucht Hackenfort für das Bundesamt für Strassen Astra, zusammen mit der Beratungsstelle für Unfallverhütung BFU und anderen Projektpartnern, nach fundierten Antworten auf die Frage, was Lenkende im Umgang mit der Technik im Auto wissen müssen und wie die Fahrausbildung angesichts von automatisiert fahrenden Autos angepasst werden sollte.

«Wir sind eher bereit, Menschen Fehler zu verzeihen als der Technik.»
Mit dem Robotaxi zur Bushaltestelle
Unter «automatisiert fahren» werden verschiedene Stufen der Automatisierung zusammengefasst. Die Bandbreite reicht von «Level 1» mit Assistenzsystemen wie beispielsweise einem Tempomat bis zum völlig autonomen Fahren in «Level 5», das in allen Situationen ganz ohne Fahrerin auskommt.
Neuerdings erlaubt sind die Levels 3 und 4: vollautomatisiertes Fahren, das in gewissen Situationen und beschränkt auf bestimmte geografische Gebiete ohne Lenker möglich ist. Die eingangs geschilderte Vorstellung ermöglicht das allerdings noch nicht. Die Fahrzeuge sind vorerst nicht für Privatpersonen freigegeben, sondern für Organisationen in der Verkehrsbranche. Dazu gab es verschiedene Pilotprojekte, aktuell ist eines im Zürcher Furttal im Gang. Selbstfahrende Autos werden dort als eine Art Taxis eingesetzt, die das öV-Angebot ergänzen sollen. «In Regionen wie dem Furttal kann das sinnvoll sein, etwa weil die Leute teilweise weite Strecken bis zur nächsten öV-Haltestelle zurücklegen müssen», so Hackenfort. Gerade für Menschen mit eingeschränkter Mobilität aufgrund von Alter oder Behinderung kann das Angebot einen grossen Unterschied machen.
Für die gesamte Fläche der Schweiz ist vorerst nicht mit solchen Robotaxis zu rechnen. «Die Systeme der Autos müssen auf ein spezifisches Gebiet trainiert werden», erklärt Hackenfort. «Sie müssen die Strassen kennen, um sich darauf sicher automatisch bewegen zu können.» Ein Einsatz in einem klar definierten Gebiet oder in Städten wäre jedoch möglich, so Hackenfort. «Darum sollten wir uns heute schon die Frage stellen: Wie viele autonom fahrende Autos wollen wir insbesondere auf den innerstädtischen Strassen haben?» Das Projekt im Furttal soll unter anderem zeigen, wie die Bevölkerung auf selbstfahrende Autos reagiert.
Was die Sicherheit angeht, lässt sich heute noch nicht wissenschaftlich fundiert sagen, ob Level-4-Fahrzeuge – wie teilweise von Herstellern proklamiert – deutlich sicherer sind als von Menschen gelenkte Fahrzeuge. Dazu fehlt es schlicht an der nötigen Datenmenge. «Was wir aber wissen, ist, dass wir eher bereit sind, Menschen Fehler zu verzeihen als der Technik», sagt Hackenfort. Einzelne Unfälle, wie sie beispielsweise in San Francisco bereits vorgekommen sind, können das Vertrauen in das automatische System komplett erschüttern. Ob daran harte statistische Fakten etwas ändern könnten, müsste gemäss Hackenfort weiter erforscht werden.
Kontrolle abgeben und bei der Sache bleiben
Im Individualverkehr haben sich viele bereits an gewisse Automatisierungen gewöhnt. Skepsis gibt es manchmal noch von älteren Lenkern. Relativ verbreitet sind Fahrzeuge auf Level 2, die assistiertes Fahren, beispielsweise mit Spurhalteassistenz, ermöglichen. Level-3-Autos haben automatisierte Funktionen und können in einzelnen Situationen ohne permanenten Eingriff der Lenkerin fahren. In beiden Fällen gilt: Lenkende müssen «jederzeit übernahmebereit» sein. So verlangt es das Gesetz. «Doch selbst wenn wir das wissen, bleibt das Problem, dass wir Menschen nicht in der Lage sind, in einer scheinbar anspruchslosen Situation permanent aufmerksam zu sein», sagt Hackenfort. «Dazu kommt, dass wir nicht mehr ganz einsehen, warum wir uns hinter dem Steuer ständig bereithalten sollten, wenn wir erlebt haben, wie gut automatische Systeme funktionieren. Auch wenn es uns zu Beginn etwas komisch vorkommt, gewöhnen wir uns sehr schnell an den Komfort und geben rasch Kontrolle ab.» Der Psychologe weiss: Wenn wir mehrmals positive Erfahrungen gemacht haben, dann verlassen wir uns darauf, dass die Technik stets einwandfrei funktionieren wird. «Doch in seltenen Situationen funktionieren viele Systeme eben nicht. Und damit wären wir beim Sicherheitsproblem: Unfälle passieren immer in einer aussergewöhnlichen Situation.» Das zeigt, wie wichtig die permanente Übernahmebereitschaft ist.

«Menschen sind nicht in der Lage, in einer scheinbar anspruchslosen Situation aufmerksam zu bleiben.»
Um diese sicherzustellen, setzt man auf drei «E»: Engineering, Enforcement und Education. Erstens erinnern automatische Fahrsysteme die Lenkenden regelmässig an ihre Pflichten. Zweitens nimmt das Gesetz die Lenkenden in die Verantwortung: Wenn sie nicht übernahmebereit sind und darum einen Unfall verursachen, haften sie – nicht der Fahrzeughersteller. Und drittens ist es laut Hackenfort wichtig, dass fahrzeuglenkende Personen heute die Funktionsweise und die Grenzen von automatischen Systemen kennen und ein Bewusstsein dafür haben, warum man beim Fahren die Kontrolle behalten und bei der Sache bleiben muss.
Das heisst, dass auch in der Ausbildung und Fahrprüfung automatisiertes Fahren und ein sicherer Umgang damit Thema sein müssen. Es gibt also nicht weniger Lernstoff als bisher, sondern mehr.
(Headerbild: Adobestock/Scharfsinn86)
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