«Wenn man ein Startup aufbaut, weiss man nie, wie der nächste Tag wird»

20.06.2023
2/2023

Der Lebensmitteltechnologe und ZHAW-Absolvent José Amado-Blanco hat das Startup Yamo mitgegründet, das Baby- und Kindernahrungsmittel aus natürlichen Zutaten vertreibt. Er liebt es, sich mit komplexen Innovationen zu beschäftigen – und tüftelt bereits an neuen Ideen.

Wenn José Amado-Blanco morgens aufsteht, sagt er zu sich selbst: «Komm, wir verändern die Welt!» In einem Bereich hat der 35-Jährige das bereits getan. Zusammen mit Tobias Gunzenhauser und Luca Michas hat der Lebensmitteltechnologe vor sieben Jahren das Startup Yamo gegründet. 2018 begannen sie mit der Produktion von gesundem Babybrei, inzwischen sind Fruchtpürees, Riegel und Getränke für grössere Kinder dazugekommen. Was mit einer spielerischen Recherche unter Freunden anfing, ist inzwischen ein Startup mit 30 Mitarbeitenden, das seine Produkte nicht nur in der Schweiz, sondern auch in vielen europäischen Ländern wie Spanien, Deutschland, England und Belgien vertreibt.

Dubiose Inhaltsstoffe

Am Anfang dieser Idee stand 2016 der Wunsch der beiden Mitgründer, einen Monat lang vegan zu leben. Weil Gunzenhauser und Michas in dieser Zeit tierische Inhaltsstoffe vermeiden wollten, studierten die beiden die Zutatenlisten von Lebensmitteln. Was sie auf den Verpackungen von Müesli, Ravioli oder Brotaufstrichen lasen, schockierte sie: Wie viele ungesunde Zusatzstoffe in diesen Produkten stecken! Sie überlegten: Welches Lebensmittel ist wohl am naturbelassensten? Ihre Antwort: Babybrei! Doch Fehlanzeige: Auch auf der Zutatenliste von Babynahrung fanden sie dubiose Inhaltsstoffe. Sie beschlossen, es besser zu machen.

Tüfteln mit Gemüse und Früchten

Für die Gründung ihres Startups brauchten der Betriebswirtschaftler Tobias Gunzenhauser und der Marketingmanager Luca Michas noch jemanden, der etwas von Lebensmitteltechnologie versteht. Über freundschaftliche Verbindungen stiess José Amado-Blanco zum Team. Er hatte gerade den Master in Life Sciences in Food and Beverage Innovation am ZHAW-Departement Life Sciences and Facility Management abgeschlossen.

Gemeinsam gründeten die drei Jungunternehmer Yamo. Amado-Blanco war in den Anfängen für die Produktentwicklung zuständig. «Ich nervte meine ehemaligen ZHAW-Dozierenden so lange, bis sie mir einen Laborplatz und Messequipment zur Verfügung stellten», erinnert er sich schmunzelnd.  Amado-Blanco kaufte Karotten, Kartoffeln und Äpfel und tüftelte an Rezepturen. Das Ziel: ein Bio-Babybrei, der gut schmeckt und zu 100 Prozent natürlich ist – also ohne zugesetzten Zucker, zugeführte Salze oder Konzentrate.

«Ich nervte meine ehemaligen ZHAW-Dozierenden so lange, bis sie mir einen Laborplatz und Messequipment zur Verfügung stellten.»

José Amado-Blanco, Lebensmitteltechnologe

Das Resultat seiner Kochkünste gab der Lebensmitteltechnologe etwa fünfzig Müttern zum Testen. Von ihnen wollten er und seine Mitstreiter nicht nur wissen, wie sie den neuen Brei einschätzten, sondern auch, wie sie es generell mit der Nahrung für ihren Nachwuchs hielten. Die Jungunternehmer realisierten: Die meisten Mütter kochten den Brei selbst. Wer seinem Kind gekauften Babybrei verabreichte, fühlte sich schuldig. «Hierin erkannten wir die Marktlücke», erzählt Amado-Blanco: «Gesünderen Brei anbieten, den die Eltern ihren Kindern guten Gewissens geben können.»

Das Haltbarmachen als Herausforderung

Der Knackpunkt war das Haltbarmachen. Bei der herkömmlichen Sterilisation mit Hitze werden nicht nur Mikroorganismen abgetötet, sondern auch Vitamine zerstört – zudem verändern sich Geschmack und Farbe. Die Lösung fand Amado-Blanco in der Hochdruckpasteurisierung (HPP). Bei diesem physikalischen Verfahren werden mittels Druck lediglich unerwünschte Mikroorganismen und Enzyme deaktiviert, die restliche Qualität des Lebensmittels bleibt unverändert. Doch die HPP ist teuer und wird deshalb nur selten angewandt, etwa für das Haltbarmachen von Guacamole, Meeresfrüchten oder Fleisch für die Gastronomie. Bei Babynahrung, dachten die Yamo-Gründer, sind Eltern vielleicht bereit, für gute Qualität etwas mehr zu bezahlen.

«Ich bin ein Stratege, der etwas vom Produkt versteht, aber auch dafür sorgt, dass die Kasse stimmt.»

José Amado-Blanco, Startup-Co-Gründer

Sie behielten recht: Als sie die Babybreie 2018 auf den Markt brachten, zeigte die Verkaufskurve rasch steil nach oben. Bald entwickelten die Gründer weitere Produkte. Hergestellt werden diese gemäss den Rezepturen von Yamo von Partnern im Ausland: die Breie in Holland, die Fruchtpürees in Spanien, die Riegel in Frankreich und die Tetrapaks in Deutschland. Verkauft werden die Produkte inzwischen oft in grossen Supermarktketten; in der Schweiz etwa bei Coop und Alnatura. Den grössten Umsatz macht Yamo allerdings mit dem Online-Versand.

Neue Aufgaben für Amado-Blanco

Nicht nur das Startup veränderte sich rasch, sondern auch José Amado-Blancos Aufgabe: vom Tüftler zum Manager. Das gefällt ihm sogar noch besser. Er beschäftigt sich gerne mit dem grossen Ganzen, mit möglichst komplexen Innovationen. «Ich bin ein Stratege, der etwas vom Produkt versteht, aber auch dafür sorgt, dass die Kasse stimmt», sagt er. Diese Kombination von Wissenschaft und Wirtschaft sei das, was ihn interessiere und was er während seiner Ausbildung gelernt habe.

Zur Lebensmitteltechnologie war Amado-Blanco nach einem abgebrochenen Biologiestudium gekommen. Weil ihm die Naturwissenschaften alleine zu eng und zu wenig praxisnah waren, machte er an der Berner Fachhochschule einen Bachelor in Food Science und Management und anschliessend an der ZHAW in Wädenswil den Master. Für seine Masterarbeit ging er nach Honduras. Er versuchte herauszufinden, warum dort jeweils ein Drittel der Kakao-Ernte verschimmelte. Amado-Blanco reiste durch halb Mittelamerika, um die Erfahrungen anderer Kakao-Produzenten zu sammeln. Er stellte fest: Die honduranische Sonne reicht nicht, um den Kakao zu trocknen. Die Lösung: maschinelle Trocknungsanlagen. Schliesslich half der Student einheimischen Ingenieuren dabei, diese zu entwerfen und zu bauen.

Von zwei ZHAW-Dozenten inspiriert

Dass er ein Gründer-Typ ist, wurde José Amado-Blanco bereits während des Studiums klar. «Inspiriert wurde ich von zwei Dozenten an der ZHAW in Wädenswil», erzählt er. «Die beiden hatten je selbst ein Startup gegründet und wir führten sehr interessante Gespräche darüber.» Wer ein Startup aufbauen wolle, brauche vor allem eine Eigenschaft, sagt Amado-Blanco: «Man muss sich wohlfühlen angesichts von Ungewissheit. Man weiss nie, wie der nächste Tag wird.»

«Wenn die Arbeit erfüllend ist, dann braucht man auch weniger Ausgleich.»

José Amado-Blanco, ZHAW-Absolvent

Viele würden denken, ein Startup sei ein Chaoshaufen. Amado-Blanco kontert: «Das stimmt nicht. Aber wenn ein Unternehmen schnell wächst, dann kommt man nicht nach mit dem Anpassen der Strukturen.» Eine Struktur, die man für drei Personen aufgebaut habe, funktioniere nicht für sechs. Und kaum habe man sie für sechs Mitarbeitende angepasst, sei man schon zu zehnt. Zudem könne eine Änderung – wie zum Beispiel eine neue Konkurrenz auf dem Markt – zu einer grossen Krise führen. «Und dann schauen Belegschaft und Investoren zu den Gründern, die reagieren müssen. Das muss man aushalten können.»

Keine Work-Life-Balance nötig

Dazu kommt die zeitliche Belastung. José Amado-Blanco arbeitete sieben Jahre lang im Schnitt 70 Stunden pro Woche, manchmal auch 80. In dieser Zeit machte er lediglich fünf Wochen Ferien – insgesamt. Doch für ihn stimmte es so: «Ich mag den Begriff Work-Life-Balance nicht. Ich unterscheide nicht zwischen Arbeit und Freizeit, sondern versuche, beides sinnvoll zu verbinden». Sein Ziel sei es, immer so zu arbeiten, dass er genauso weitermachen würde, selbst wenn er nicht mehr auf einen Lohn angewiesen wäre. «Wenn die Arbeit erfüllend ist, dann braucht man auch weniger Ausgleich», betont er.

 

Und doch hat sich José Amado-Blanco gerade eine Auszeit gegönnt: Vor Kurzem ist er von einer dreimonatigen Reise durch Asien zurückgekehrt. Davor stieg er aus dem operativen Geschäft von Yamo aus, ist aber immer noch Teilhaber geblieben. «Es ist Zeit für eine Veränderung», sagt er. Wie es beruflich weitergeht, weiss er noch nicht. Er bewirbt sich auf ausgeschriebene Stellen, doch am liebsten würde er nochmals ein Startup gründen. «Ich bin am Ausarbeiten von drei Ideen», erzählt er. Zwei davon seien im Lebensmittelbereich – mehr verrät José Amado-Blanco noch nicht. Sicher ist einzig: Künftig möchte er seine einjährige Nichte regelmässig hüten.

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