«Wir Forschenden begleiten den Prozess»
Bei einem partizipativen Forschungsprojekt entwickeln Jugendliche der zweiten Generation ein Angebot für andere Jugendliche.
Eine Website mit Informationen zum Schweizer Schulsystem für Eltern, ein Treff für Jugendliche mit Migrationshintergrund, wo sie sich zu Rassismus oder Diskriminierung austauschen können, oder eine Informationsveranstaltung zum Leistungsdruck in der Schule: Diese Ideen haben Jugendliche im Rahmen des Projekts «Second Generation – eine partizipative Angebotsentwicklung für Jugendliche zweiter Generation» vom Institut für Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe des Departements Soziale Arbeit und dem Amt für Gesundheit des Kantons Zug entwickelt.
Letzteres hat das Projekt angestossen mit dem Ziel, die psychische Gesundheit von Jugendlichen der zweiten Generation zu fördern. Dazu zählen Personen, die in der Schweiz geboren wurden, aber mindestens einen Elternteil mit Migrationshintergrund haben. Gemäss Statistik trifft dies auf die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen in der Schweiz zu.
Welche Themen die Jugendlichen beschäftigen und was für Angebote es für sie braucht, war Gegenstand der ersten Projektphase. «Bei der partizipativen Forschung wird die Zielgruppe in den Entwicklungsprozess einbezogen. Dabei ist das Ergebnis völlig offen. Das ist ein wichtiges Element dieser Art von Forschung », erklärt Projektleiterin Dilyara Müller-Suleymanova. Das Forschungsteam arbeitete mit neun Jugendlichen der zweiten Generation als Co-Forschenden zusammen, deren Wurzeln auf verschiedenen Kontinenten liegen. Sie wurden in wissenschaftlicher Datenerhebung geschult und führten anschliessend Interviews mit Personen aus ihrem Umfeld. Mit diesem sogenannten Citizen-Science-Ansatz helfen junge Menschen, Erkenntnisse für die Wissenschaft zu sammeln, und gestalten Inhalte eines Forschungsprojekts mit.
«Die Jugendlichen bestimmten die Inhalte selbst und wir Erwachsenen begleiteten lediglich den Prozess.»
Bei der Ideenfindung und Entwicklung des Angebots arbeitete das Team mit der Design-Thinking-Methode. «Die Jugendlichen bestimmten die Inhalte selbst und wir Erwachsenen begleiteten lediglich den Prozess», blickt Müller-Suleymanova zurück. Entstanden sind die Ideen der Website, des Jugendtreffs sowie der Informationsveranstaltung in der Schule. Mindestens eine dieser Dienstleistungen soll durch die Integrationsfachstelle des Kantons Zug in die Praxis umgesetzt werden.
Einblicke in die Forschung erhalten
Die Zusammenarbeit mit dem Forschungsteam gab den Jugendlichen nicht nur die Möglichkeit, über ihre Herausforderungen zu sprechen, sondern auch Einblick in die Forschung. Dies war für einige eine völlig neue Erfahrung, stammten sie doch aus unterschiedlichen sozialen Schichten. Für zukünftige Citizen-Science-Projekte sei das eine wertvolle Erfahrung gewesen, sagt Müller-Suleymanova. «Wir mussten herausfinden, wie man die Jugendlichen am besten abholt und ins Projekt involviert.» Dazu gehörten auch organisatorische Fragen: Wie viel Zeit können sie aufwenden? In welchem Abstand sind Austausche sinnvoll? «Es zeigte sich, dass ein genauer Zeitplan für die Datenerhebung hilfreich ist.» Solche Erkenntnisse fliessen nun wieder in die Forschung zurück – zum Beispiel in Form einer wissenschaftlichen Publikation –, wenn möglich zusammen mit den Jugendlichen.
(Bild: Dilyara Müller-Suleymanova)
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