Zwischen Patientenkomfort und Kostendruck
Denkt man an ein Spital, denkt man an Medizin, Pflege, Betten und Operationen. Doch damit der ganze Betrieb funktioniert, wirkt im Hintergrund das Facility Management: Logistik, Verpflegung oder Reinigung sind seine Aufgaben. Die zunehmende Komplexität des Gesundheitswesens sowie die Digitalisierung fordern die Branche.
Rund 7000 Behälter wird das Lager für Kleinteile im Untergrund der neuen Gebäude des Universitätsspitals Zürich (USZ) umfassen. Transportroboter nehmen rund um die Uhr Bestellungen auf, etwa wenn auf einer Station mehr Hygienemasken benötigt werden. Die Roboter holen die Masken aus dem Regal, von wo diese vollautomatisch in die betreffende Station geliefert werden.
Wer an ein Spital denke, denke in erster Linie an Pflege, Ärzteschaft, Bettenstationen oder Operationssäle, schreibt das USZ auf seiner Website. Die Logistik dahinter werde meist weniger beachtet: «Eigentlich zu Unrecht, denn diese ist hochkomplex und dynamisch.»
Hohe Ansprüche an das Facility Management
Logistik, Infrastruktur, Hygiene und Reinigung sowie Hotellerie und Verpflegung: Das sind die grossen, übergeordneten Aufgabengebiete des Facility Managements im Gesundheitswesen. In einem Spital werden jeden Tag grosse Mengen an Gütern verschoben: von Operationsinstrumenten über medizinische Verbrauchsmaterialien bis zu Essenslieferungen. Einige Güter sind standardisiert, andere wie Medikamente oder Diätmenüs individuell abgestimmt.
All diese Güter müssen beschafft und bereitgestellt werden, die Energieversorgung ist zu gewährleisten oder Patientenzimmer müssen desinfiziert werden. Technik, Informatik und Fragen der Sicherheit gehören genauso zu den angestammten Gebieten des Facility Managements. Das Gesundheitswesen stellt hier besonders hohe Ansprüche: Die Verpflegung muss sich an unterschiedlichen Diäten für Patientinnen und Patienten orientieren, die Reinigung des Gebäudes etwa muss den medizinischen Hygieneanforderungen eines Spitals entsprechen.
Prozesse und Abläufe
Das Facility Management im Gesundheitswesen bewege sich in einem Spannungsfeld von Kostendruck und steigenden Ansprüchen an Gebäude und Patientenkomfort, sagt Michael Kauer. Er leitet die Weiterbildung am Institut für Facility Management und zusammen mit externen Fachexpertinnen den Studiengang CAS Facility Management in Health Care, welcher dieses Frühjahr zum ersten Mal gestartet ist. Im Frühling 2024 soll voraussichtlich ein zweiter Durchgang stattfinden.
In einem Spital sind Effizienz und Wirtschaftlichkeit bei gleichzeitiger Ausrichtung auf die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten wie Mitarbeitenden wichtige Ziele, erklärt er, weshalb ein spezieller CAS für das Gesundheitswesen wichtig ist. Leistungserbringer wie Spitäler oder Pflegeheime vernetzen sich immer mehr mit Kostenträgern wie Krankenkassen und müssen immer besser koordiniert werden, um Qualität, Sicherheit und Effizienz der Versorgung zu gewährleisten oder zu steigern.
«Gerade in der Logistik besteht eine grosse Chance für Digitalisierung und Robotics.»
Diese Entwicklung wird mit dem Begriff «integrierte Versorgung» bezeichnet: Zum Beispiel arbeiten Institutionen und Fachpersonen verbindlich in der ambulanten Erstversorgung zusammen, vereinbaren Ziele, Behandlungs- und Betreuungsprozesse oder Qualitätsrichtlinien. Dazu nutzen sie digitale Hilfsmittel: für Leistungserbringung, Logistik oder für den Einbezug von Patientinnen und Patienten. Zur integrierten Versorgung gehören etwa sogenannte HMO-Praxen (HMO steht dabei für Health Maintenance Organization, zu Deutsch Gesundheits-Erhaltungs-Organisation), Gesundheitszentren und Ärztenetze, aber auch Modelle des Case Managements, wo alle Institutionen und Fachpersonen rund um ein Krankheitsbild koordiniert werden.
Hintergrund dieser Entwicklung ist die zunehmende Spezialisierung von Facharzttiteln, Kliniken, aber auch von Fachpersonen der Pflege oder Physiotherapie. Das hat dazu geführt, dass immer mehr Fachpersonen an der Behandlung einer Spitalpatientin oder eines Spitalpatienten beteiligt sind, mit entsprechend vielen Kontaktpersonen, die über die Behandlung informiert sein müssen. Zudem nehmen chronische Erkrankungen zu, immer mehr Menschen haben auch mehrere solche Krankheiten: Sie benötigen nicht nur medizinische Pflege, sondern auch soziale Unterstützung.
«Das Facility Management unterstützt diese Entwicklung entscheidend, es hält quasi alles zusammen», fasst dies Michael Kauer zusammen. Denn jegliche Prozesse und Abläufe seien klassische Themen des Facility Managements.
Digitalisierung in der Logistik und der Reinigung
Gerade in der Logistik – in der Beschaffung, Lagerung, in Transport und Recycling – bestehe eine grosse Chance für Digitalisierung und Robotics, sagt Kauer, auf das Beispiel des USZ verweisend. In den geplanten Neubauten «Mitte1» und «Mitte2» des Universitätsspitals Zürich wird dabei gemäss eigenen Angaben Neuland betreten, indem Logistikkonzepte von Industrie und Handel auf die Spitalumgebung adaptiert werden. Von der Bestellung bis zur Auslieferung dauert es nur wenige Minuten. Wichtiger aber: Das Material wird dann geliefert, wenn es wirklich benötigt wird. Ziel ist es, Kosten zu sparen und leistungsfähiger zu werden. Das will das USZ nebst den automatischen Transportrobotern auch mit einer noch engeren Verknüpfung der Logistik mit den bestehenden IT-Systemen erreichen.
«Neben dem Pflegepersonal bringen auch das Facility Management und insbesondere die Hotellerie das Menschliche ins Spital.»
Automatisierung und Digitalisierung verändern auch Prozesse der Reinigung – ein weiterer zentraler Aufgabenbereich des Facility Managements. Kauer nennt als Beispiel den Desinfektionsroboter «Hero21», der seit gut zwei Jahren durch die Gänge des Universitätsspitals kurvt: Mit UV-C-Strahlen tötet das anderthalb Meter hohe Gerät Viren und Bakterien auf Oberflächen und in der Raumluft der Zimmer ab. Bei seiner Einführung war er der erste seiner Art in der Schweiz. Er vermisst die zu reinigenden Zimmer, und seine Programmierung erkennt speziell zu desinfizierende Stellen wie etwa das Bad, dabei orientiert er sich mittels eingebauter Sensoren. Das Reinigungspersonal absolviert den ersten Putzdurchgang und bedient den Roboter via Tablet, bevor das Zimmer wieder bereit ist für den nächsten Patienten.
Zusammenhänge herstellen
Angesichts dieser komplexen Entwicklungen hat Kauer den CAS umfassend aufgebaut: Thematisiert werden unter anderem Kennzahlensysteme, die Abstimmung von medizinischen mit nichtmedizinischen Prozessen, Qualitätsmanagement, Verpflegungstrends, Managementmodelle für Reinigung, aber auch Digitalisierung und Robotics.
Es gehe darum, «schlaue Zusammenhänge» herzustellen, sagt Kauer: zum Beispiel die Beschaffung von Lebensmitteln und anderen Gütern zu vereinheitlichen und über ein einziges System laufen zu lassen oder Neubauten auch aus logistischer Sicht mit den bestehenden Altbauten zu verbinden. Um dies zu erreichen, sollten FM-Spezialistinnen und -Spezialisten schon bei der Planung eines Neubaus einbezogen werden, indem etwa mithilfe eines «digitalen Zwillings» eines Gebäudes sämtliche Anforderungen des Immobilien- und Facility Managements aufgezeigt werden.
Das Menschliche einbringen
Doch beim Einsatz von digitalen Instrumenten im Facility Management gelte es immer zu fragen, wie sinnvoll dieser sei, so Kauer. Während sich die Beschaffung im Hintergrund gut digitalisieren lasse, sei es bei der Pflege etwa ganz anders. Hier spiele die Interaktion Mensch zu Mensch eine wichtige Rolle. Auch das Facility Management soll dies unterstützen: «Neben dem Pflegepersonal bringen auch das Facility Management und insbesondere die Hotellerie das Menschliche ins Spital», umschreibt dies Kauer.
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