Dringend gesucht: Energiefachleute

06.12.2022
4/2022

Die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen in der Schweiz ist so gross wie nie. Doch fehlt es den Betrieben an Fachpersonal, auch auf Führungsebene. Die Zahl der Neueintritte im Studiengang Energie- und Umwelttechnik an der ZHAW hat dieses Jahr deutlich zugenommen.

Noch schnell eine Solaranlage aufs Dach, eine neue Wärmepumpe in den Keller. Das scheinen sich gerade viele Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer in der Schweiz vorgenommen zu haben. Nur: Wer solls richten? Photovoltaikunternehmen und Gebäudetechnikfirmen suchen händeringend nach Personal, weiss Franz Baumgartner, Dozent für Photovoltaik und erneuerbare Energien an der ZHAW School of Engineering in Winterthur. «Es fehlt an Fachleuten auf allen Ebenen.»

Dreimal mehr Personal in der Photovoltaikbranche bis 2027

Der Ausbau von erneuerbaren Energien, allen voran dem Solarstrom, soll nun also an Fahrt aufnehmen. Dafür sei es auch höchste Zeit, sagt Baumgartner: Soll, wie in der Energiestrategie des Bundes vorgesehen, bis 2050 Solarstrom im Umfang von 34 Terawattstunden gewonnen werden, müssen laut dem ZHAW-Experten jährlich Photovoltaikanlagen mit einer Kapazität von mehr als einem Gigawatt installiert werden.

Gute Jobaussichten

Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Photovoltaikbereich dürfte sich in in den kommenden fünf Jahren deshalb verdreifachen — von 10’000 auf 30’000 Personen, die dann wohl auch einen Teil der Nachfrage nach Wärmepumpen abdecken werden, wie Baumgartner schätzt. Was den Ausbau anderer erneuerbarer Energien betreffe, werde es dagegen noch etwas dauern: Wasserstoff sei bislang zu teuer, Windkraft werde in der Schweiz meist durch Einsprachen verhindert. «Die meisten Jobs entstehen dort, wo derzeit Milliarden von Schweizer Franken investiert werden», so der Wissenschaftler. Ein solcher Ausbau im Bereich von Photovoltaik und Wärmepumpen bedeute vor allem viel mehr eigens für diese Branchen geschulte Monteure, Installateure oder Projektplanerinnen – aber ebenso etwa 1500 neue Führungskräfte, die über vertieftes Technikwissen im Bereich der erneuerbaren Energien verfügen und dieses auch anwenden können. 

Doppelt so viele Absolventinnen und Absolventen wären nötig

«Genau solche Ingenieurinnen und Ingenieure bilden wir in unserem Studiengang aus», sagt Studiengangleiter Baumgartner. Die ZHAW School of Engineering hat 2012 den Studiengang Energie- und Umwelttechnik (EU) eingeführt – etwa zum selben Zeitpunkt, wie auch andere technische Fachhochschulen einen vergleichbaren Bachelorstudiengang ins Leben gerufen haben. Bisher habe die Zahl der Neueintritte aller technischen Fachhochschulen in diesem Bereich stets bei etwa 200 pro Jahr gelegen, gut 40 davon jeweils an der ZHAW.

Grosse weltpolitische Ereignisse wie die Reaktorkatastrophe in Fukushima oder die Klimastreiks hätten entgegen der Erwartung dabei kaum einen Einfluss auf die Zahl der Anmeldungen ausgeübt, stellt Baumgartner fest, der den Studiengang leitet. «Das dürfte dieses Mal anders sein.» So hätten heuer doppelt so viele Interessierte den Studientag besucht wie noch im Vorjahr und sich ein Drittel mehr Personen für das Studium im Herbst angemeldet; auch halte der Trend zu mehr Frauen an. Damit die Nachfrage nach Führungskräften längerfristig bedient werden könne, benötigten aber sowohl ZHAW als auch andere technische Fachhochschulen künftig doppelt so viele Absolventinnen und Absolventen wie bisher.

Thermische wie auch elektrische Energietechnik

«Der Kern unseres Studiengangs war von Anfang an eine kombinierte Ausbildung in thermischer und elektrischer Energietechnik», erzählt Baumgartner, dessen Absolventinnen und Absolventen heute Photovoltaikanlagen für grosse Energieversorger planen oder Wärmepumpen für Solarunternehmen oder in der Gebäudetechnik realisieren. «Das zahlt sich jetzt aus.» So würden Studierende der Energie- und Umwelttechnik an der ZHAW nicht nur lernen, wie man etwa Nahwärmenetze plant und baut, sondern auch, wie unterschiedliche Solarzellentechnologien funktionieren oder elektrische Stromspeicher entwickelt werden.

Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen gemeinsam

Die klassische Trennung von Elektroingenieur- und Maschineningenieurwissenschaften, so wie sie früher üblich war, hält der ZHAW-Dozent für wenig zweckmässig – würden Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen doch heute oft zusammen realisiert. Gerade kleine Betriebe dürften sich zudem kaum zwei Fachleute leisten können, sondern brauchen eine einzige Person, die beides kann. Und nicht zuletzt, fügt Baumgartner an: «Die Wende der Heizsysteme – weg von Öl und Gas also, hin zur Wärmepumpe – macht nur in der Kombination mit Solarstrom wirklich Sinn – und sie ist in kurzer Frist machbar.»

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