Gesundheit ist das grösste Privileg

20.06.2023
2/2023

Schweiz–Ghana: Die Pflegefachfrau Christina Schuler zieht es seit Jahren immer wieder nach Ghana, wo sie arbeitet, forscht und eine zweite Heimat gefunden hat.

Vor 14 Jahren kam ich durch ein Kulturaustauschprogramm erstmals nach Ghana und arbeitete in einem Spital. Zurück in der Schweiz, absolvierte ich einen MAS in International Health und schrieb meine Masterarbeit in Ghana. Danach war ich dort 14 Monate für eine NGO tätig, die Gesundheitsberatung für Familien zu Schwangerschaft und erster Elternzeit anbietet. Es folgte ein Masterstudium in Pflege an der ZHAW. Die Masterarbeit baute auf meiner ersten Arbeit in Ghana auf. Heute bin ich wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ZHAW und doktoriere in «Global Health» an der Universität Genf – auch hier mit einem Projekt in Ghana im Bereich Familienbetreuung. Dass ich meine akademische Laufbahn überhaupt gewagt habe, verdanke ich vor allem meiner ghanaischen Supervisorin Faith Agbozo, die mich immer bestärkt und kritisches Feedback gegeben hat.

Infrastruktur unterstützt Gesundheit

In Ghana ist die Kindersterblichkeit viel höher als in der Schweiz. Es ist oft hart mitanzusehen, wie Krankheiten schlimmer ausfallen, als sie müssten, weil grundlegende Infrastruktur in den Spitälern fehlt. Ein CPAP-Beatmungsgerät (Anmerkung d. Red.: CPAP steht für Continuous Positive Airway Pressure) etwa ist kaum vorhanden. Es hilft einfach und effektiv bei Atemnot – ist kein solches Gerät vorhanden, können die Folgen fatal sein. In Ghana gibt es zwar eine Krankenversicherung, doch sie deckt nicht sehr viel und nützt nur wenig, wenn man die Ausgaben nicht selbst vorlegen kann. Ich erinnere mich an eine frischgebackene Mutter, die einen Brustabszess hatte. Nach einem Eingriff ohne Anästhesie – weil im Spital keine Fachperson vor Ort war – heilte die Entzündung nicht und ein weiterer Eingriff war nötig. Dazu musste die Mutter in eine andere Klinik. «Meine» NGO konnte ihr dabei helfen, aber allein hätte sie nicht einmal das Geld für den Bus gehabt. Die Arbeit in Ghana macht mir immer wieder bewusst, dass Gesundheit ein Privileg ist.

Christina Schuler sieht sich nicht als Weltverbesserin, sondern will ihren Horizont erweitern. 

Intensiv leben

Ich liebe es immer wieder, in Ghana anzukommen. Kaum steige ich aus dem Flugzeug, legt sich die warme, feuchte Luft wie eine Decke um mich und die Sonne sorgt für gute Laune. Ich brauche keine Zeit, um mich zu akklimatisieren, sondern fühle mich sofort zu Hause. Das Leben findet draussen im Freien statt und Musik ist immer mit dabei. Mir gefallen vor allem Afrobeats, eine Mischung aus afrikanischen Rhythmen und Hip-Hop. Die Menschen sind sehr herzlich, wir lachen miteinander und ich empfinde das Leben intensiver als in der Schweiz. Wenn ich von Ghana erzähle, merke ich oft: In vielen Köpfen ist das Bild vom armen Afrika verankert, das dringend Hilfe vom hoch entwickelten Europa benötigt. Ich sehe mich aber keineswegs als Weltverbesserin. Mir ging es immer darum, meinen Horizont zu erweitern, und ich finde, ich profitiere mehr, als ich helfe.

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