Hybride Arbeitswelt

Home Office als Wertschätzung und Vertrauensbeweis 

11.04.2024
1/2024

Das Home Office ist spätestens seit der Pandemie aus dem Arbeitsleben vieler Menschen kaum mehr wegzudenken. Die neuste Studie des IAP Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW ist den Folgen des neuen Arbeitsalltags auf den Grund gegangen.

Das Home Office ist gekommen, um zu bleiben. Spätestens seit der Pandemie haben sich Arbeitsmodelle wie das hybride Arbeiten fest etabliert. Ein Arbeitsalltag, in dem Aufgaben nicht nur im Grossraumbüro, sondern auch am heimischen Küchentisch erledigt werden und Arbeitszeiten flexibel gestaltet werden können, ist heute selbstverständlich für jene, die ihren Arbeitstag hauptsächlich am Bildschirm verbringen.

Die neuste Studie des Instituts für Angewandte Psychologie der ZHAW widmet sich deshalb den langfristigen Folgen hybriden Arbeitens: Wie verändern sich Zusammenarbeit und Zusammenhalt im Team, wenn man nicht mehr so oft physisch beisammen ist? Welchen Einfluss hat das Home Office auf die Unternehmensbindung? Die IAP Studie 2023 ist Teil der Studienreihe «Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0» und sowohl quantitativ als auch qualitativ angelegt: Die Arbeit umfasst eine Onlineumfrage von knapp 500 Personen aus diversen KMU und Grossunternehmen in der Schweiz sowie vertiefende Interviews mit mehreren Fokusgruppen.

Führungspersonen arbeiten etwas mehr vor Ort

Generell bestätigt die Studie: Seit der Pandemie arbeiten Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeiter klar häufiger von zu Hause aus als davor und bewerten das neue Arbeitsmodell weitgehend als positiv. (Drittorte wie Cafés oder Co-Working-Spaces werden selten in Anspruch genommen.) Das hybride Arbeiten hat im Alltag der sogenannten Schreibtischarbeitenden (Desk-Bound Workers) also einen festen Platz eingenommen. «Insgesamt verbringen die Befragten aber nach wie vor mehr Tage im Unternehmen als im Home Office», betont Birgit Werkmann-Karcher. Sie ist Co-Leitung, Beraterin und Dozentin am Zentrum für Human Resources & Corporate Learning der ZHAW – und gemeinsam mit anderen ZHAW-Forscherinnen verantwortlich für die Studie. «Im Schnitt arbeitet man drei Tage vor Ort und zwei Tage ausserhalb», so die Wissenschaftlerin. Führungskräfte seien dabei noch etwas mehr im Betrieb anzutreffen als andere Mitarbeitende.

«Insgesamt verbringen die Befragten aber nach wie vor mehr Tage im Unternehmen als im Home Office.»

 Birgit Werkmann-Karcher, Co-Leitung Zentrum für Human Resources & Corporate Learning

«Über 90 Prozent der Befragten gaben ausserdem an, dass ein Stellenwechsel nur dann für sie infrage käme, wenn sie auch am neuen Arbeitsort mindestens einen Tag pro Woche im Home Office arbeiten könnten», fügt Werkmann-Karcher an. Die Möglichkeit hybriden Arbeitens scheint auch bei einem Jobwechsel ein wichtiges Kriterium zu sein. 

Gut beurteilt wird in der Studie auch der Zusammenarbeit im Team. Fast einhellig geben die Teilnehmenden an, sich auf die Unterstützung ihrer Kolleginnen und Kollegen verlassen zu können. Die grosse Mehrheit stellt ausserdem keine Zunahme von Konflikten fest. Probleme würden meist angesprochen und auf konstruktive Weise gelöst. Manche sagten laut Werkmann-Karcher sogar, dass sie sich nun ganz bewusst auf die Tage freuten, an denen sie den Kolleginnen und Kollegen im Büro begegnen.

«Gerade Arbeitsatmosphäre und Arbeitskultur müssen expliziter vermittelt werden als früher.»

Birgit Werkmann-Karcher, Beraterin und Dozentin am IAP

Gleichzeitig nimmt jeder und jede dritte Befragte die Teambindung als schwächer wahr, seit vermehrt im Home Office gearbeitet werde. Das sei zwar deutlich weniger, als sie und ihre Projektkolleginnen erwartet hätten, sagt die ZHAW-Forscherin. «Wir gingen von Zustimmungsquoten von 50 Prozent oder mehr aus.» Ernst nehmen müsse man das Ergebnis trotzdem: «Ein Drittel ist nicht nichts.» Gleichzeitig scheine aber weder die Freude an der Zusammenarbeit noch die Produktivität darunter zu leiden, wenn sich die Teambindung etwas abschwäche.

Teambindung nimmt ab – Bindung an die Organisation bleibt fast unverändert

All diese Ergebnisse dürften aber vor allem die Sicht jener spiegeln, deren Zusammenhalt einst noch auf dem Fundament entstanden war, dass alle jeden Tag am selben Ort arbeiten. Was aber, wenn heute jemand neu in ein Team oder Unternehmen kommt? «Bisherige Lösungen lassen sich nicht einfach auf neue Bedingungen übertragen», ist die Dozentin Werkmann-Karcher überzeugt. Es reiche nicht mehr aus, einen Götti zu bestimmen, der die neue Mitarbeiterin durch die ersten Wochen begleite, dass die Vorgesetzte zu Beginn etwas häufiger vor Ort präsent sei und der eine oder andere zusätzliche Teamtag festgelegt werde.

Onboarding von neuen Mitarbeitenden als Herausforderung

«Gerade Arbeitsatmosphäre und Arbeitskultur müssen expliziter vermittelt werden als früher», erklärt die Wissenschaftlerin. Wie geht man informell miteinander um? Wie laufen Sitzungen ab? Nach welchen Regeln werden Räume belegt? Vieles, das man früher schlicht durch seine Präsenz mitbekommen habe, müsse heute auf anderem Weg erfahren werden. Ebenso lasse sich sicherlich auch Teambindung einfacher und umfassender aufbauen, wenn alle Mitglieder physisch vor Ort seien. «Das bedeutet aber nicht, dass Kontakte nicht auch auf virtuellem Weg entstehen und vertieft werden können», so Werkmann-Karcher. «Es braucht einfach mehr Planung, weil Zufallsbegegnungen im Virtuellen nicht stattfinden.»

«Das Unternehmen schenkt einem Vertrauen und man gibt Produktivität zurück.»

Birgit Werkmann-Karcher

Gleiches gilt fürs fachliche Onboarding. Die Einführung in den Einsatzbereich finde zwar häufig in physischer Präsenz statt. Dennoch sei es nicht mehr so einfach, den Kolleginnen und Kollegen über die Schulter zu schauen, weil die Gelegenheiten dazu seltener geworden seien, stellt Werkmann-Karcher fest. «Natürlich geht so eine gewisse Spontaneität verloren.» Vor allem fehle die Leichtigkeit, mit der man in der Anfangszeit in einem neuen Team nochmals rückfragen oder nachhaken könne.

Zusätzliches Engagement

Die Bindung an das Unternehmen scheint durch das vermehrte Home Office kaum zu sinken. Im Gegenteil: Die Möglichkeit, hybrid zu arbeiten, wird von den meisten Mitarbeitenden laut Werkmann-Karcher klar als Wertschätzung empfunden. Das stärke die Organisationsbindung sogar eher. Es komme, wenn man so will, zu einer Art von Tauschhandel: «Das Unternehmen schenkt einem Vertrauen und man gibt Produktivität zurück.» So identifizierten sich fast 90 Prozent der Befragten mit den Werten und Zielen ihrer Organisation und seien stolz darauf, für diese tätig zu sein. Ebenso gibt die grosse Mehrheit an, sich gerne zusätzlich zu engagieren, um zum Erfolg des Arbeitgebers beizutragen. Erst wenn jemand mehr als drei Viertel der Arbeitszeit von ausserhalb tätig sei, schwächten sich diese Werte wieder ab.

«Die Studie zeigt, dass wir alle miteinander in einer grossen gesellschaftlichen Transformation unterwegs sind», resümiert Werkmann-Karcher. «Und das gar nicht mal so schlecht.» Natürlich seien längst noch nicht alle Fragen beantwortet, die die neue Arbeitswelt mit sich bringe. Aber wenn man auf das letzte Jahrzehnt zurückblicke, zeige sich gerade etwa an der Abgrenzung von Arbeit und Privatleben: «Wir haben auch schon viel dazugelernt.»

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