Mental Load: Ständig Stress im Kopf

11.04.2024
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Wann wird die mentale Belastung zum Problem, und wie lässt sich der ständige Stress im Kopf reduzieren? Zwei ZHAW-Expertinnen geben praktische Tipps.

Ich kenne Mental Load vor allem aus dem Familiensetting: bei Müttern, die für alle Familienangelegenheiten verantwortlich sind und an alles denken, alles organisieren müssen.

Filomena Sabatella: Das überrascht mich nicht. Bekannt wurde der Begriff Mental Load durch den Emma-Comic, in dem es um eine Frau geht, die den ganzen familiären Mental Load trägt. Ursprünglich kommt das Thema aber aus der Arbeitswelt.

Ist Mental Load generell ein Frauenproblem?

Sabatella: Es gibt keine konkreten Zahlen dazu. Aber wir wissen, dass in Paarbeziehungen jeweils eine Person den Load übernimmt – und in der Regel ist das tatsächlich die Frau.

Was sind die Gründe für dieses Geschlechter-Ungleichgewicht?

Isabel Willemse: Viele realisieren nicht, dass sie in diesen Stereotypen gefangen sind. Und weil die Rollen gesellschaftlich geprägt sind, braucht es einen zusätzlichen Effort, diese zu durchbrechen.

«Wie anstrengend all die Denkaufgaben sind, wird selten thematisiert.»

Filomena Sabatella, Fachgruppe Klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie

Wie kann man das als Paar angehen?

Sabatella: Zuerst muss man sich des Problems bewusst werden. Dann geht es ums Visualisieren: Welche Aufgaben stehen Tag für Tag an, und wie wollen wir die neu aufteilen? Der Knackpunkt ist Schritt drei: die Aufgaben auch mental aufzuteilen und das Verhalten zu ändern. Da können einem diverse Hindernisse im Weg stehen.

Welche wären das zum Beispiel?

Sabatella: Die eigene Einstellung etwa: Wenn ich glaube, dass sowieso keiner die Aufgabe so gut erledigt wie ich selbst. Oder dass man es aushalten muss, falls das Gegenüber die Angelegenheit erst einige Tage später erledigt. Dann ist es wichtig, nicht gleich zu sagen: «Dann mach ich’s eben schnell selbst.» Mein Tipp: Gib zuerst die Aufgaben ab, die dir weniger wichtig sind.

Ich notiere mir anstehende Aufgaben oft im Kalender, damit ich sie vorübergehend aus dem Kopf bringe und nicht mehr aktiv daran denken muss. Ist das eine sinnvolle Taktik?

Willemse: Auf jeden Fall. Was im Kopf herumschwirrt, nimmt viel mehr Raum ein, weil es so diffus ist. Sortiert und visualisiert man diese Dinge, hat man einen besseren Überblick und kann anfangen, Prioritäten zu setzen.

«Man hat ja meist das Gefühl, alle anderen meistern die täglichen Herausforderungen mega easy, nur ich nicht.»

Isabel Willemse, Fachgruppe Medienpsychologie

Sabatella: Man erkennt so schneller, in welchen Momenten der Alltag stressig ist und wo man mehr Entspannung hineinbringen sollte.

Mehr Entspannung klingt gut, aber wie bekommt man das hin, wenn der Alltag so vollbepackt ist?

Sabatella: Viele Mütter stehen zum Beispiel eine halbe Stunde vor den Kindern auf, um etwas Ruhe zu haben, bevor der morgendliche Rummel beginnt. Kommt man nicht gut aus dem Bett, kann man auch am Vormittag eine fixe Pause einplanen.

Willemse: Oder man wird pragmatischer: Ein gekauftes Sandwich für den Schulausflug kann zum Beispiel genauso gut sein wie ein selbstgemachtes.

Wann wird aus dem Mental Load ein Overload?

Sabatella: Wenn man sich am Abend hinlegt und die Gedanken zu kreisen beginnen, man ständig angespannt oder überlastet ist, dann ist die mentale Belastung zu gross. Das kann zu gesundheitlichen Problemen wie Schlafstörungen, Angstzuständen oder einer Erschöpfungsdepression führen.

Willemse: Wenn man zwischendurch einmal nicht abschalten kann, ist das nicht sofort besorgniserregend, so geht es uns allen einmal. Aber wenn man sich dauerhaft aus dem sozialen Umfeld zurückzieht, weil einem die Energie fehlt, oder man ständig aggressiv ist, dann sind das Warnsignale.

Ein Kartenset gegen mentale Belastung

Filomena Sabatella und Isabel Willemse vom Departement Angewandte Psychologie haben ein Kartenset für Beratung und Therapie entwickelt. Das Set enthält 77 Karten, aufgeteilt in sieben Module, sowie ein Booklet mit unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten. Ziel ist, die Ursachen mentaler Belastung zu identifizieren und Strategien zu entwickeln, um den Stress im Kopf zu reduzieren. Die Karten sind nach Themengebieten wie «Emotional Load» oder «Konkrete Aufgaben» aufgeteilt und zeigen so klar auf, was alles zum Mental Load gehört.

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