Nur verständliches Wissen ist zugänglich
Offene Wissenschaft bedeutet auch, dass die breite Öffentlichkeit die Ergebnisse verstehen kann. Weil dieser Aspekt oft vernachlässigt wird, entwickeln Forschende von drei Organisationen gemeinsam mit vier Fachzeitschriften ein Kommunikationskonzept.
In Fachzeitschriften veröffentlichte Studien behandeln komplexe Themen und sind meist auf Englisch verfasst. Was der internationalen Verbreitung dient, schliesst jedoch Nichtfachpersonen aus. Wer versteht schon, was «pathogen sequence sharing» bedeutet, oder kann mit dem Satz «the prevalence of high-level (…) resistance was 22 %» etwas anfangen? «Verständlichkeit gehört zu einer zugänglichen Wissenschaft», betont Colette Schneider Stingelin, Forscherin und Dozentin am Institut für Angewandte Medienwissenschaft: «Denn manche Ergebnisse sind besonders relevant für den Alltag der Bevölkerung.» Erkenntnisse aus der Gesundheitsforschung helfen uns etwa im Umgang mit der eigenen Gesundheit, jene der Erziehungswissenschaften nützen Lehrpersonen und Eltern.
Auszüge ohne Fachjargon
Auf kompetenten Wissenschaftsjournalismus, der Interessantes aufgreift, vermittelt und kritisch einordnet, kann die Öffentlichkeit aber immer weniger zählen. Denn die Schweizer Massenmedien bauen ihn in ihrer ökonomischen Krise zunehmend ab. Schneider Stingelin erforscht daher mit ihrem Team, wie sich sogenannte «Lay-Abstracts» – Zusammenfassungen für Themenfremde – in die redaktionellen Abläufe unabhängiger Schweizer Wissenschaftszeitschriften einfügen lassen. Solche leicht verständlichen Kurzformen sind vor allem aus dem angelsächsischen Raum bekannt. Sie werden eigens produziert, sind in einfacher Sprache ohne Fachjargon formuliert und beziehen sich auf die Lebenswelt interessierter Personen. «So werden aktuelle Forschungsresultate mit Suchmaschinen leichter gefunden», sagt die Projektleiterin.
«Kommunizieren ist eine Riesenchance, um das Vertrauen in die Wissenschaft zu fördern.»
KI kann unterstützen
Am Projekt beteiligt sind drei Organisationen sowie vier Fachzeitschriften aus den Bereichen Medizin, öffentliche Gesundheit und Medienpädagogik. Ziel ist es, ausgewählte Open-Access-Artikel in gut verständlichen Texten auf Deutsch, Französisch und Italienisch zusammenzufassen. Die Forschenden entwickeln gemeinsam mit den Redaktionen ein Verfahren, um diese für Laien gedachten Auszüge mit vertretbarem Aufwand zu erstellen. Erste Erkenntnisse des von swissuniversities, der Konferenz der Schweizer Hochschulen, unterstützten Projekts zeigen: Künstliche Intelligenz (KI) lässt sich teilweise einbeziehen, um die Texte zu verfassen. ChatGPT und andere KI-Systeme können Forschungsmethoden automatisiert erklären, etwa was eine explorative Datenanalyse oder eine teilnehmende Beobachtung ist. «Dies hilft interessierten Personen, eine Studie besser einzuschätzen», so Schneider Stingelin.
«Es braucht die Forschenden»
Doch die Aufgabe, Wissen transparent darzustellen, lässt sich weder ganz an KI noch an Journal-Redaktionen delegieren, so die Zwischenbilanz des Projekts, das noch bis nächsten Frühling dauert. Es braucht auch die Forschenden selbst, sagt Colette Schneider: «Diese sind gefragt, vermehrt aus den eigenen Kreisen hinauszutreten und mitzuhelfen, der Bevölkerung gesichertes Wissen rasch zur Verfügung zu stellen.» Im Austausch mit Forschenden erarbeitet das Projektteam zusätzlich ein Kommunikationskonzept, wie sich die Laien-Zusammenfassungen der Fachzeitschriften noch weiter verbreiten lassen. Das Team evaluiert, auf welchen Kanälen und in welchen Formaten sie auch noch publiziert werden können, von Podcast über Video bis Social Media. Klar, Forschende exponieren sich dadurch. «Unter dem Strich ist es aber eine Riesenchance, um das Vertrauen in die Wissenschaft zu fördern», hält die Kommunikationsexpertin fest.
(Bild: suldev/AdobeStock)
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